Warten auf den Herbst

Apple Watch 2: Welche neuen Funktionen wir erwarten

Peter Müller ist der Ansicht, dass ein Apple täglich den Arzt erspart. Sei es iMac, Macbook, iPhone oder iPad, was anderes kommt nicht auf den Tisch oder in die Tasche. Seit 1998 beobachtet er die Szene rund um den Hersteller von hochwertigen IT-Produkten in Cupertino genau. Weil er schon so lange dabei ist, kennt er die Apple-Geschichte genau genug, um auch die Gegenwart des Mac-Herstellers kritisch und fair einordnen zu können. Ausgeschlafene Zeitgenossen kennen und schätzen seine Beiträge im Macwelt-Morgenmagazin, die die Leser werktags pünktlich um acht Uhr morgens in den nächsten Tag mit Apfel und ohne Doktor begleiten. Privat schlägt sein Herz für die Familie, den FC Bayern, sechs Saiten, Blues-Skalen und Triolen im Shuffle-Rhythmus.

Apple Watch als Lebensretter

Aus Apple-Patenten werden nicht immer Produkte, doch geben sie oft Hinweise, in welche Richtung Apple entwickelt. So hat der Mac-Hersteller am 10. März beim US-Marken- und Patentamt einen Patentantrag eingereicht, der den Gesundheitsaspekt der Apple Watch weiter in den Vordergrund rücken soll. Die Apple Watch soll demnach das mit ihr gekoppelte iPhone veranlassen, den Notruf zu wählen, wenn die von der Uhr überwachten Vitalsignale des Trägers Anlass zur Sorge geben. Das könnte eine Herzrhythmusstörung sein, die den Alarm auslöst und den Rettungsdienst und/oder Angehörige informiert. Hier spielen aber auch andere Sensoren als nur der Pulsmesser eine Rolle: Messen die Beschleunigungssensoren etwa eine rasche Verzögerung und meldet der Pulsmesser kein Signal mehr, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Notfall sehr hoch. Helfen soll das System auch bei Verkehrsunfällen und selbst bei Diebstahl, die GPS-Sensoren oder das Mikrophon als solche erkennen könnten. Wer in welchem Fall benachrichtigt wird, lässt sich auf dem iPhone festlegen. Fehlalarme sollen durch Eskalationsstufen verhindert werden, die erste Nachricht über den vermeintlichen Herzinfarkt gingen dann etwa an Angehörige, erst wenn die Situation weiter eskaliert und die Erstkontakte nicht reagieren, bekommt der Notarzt den Alarm.

Aber schon jetzt hat sich die Apple Watch als Lebensretter bewährt, der jüngste Fall bezieht sich auf einen 62-jährigen Bauarbeiter aus Großbritannien, der sich eines Abends schlecht fühlte, aber erst mit der Apple Watch merkte, dass sei Puls mit 210 bpm förmlich dahinraste. In der Nacht hätte er nach Meinung seiner Ärzte einen zweiten, dann vermutlich tödlichen Herzinfarkt erleiden können, wenn er nicht auf die Warnung seiner Apple Watch reagiert hätte. Eine rührselige Geschichte des britischen Boulevardblattes The Sun, gewiss, doch Berichte über den gesundheitlichen Nutzen der Uhr hat es schon mehrere gegeben, letzten Herbst machte die Geschichte eines 17-jährigen Sportlers die Runde, dem die Apple Watch das Leben rettete. Auch hier waren es Anomalien des Pulses, die Warnsignale gaben. Tim Cook hatte ja die Hoffnung ausgedrückt, die Apple Watch werde einst in der Lage sein, Diabetes und Krebs zu heilen, aber damit das auch nur im Ansatz eintritt, wird die Uhr bedeutend mehr Sensoren benötigen. Die Apple Watch 2 könnte ein Anfang sein.

Mehr Sensoren, mehr Energiehunger

Systeme zu einer besseren Überwachung der Gesundheit und Einleitung rechtzeitiger Notfallmaßnahmen ließen sich zwar auch mit der bestehenden Hardware der Apple Watch realisieren, je mehr Sensoren aber verbaut sind, umso präziser würde das funktionieren. Schon bei der Konzeption der Apple Watch sollen die Ingenieure in Cupertino gute Ideen für weitere Sensoren gehabt haben, verzichteten aber auf deren Einbau. Der Grund ist einfach: Je mehr Sensoren, desto mehr Energiehunger. Apple musste erst Erfahrungen darüber sammeln, wie intensiv Kunden die Apple Watch nutzen und wie viel Ladung am Ende des Tages noch übrig ist. Die Sorge: Eine zu stark beanspruchte Apple Watch fällt schon weit vor Feierabend in die Gangreserve und lässt sich in diesem Energie sparenden Modus nur noch mehr schlecht als recht als Zeitanzeigeinstrument benutzen - alles andere als smart. Zur Überraschung vieler Tester blieb am Ende des Tages aber meist noch reichlich Energie übrig, auch wir waren erstaunt, auch am späten Abend die Apple Watch noch voll nutzen zu können. Der Einbau von weiteren Sensoren ist also nur eine Frage der Zeit, spannend wird es zu sehen sein, welche Prioritäten Apple bei neuen Funktionen setzt.

Wo bin ich?

Wir erinnern uns an das iPhone der ersten Generation: Kein GPS und kein Mobilfunkchip der dritten Generation. Im Juni 2007 zum Verkaufsstart des Ur-iPhones hieß es von Apple noch lapidar, derartige Chips werde man einbauen, wenn sie nicht mehr so viel Energie verbrauchten. Schon mit dem iPhone 3G ein Jahr später waren dann 3G-Mobilfunk und GPS mit an Bord, was die Möglichkeiten des iPhone erheblich erweiterte, man denke nur an präzisere Navigation. Die Sorge war wohl auch beim iPhone, dass der morgens frisch geladene Akku den Feierabend nicht sehen würde, aber auch das erste iPhone hielt überraschend lange durch, weswegen Apple gleich für die zweite Generation deutlich an Sensoren und Funktionen nachlegen konnte. Dabei hielt die Batterie im iPhone 4G mit 1150 Ah sogar weniger Ladung bereit als die im originalen iPhone mit ihren 1400 Ah.

Wäre also ein GPS-Sensor ein logisches Zubehör für die Apple Watch? Das Nutzerversprechen: Die Apple Watch wird unabhängiger vom iPhone, so müsste man zum Joggen oder auf die Fahrradtour nicht unbedingt ein iPhone mitnehmen, um die Strecke genau zu kartographieren. Gleichwohl kann man auch heutige iPhones mit dauerhaftem Einsatz des GPS in einigen wenigen Stunden leer saugen, der eigene GPS-Chip der Apple Watch dürfte nur in bestimmten Fällen zum Einsatz kommen. Zum Beispiel könnte er angeschaltet werden, wenn andere Sensoren vermuten, dass die Apple Watch nicht abgelegt wurde, sondern vom Handgelenk heruntergerissen.

Wie alarmiert aber im Fall eines Raubes die Apple Watch die Polizei, wenn das gekoppelte iPhone sehr schnell außer Reichweite gerät oder gar nicht erst dabei war? Hier könnte eine Lösung Vorbild sein, die der Konkurrent Samsung in Deutschland zusammen mit Vodafone vermarktet: Die eSIM.

eSIM: Telefonie und Internet auch ohne iPhone

Die Embedded SIM oder eSIM ist zweifelsohne die Zukunft der Mobilfunkkarte. Sind alle Sicherheitsfragen zufriedenstellend geklärt, benötigt man in Mobilgeräten keine SIM-Karte mehr, die man etwa auf Reisen außerhalb der EU gegen eine lokale austauscht oder nach Ende des Vertrages beim Providerwechsel. Die eSIM ist fest eingebaut und lässt sich umprogrammieren: Beim Kauf der Apple Watch 2 im Apple Store wäre sie noch nicht aktiv, das würde man dann nebenan im Laden der Telekom, dem von O2 oder Vodafone erledigen. Interesse an der eSIM haben alle Provider, Vodafone ist aber hier der Vorreiter: Seit dem 11. März ist in Deutschland die Samsung-Smartwatch Gear S2 Classic 3G mit eSIM erhältlich, die Karte kostet 20 Euro im Monat. Dafür bekommt die Uhr eine eigene Telefonnummer, wer nur Daten über das Internet laden will, kann auch einen entsprechenden Datentarif buchen. Vodafone rechnet das genutzte Datenvolumen auf die Hauptkarte im Smartphone an, andere Provider werden andere Lösungen präsentieren. Schon im April will auch O2 die Smartwatch mit eSIM anbieten.

Tippt man auf die neuen Chips der Apple Watch 2, dürfte die eSIM ganz vorne mit dabei sein – zumindest als Option etwa in einer Apple Watch 2 Sport & Call. Damit gelänge der Apple Watch ein gewaltiger Schritt in die Unabhängigkeit, um unterwegs Nachrichten zu empfangen oder zu versenden, die Börsenkurse oder die wichtigsten Newsportale zu checken, bräuchte es kein iPhone mehr in der Nähe. Dies wäre auch für den Notfall entscheidend, ereilt einem beim Sport ein plötzlicher Herzinfarkt – die Apple Watch könnte sofort um Hilfe rufen. Und sich vielleicht auch einen Kundenkreis richten, der kein iPhone hat und aus welchen Gründen auch immer keines haben möchte.

Preis, Verfügbarkeit und Veröffentlichungsdatum

Bei Preis wird sich nicht viel tun, womöglich kostet ein eSIM-Modell aber etwas mehr als die gleiche Apple Watch 2 ohne Mobilfunkchip. Noch ist völlig offen, wie oft Apple wirklich seine Smartwatch zu aktualisieren gedenkt, wir rechnen aber nach wie vor damit, das Nachfolgemodell der ersten Apple Watch rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft 2016 in den Läden zu finden. Die Keynote zur Vorstellung des iPhone 7 Anfang September könnte auch eine Apple Watch 2 bringen. (Macwelt)

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