Angebliches Filesharing

Abmahnung – erst einmal ruhig bleiben



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Adressaten von Abmahnschreiben sollten nicht in Panik verfallen. Denn den Abmahnanwälten und ihren Auftraggebern bläst längst ein eisiger Wind ins Gesicht, sagt Uwe Vetter.

Die Anwaltskanzleien haben klangvolle Namen, ihre Briefe sind oft Dutzende Seiten dick und mit vielen, vielen Paragrafen gespickt. Der Ton ist immer wichtig, mitunter auch bedrohlich. Und am Ende des Schreibens steht regelmäßig eine extrem knappe Zahlungsfrist, die der Empfänger angeblich unbedingt einhalten muss. Hunderttausende kriegen solche Schreiben, weil sie angeblich illegal Filme, Musik oder Hörbücher aus Internet-Tauschbörsen gezogen haben sollen.

Bloß keine Panik: Die Rechtsprechung schlägt sich seit geraumer Zeit immer häufiger auf die Seite der Abgemahnten.
Bloß keine Panik: Die Rechtsprechung schlägt sich seit geraumer Zeit immer häufiger auf die Seite der Abgemahnten.
Foto: Martin Fally - Fotolia.com

Dabei ist es bei den Filesharing-Abmahnungen wie so oft im Leben. Vieles ist nur (böser) Schein. Man könnte auch von psychologischer Kriegsführung sprechen. Tatsächlich bläst den Abmahnanwälten und ihren Auftraggebern nämlich längst ein eisiger Wind ins Gesicht.

Immer öfter gewinnen die Abgemahnten vor Gericht

Vor drei, vier Jahren sah das noch anders aus. Da haben Gerichte fast bedenkenlos Forderungen durchgewunken, teilweise bis zu 10.000 Euro. Das hat sich mittlerweile drastisch geändert. Immer öfter gewinnen die Abgemahnten, oder es bleibt bei vergleichsweise geringfügigen 100 bis 200 Euro Schadensersatz. Beträge, bei denen sich für die Abmahner selbst im Erfolgsfall der Aufwand kaum noch lohnt.

Wer eine Abmahnung erhält, muss also keineswegs in Panik verfallen. Nichtstun ist allerdings auch kein Rezept. So ist es nach wie vor empfehlenswert, auf eine Filesharing-Abmahnung zu reagieren. Zwar nicht mit einer Zahlung. Aber mit einer sogenannten modifizierten Unterlassungserklärung.

Formulare des Abmahners enthalten oft Schuldanerkenntnisse und Kostenzusagen

In diesem kurzem Schreiben verpflichtet sich der Inhaber des Internet-Anschlusses gegenüber dem Rechteinhaber, künftig die abgemahnten Werke nicht mehr im Internet zu tauschen. Es gibt viele Muster hierfür, die Formulierungen weichen oft deutlich voneinander ab. Einen brauchbaren Textvorschlag drucke ich unter dieser Kolumne ab. Nur das mit der Abmahnung übersandte Formular sollte man auf keinen Fall verwenden. Zu oft sind darin Schuldanerkenntnisse und Kostenzusagen versteckt.

Wer die Unterlassungserklärung abgegeben hat, muss allerdings künftig vorsichtig sein. Wird die betreffende Datei (erneut) über den eigenen Anschluss getauscht, kostet das eine happige Vertragsstrafe. Trotz dieses Risikos lohnt sich die Unterlassungserklärung. Denn sie reduziert den möglichen Streitwert auf ein Niveau, auf dem sich Klagen gegen Betroffene kaum noch lohnen.

Es bestehen also gute Aussichten, dass die Angelegenheit hier schon praktisch endet. Dann braucht man nur noch ein dickes Fell, um die Mahnschreiben zu ignorieren, mit denen man künftig bombardiert wird. Nur ein ganz geringer Bruchteil der Abgemahnten wird, trotz aller Drohungen, am Ende tatsächlich verklagt. Es gibt hierzu keine belastbaren Zahlen, nach meiner Erfahrung sind es aber maximal 2 bis 3 Prozent.

Angebliche Filesharer haben gute Karten

Selbst wenn es zum Prozess kommt, haben angebliche Filesharer wie gesagt mittlerweile gute Karten. Immer mehr Gerichte berücksichtigen, wie Internetanschlüsse in der Realität genutzt werden. Ehegatten und Kinder, Mitbewohner und Freunde surfen doch munter mit. Es kann also meist gar nicht festgestellt werden, wer sich auf dem Gratisweg mit Lady Gagas neuer Single versorgt hat.

Der Anschlussinhaber selbst haftet aber nur, wenn er seine "Kontrollpflichten" verletzt hat. Diese Pflichten werden aber nun in immer mehr Urteilen auf ein Mindestmaß zurechtgestutzt. So muss der Anschlussinhaber die Mitnutzer keinesfalls überwachen. Von daher lassen es immer mehr Gerichte genügen, wenn der Anschlussinhaber plausibel darlegt, dass jedenfalls er Lady Gaga doof findet und zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht online war. Hier sind allerdings viele Details zu beachten, so dass man vor Gericht kaum ohne Anwalt weiterkommt.

Vor einiger Zeit wurde dann auch endlich der fliegende Gerichtsstand für Filesharing-Abmahnungen abgeschafft. Rechteinhaber können sich nun nicht mehr an ihnen wohlgesonnene Gerichte wenden. Sie müssen stets am Wohnsitz des Abgemahnten klagen. Schon wegen des damit verbundenen Aufwandes werden Filesharing-Klagen deutlich unattraktiver. Gut möglich also, dass die Abmahnflut längst ihren Scheitelpunkt hinter sich gelassen hat.

Vorschlag für eine Unterlassungserklärung

Eine Unterlassungserklärung könnte wie folgt aussehen:

"Hiermit verpflichte ich (Name, Adresse) mich ohne Anerkennntnis einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, gleichwohl rechtsverbindlich, gegenüber (Name des Rechteinhabers) zu Folgendem:
Ich werde es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung von der Unterlassungsgläubigerin festzusetzenden angemessenen, im Streitfall durch das zuständige Amts- oder Landgericht zu überprüfenden Vertragsstrafe unterlassen, das urheberrechtlich geschützte Werk (Titel des Werks) ohne Einwilligung der Unterlassungsgläubigerin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und / oder der Öffentlichkeit zugänglich machen zu lassen, insbesondere dieses Werk im Internet Dritten zum Download bereitzustellen oder aber solche Handlungen über den Internetanschluss zu ermöglichen.
(Unterschrift)"

Weitere Infos: Uwe Vetter ist Arag-Rechtsexperte mit Schwerpunkt Internetrecht (www.arag.de)

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