Abmahnfalle "lebenslange Garantie"

19.09.2006
Das Angebot der "lebenslangen Garantie" hat dem Handel eine Abmahnwelle beschert. Rechtsanwalt Johannes Richard über die wettbewerbsrechtliche Problematik.

Viele Hersteller im IT-Bereich räumen ihren Kunden gerne eine lebenslange Garantie ein. So vorteilhaft dies für den Kunden sein mag, so problematisch ist eine derartige Garantie aus wettbewerbsrecht- licher Sicht. Zurzeit überrollen gleich mehrere Abmahnwellen das Land, in denen Händler, die die Garantieaussagen der Hersteller in der Bewerbung der Produkte übernommen haben, genau wegen dieser Aussage abgemahnt werden (siehe ComputerPartner 35/06, Seite 18).

Derartige Garantien werden hierbei zum einen wegen Irreführung, zum anderen wegen unsachlicher Beeinflussung als wettbewerbswidrig eingeschätzt. Die Irreführung ergibt sich spitzfindigerweise daraus, dass eigentlich gar nicht klar ist, worauf sich das "lebenslang" eigentlich bezieht - nämlich auf das Produkt oder das Leben des Käufers. Letzteres zugrunde gelegt, wäre die lebenslange Garantie bei Senioren somit weitaus kürzer als bei Kleinkindern.

Wettbewerbsrechtliches Hauptargument ist jedoch die unsachliche Beeinflussung gem. § 4 Nr. 1 UWG. Ob die lebenslange Garantie tatsächlich wettbewerbswidrig ist, ist zumindest in der juristischen Diskussion umstritten. In alter BGH-Rechtsprechung aus den 50er- bis 90er-Jahren ist die lebenslange Garantie deshalb als wettbewerbswidrig angesehen worden, da sie einen Zugabecharakter hat und daher einen Verstoß gegen die damals bestehende Zugabeverordnung darstellte. Die Zugabeverordnung existiert jedoch nicht mehr, sodass dieses Argument nicht mehr durchgreifen kann.

Eine weitere Argumentation ist, dass gem. § 202 BGB Vereinbarungen über die Verjährung nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren hinaus erschwert werden kann. Aus diesem Grund kann, so die Rechtsprechung, eine Garantie nicht über die Dauer von 30 Jahren hinaus rechtlich wirksam eingeräumt werden. Unter Juristen wird jedoch durchaus die Ansicht vertreten, dass eine Garantiefrist nicht unter die Regelung fällt, dass Verjährungen über 30 Jahre hinaus nicht vereinbart werden können.

Es wird jedoch durchaus vertreten, dass eine Garantiefrist etwas völlig anderes sei als eine Verjährungsfrist. Dies hätte zur Folge, dass eine Garantiefrist beliebig lange vereinbart werden kann, da § 202 Abs. 2 BGB gar keine Anwendung findet. Hinzu kommt, dass gerade IT-Technik ohnehin nur einem relativ kurzen Lebenszyklus unterliegt. Praktisch gesehen hat dies zur Folge, dass eine lebenslange Garantie seitens des Herstellers ohnehin nur maximal zehn bis 15 Jahre gewährt werden kann, da IT-Produkte in der Regel gar nicht so lange in Benutzung sind. Dies kann jeder IT-Nutzer selbst überprüfen: Welche IT-Technikprodukte benutzen Sie heute noch, die Sie 1990 gekauft haben? Die Antwort wird in der Regel lauten: Gar keine! Rein faktisch bezogen bezieht sich die Garantie daher nicht auf einen unendlich langen Zeitraum, sondern auf die zu erwartende Lebensdauer des Produktes, bezogen auf seinen konkreten Anwendungsbereich im Rahmen der IT-Technik. Dies einmal zu Ende gedacht, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass eine lebenslange Garantie bei Elektronik- und IT-Produkten ohnehin "Augenwischerei" ist. Die Einwände in der juristischen Literatur werden in der Praxis durch die Rechtsprechung jedoch nicht zur Kenntnis genommen. Abmahnungen wegen lebenslangen Garantien werden in der Regel, ohne groß zu überlegen, durch die Gerichte durchgewunken. Positive Entscheidungen, die sich mit dieser Frage einmal intensiver befasst hätten, sind uns nicht bekannt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat beispielsweise mit seiner Entscheidung vom 27.10.2005 (Az.: 6 U 198/04) eine 40-jährige Garantie als wettbewerbsrechtlich irreführend angesehen. Die Haltbarkeitsgarantie wurde wie eine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche angesehen. Dies galt unabhängig davon, ob die Garantie vom Verkäufer selbst oder vom Hersteller übernommen wurde.

In der Praxis sieht es so aus, dass die Verkäufer durch die Übernahme der Herstellerinformationen in wettbewerbsrechtliche Verfahren hineingezogen werden, für die sie eigentlich nichts können. Unabhängig davon haftet der Verkäufer für Werbeaussagen, auch wenn er diese nur vom Hersteller übernommen hat. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn der Verkäufer die Garantiezusagen nicht ausdrücklich in sein Angebot mit aufgenommen hat oder im Angebot darauf hinweist, dass er sich von einer Garantiezusage distanziert.

Ähnlich wie die wettbewerbswidrige Abkürzung "UVP" für unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, die durch Verkäufer gern einmal aus Herstellerprospekten für das eigene Angebot übernommen werden, sollte der Verkäufer im Einzelnen genau überprüfen, welche Produkt- und Herstelleraussagen er bei der Bewerbung seiner Produkte übernimmt und verwendet. Inwieweit es möglich ist, dass ein Verkäufer, der wegen der Übernahme einer entsprechenden Herstellerwerbung abgemahnt wurde, den Hersteller in Regress nehmen kann, ist ungeklärt. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Abgemahnten gegenüber dem werbenden Hersteller halten wir in der Praxis für sehr problematisch.

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