Streitfall Störerhaftung

Abmahngefahr auch unter neuem WLAN-Hotspot-Gesetz

01.06.2016
Die geplante Gesetzesänderung zur WLAN-Störerhaftung beendet nach Ansicht von Verbraucherschützern keinesfalls die Gefahr für kostenpflichtige Abmahnungen von WLAN-Hotspot-Betreibern.
Private Betreiber können künftig ihr WLAN zur Verfügung stellen, ohne für das Fehlverhalten der Nutzer zu haften. Eine Mogelpackung?
Private Betreiber können künftig ihr WLAN zur Verfügung stellen, ohne für das Fehlverhalten der Nutzer zu haften. Eine Mogelpackung?
Foto: Shutter M - shutterstock.com

"Störerhaftung wird abgeschafft" und "WLAN-Betreiber haften bald nicht mehr für das Verhalten anderer Hotspot-Nutzer" - so der Medientenor im vergangenen Monat über die Pläne der Großen Koalition aus CDU und SPD, für Betreiber von offenen WLAN-Hotspots das sogenannte Betreiber-Privileg einzuführen. Jetzt liegt der Gesetzentwurf der Großen Koalition vor und wird gleich von allen Seiten heftig kritisiert, weil die entscheidenden Punkte nur in der Gesetzesbegründung, aber nicht im Gesetzestext stünden. Eine "Mogelpackung" nennt deshalb der Fachanwalt für IT-Recht Thomas Stadler den Entwurf. Von "einem Minimalkonsens", der "Knackpunkte bei der WLAN-Störerhaftung offen" lässt, spricht die Digitale Gesellschaft.

Wichtige Passage in Gesetzesentwurf gestrichen

"Der geplante Absatz 4, der die Haftungsprivilegierung auch auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche erweitern sollte, ist wieder gestrichen worden", berichtet Stadler. "Das eigentliche Ziel, Rechtssicherheit für Betreiber öffentlicher WLANs zu schaffen, wird auf diesem Weg aber nicht erreicht. Denn nach der Rechtsprechung des BGH gilt die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG gerade nicht für Unterlassungsansprüche. Das sollte durch Absatz 4 geändert werden." Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, stößt ins gleiche Horn: "Der Minimalkonsens, den die Große Koalition in letzter Sekunde erreicht hat, lässt die Knackpunkte bei der WLAN-Störerhaftung offen."

Risiko kostenpflichtiger Abmahnungen besteht weiter

Dass Funknetzbetreiber unter das sogenannte Provider-Privileg fallen, sei bereits heute Stand der Rechtsprechung, erläutert die Initiative, die für eine menschenrechts- und verbraucherfreundliche Netzpolitik eintritt. Die Lösung der entscheidenden Fragen im Zusammenhang mit der WLAN-Störerhaftung überlasse die Große Koalition weiter den Gerichten, denn die Begründung eines Gesetzes sei nicht bindend, sondern eine optionale Auslegungshilfe für Gerichte. Ob WLAN-Betreiber wegen Rechtsverstößen von Nutzern weiterhin auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können, sei deshalb völlig offen. Das Risiko kostenpflichtiger Abmahnungen bestehe weiterhin fort.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bemängelt ebenfalls, dass der Gesetzestext nicht den nötigen rechtlichen Schutz vor teuren Abmahnungen bringt. "Zwar haften nach dem Vorschlag Anbieter öffentlich zugänglicher Hotspots nicht mehr, wenn Dritte über das offene Netzwerk illegal Musik oder Filme herunterladen. Die Gefahr aber, über eine Abmahnung finanziell in die Pflicht genommen zu werden, bleibt und damit eine unnötige Rechtsunsicherheit. Das wäre ein schlechter Kompromiss", sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv, zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. "Wenn Abmahnungen ein Riegel vorgeschoben werden soll, dann muss das schwarz auf weiß im Gesetz stehen."

Der weggefallene Absatz

"Nachdem die Große Koalition also nicht mehr als eine Mogelpackung anbietet, gilt es abzuwarten, ob der EuGH die Weichen deutlich anders stellt", so Stadler. In seinem Blog zitiert der Anwalt die relevanten Passagen zum Nachlesen. Der gestrichene Absatz lautet demnach:

(4) Diensteanbieter nach Absatz 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter 1. angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk ergriffen hat und 2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.

"Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen": Mit diesem einzelnen Satz wollen die Abgeordneten der Großen Koalition das Ende der WLAN-Störerhaftung besiegeln und auch Hotspots betreibende Privatpersonen von der Haftung für Rechtsverstöße durch Nutzer ihrer Zugangspunkte ausnehmen.

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