Die häufigsten Abmahnungen (Teil 3)

Abmahngründe beim Warenverkauf im Internet



Jens Ferner ist Rechtsanwalt in Alsdorf. www.ferner.eu

22. Falsche Mehrwertsteuerangabe

Können im Internet angegebene Endpreise, bei denen eine zu niedrige Umsatzsteuer angesetzt wurde, wettbewerbsrechtlich geahndet werden?

Das OLG Oldenburg hatte sich mit einem solchen Fall zu beschäftigen und kam zu dem Ergebnis, dass bei der Angabe einer zu niedrigen Umsatzsteuer eine unlautere Wettbewerbshandlung nicht zu erkennen sei.

Die Parteien waren Konkurrenten auf dem Markt des Handels mit Tiernahrungsmitteln. Ihr Sortiment umfasste jeweils "Knabberohren", die aus Rinderohren hergestellt und von den Parteien zum Weiterverkauf in Deutschland eingeführt wurden. Die Klägerin vertrieb die Knabberohren als Tierfutter mit einem Umsatzsteuersatz von 16 %. Die Beklagten boten die Knabberohren als "Kauspielzeug für den Hund" an und legten bei der Veräußerung an Einzelhandelsunternehmen den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu Grunde.

Die günstigere umsatzsteuerrechtliche Zuordnung setzte jedoch voraus, dass die angebotenen Erzeugnisse nach veterinärrechtlicher Beurteilung für die menschliche Ernährung auch tatsächlich geeignet bzw. genießbar sind. Eben darüber stritten sich die Parteien, wobei selbst die Steuerbehörden die ihnen vorgelegten Warenproben uneinheitlich beurteilt hatten.

Die Klägerin sah jedenfalls in der unterschiedlichen Besteuerung eine wettbewerbsverfälschende Ungleichbehandlung zu ihren Lasten und hat daher beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, so genannte "Knabberohren" (Rinderohren - Kauartikel für den Hund) mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 % anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen. Das OLG Oldenburg (30.11.2006, Az. 1 U 74/06) hatte sich also unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, ob der Klägerin ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehen könnte.

Das OLG Oldenburg konnte im vorliegenden Fall keinen wettbewerbsrechtlichen Verstoß erkennen, wobei es hierzu mehrere Gründe aufzählte:

So seien die von den Beklagten angegebenen Endpreise, bei denen eine Umsatzsteuer von 7 % ausgewiesen wird, nicht irreführend. Eine Irreführung würde voraussetzen, dass bei dem Adressaten eine Vorstellung erzeugt werde, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang stehe. Eine solche Vorstellung werde jedoch im vorliegenden Fall nicht erzeugt.

Auch löse die Angabe, der Endpreis enthalte einen Umsatzsteuerbetrag i. H. v. 7 %, bei den angesprochenen Verkehrskreisen zunächst nur die Vorstellung aus, dass der Veräußerer auf jeden Veräußerungsvorgang eine Umsatzsteuer an das Finanzamt in der angegebenen Höhe abführen bzw. im Wege des Vorsteuerabzuges geltend machen wird. Diese Angabe sei schon deshalb nicht irreführend, weil die Beklagte nicht in Wahrheit einen anderen als den prozentual ausgewiesenen Betrag an das Finanzamt abführte.

Zudem könne die Angabe, der Endpreis enthalte 7 % Umsatzsteuer, allenfalls dann irreführend sein, wenn darin eine sachlich falsche Zusicherung zum USt-Satz liege und diese Angabe für den Käufer bei Weiterveräußerung von Bedeutung sei oder ihn gar binde. Das sei jedoch nicht der Fall. Der einfache Ausweis des selbst (zu niedrig) abgeführten Steuersatzes könne keine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung bewirken.

Nicht zuletzt sei es auch nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, Gesetzesverstöße generell zu sanktionieren. Nicht jede Wettbewerbshandlung, die auf einem Gesetzesverstoß beruhe, sei zugleich wettbewerbswidrig. Hinzukommen müsse vielmehr, dass die verletzte Norm zumindest eine sekundäre Schutzfunktion zu Gunsten des Wettbewerbs aufweise. Die verletzte Norm müsse zumindest auch die Funktion haben, das Marktverhalten zu regeln und so gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. Genau dies sei in Bezug auf die hier in Rede stehenden umsatzsteuerrechtlichen Regelungen nicht der Fall.

Fazit:

Das OLG Oldenburg spricht eine deutliche Sprache: Das Inverkehrbringen von Waren zu einem - angeblich - unzutreffenden Mehrwertsteuersatz ist im wettbewerbsrechtlichen Sinne nicht relevant und damit auch nicht abmahnfähig. Das Urteil sollte dennoch nicht als genereller Freibrief für Online-Händler verstanden werden, mit willkürlichen Mehrwertsteuersätzen Kunden anzulocken. Vielmehr muss in diesem Zusammenhang auch auf die Besonderheit des vorliegenden Sachverhaltes aufmerksam gemacht werden. So war es im vorliegendem Fall selbst unter Experten streitig, welcher Steuersatz (7 % oder 19 %) in Bezug auf die "Knabberohren" nun wirklich gilt.

23. Verstöße im Google-Cache

Das OLG Düsseldorf hatte schon frühzeitig eine recht interessante wettbewerbsrechtliche Fragestellung zu klären. Es ging hierbei um das Problem, ob auch Rechtsverstöße (hier: Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Impressums) im Google-Cache mit einer Abmahnung geahndet werden können.

Dies sei jedoch nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 3.7.2007 - Az. I20 U 10/07) nicht möglich. Schließlich müsse die unlautere Wettbewerbshandlung den Wettbewerb mehr als nur unerheblich beeinträchtigen (§ 3 UWG), wofür es von Bedeutung sei, wie die angesprochenen Verkehrskreise zu der beanstandeten Internetseite gelangen. Sei dies jedoch mehr oder weniger nur zufällig oder nur auf einem komplizierten Weg möglich, wirke sich ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß nur in geringem Umfang aus, so dass die wettbewerbliche Relevanz nicht festgestellt werden könne.

Das Gericht stellte noch einmal klar, dass eine nicht ordnungsgemäße Anbieterkennzeichnung als unlautere Handlung nach § 4 Nr. 11 UWG einzustufen sei, weil einer gesetzlichen Vorschrift (§ 5 TMG) zuwidergehandelt würde, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Solange sich die Rechtsverletzung aber ausschließlich auf den Cache einer Suchmaschine beschränke, sei eine wettbewerbsrechtliche Relevanz nicht gegeben.

Anders aber kann das durchaus mit weiteren Unterlassungsansprüchen sein. Etwa bei persönlichkeitsrechtlichen Verletzungen: Hier hat das KG Berlin (9 U 27/09) entschieden, dass der Verweis, dass man auf Google keinen Einfluss habe, nicht ausreichen kann. Der Grund ist die besonders hohe Bedeutung des (verletzten) Persönlichkeitsrechts, das immerhin ein Verfassungsgut ist. Potentielle Rechtsverletzer (hier ging es um eine Zeitung) haben sich im Vorhinein Gedanken um eine Löschung zu machen und ggf. sogar mit Google ein gesondertes Verfahren zur Löschung zu verabreden. Dem entgegen entschied das OLG Hamburg (3 W 60/02), dass der Schuldner mit dem Entfernen der Inhalte auf dem eigenen Server alles Notwendige getan hat und sich getrost darauf verlassen dürfe, dass Suchmaschinen regelmäßig ihre Inhalte aktualisieren.

Die rechtliche Lage ist daher eher schwierig. Zu empfehlen ist in jedem Fall, vorsichtshalber vor der Unterzeichnung von Unterlassungserklärungen für eine Entfernung bei den großen Suchmaschinen - allen voran Google - zu sorgen, bevor darum gestritten wird, ob der noch vorhandene Eintrag in Suchmaschinen die Vertragsstrafe verwirkt hat. Zur Entfernung bieten diese entsprechende Formulare an.

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