Künstliche Intelligenz

Automatisierte Übersetzungen - Möglichkeiten und Grenzen

12.10.2016
Von Serena Tirinnanzi

Einsatzmöglichkeiten für maschinelle Übersetzungen

Schon jetzt wirft diese Skizze zahlreiche Fragen auf: Wie können nach dem derzeitigen Stand der Technik automatische Übersetzungsprogramme mit rhetorischen Figuren wie Humor oder Ironie umgehen bzw. diese adäquat übersetzen? Kann eine Maschine zwischen den Zeilen lesen? Kann sie das überhaupt jemals lernen? Was passiert mit Metaphern und was bei Ambiguität, also bei Ausdrücken mit mehr als einer Bedeutung, aber derselben Laut- bzw. Schriftform wie Bank/Bänke und Bank/Banken? Ist mit „Schlange“ ein Reptil oder eine Menschenschlange gemeint?

Die Feinheiten der menschlichen Sprache sind sowohl kontext- als auch kulturabhängig und daher schwer durch künstliche Intelligenz abzubilden bzw. zu reproduzieren. Das bedeutet aber nicht, dass maschinelle Übersetzungen a priori schlecht sind. Inwieweit eine automatisierte Übersetzung gut werden kann, hängt, so paradox es sich anhört, vom Kontext und von der Kultur ab.

Je weniger Kontext und kulturelle Eigenschaften der Ausgangstext hat, desto eher eignet sich eine automatisierte Übersetzung. Dort, wo einfaches Vokabular, fachliche Wortlisten und hohe terminologische Normierung und eine sachlich-neutrale Sprache vorhanden sind, kann sie durchaus eingesetzt werden. Beispiele hierfür sind Übersetzungen von Bedienungsanleitungen, Protokollen oder Urkunden und Zeugnissen.

Einsatz von CAT-Tools

Wie aber gehen Übersetzer vor, wenn der Ausgangstext solche Bedingungen nicht erfüllt? Wie können sie den Anforderungen der Kunden nach Schnelligkeit und Preisgünstigkeit gerecht werden? Die Lösung sehen wir in der Anwendung von CAT-Tools. CAT steht für Computer Assisted Translation, einer speziellen Software inklusive Translation Memory System (TMS) und Terminologielisten.

Das Prinzip dahinter: Übersetzer speichern ihre Übersetzung im TMS ab. Wird künftig ein ähnlicher Text übersetzt, vergleicht das System die Segmente im neuen Ausgangstext mit bereits durchgeführten Übersetzungen und zeigt mögliche Treffer an, sogenannte Matches. Es wird nach Ähnlichkeitsgrad unterschieden.

101-prozentige Matches sind „Context matches“ also Segmente, die im alten und neuen Ausgangstext im identischen Kontext eingebettet sind. Bei den 100-prozentigen Matches sind der Inhalt und die Form gleich, der Kontext aber anders. Darunter liegen schließlich die sogenannten Fuzzy Matches (50 bis 99 Prozent Übereinstimmung). Diese sind ähnliche Vorübersetzungen, bei denen allerdings weder der Inhalt noch die Form komplett mit dem neuen Text übereinstimmen.

Der Aufbau eines Translation Memory hat den Vorteil, dass der Übersetzungsprozess immer schneller und effizienter gestaltet wird. Je länger mit einem solchen System – vergleichbar mit dem menschlichen Gedächtnis – gearbeitet wird, desto größer die Datenbank bereits übersetzter Textsegmente, die von vielen Übersetzern folglich zu einem reduzierten Wortpreis berechnet werden.

Grenzen von Translation Memories

Trotzdem: Selbst wenn der Übersetzungsprozess durch den kontinuierlichen Ausbau eigener Translation Memories und bei standardisierten Texten durch den Einsatz von maschinellen Übersetzungen effizienter wird, ist ein menschliches Post-Editing immer notwendig.

Zudem eignet sich auch ein großes Translation Memory nicht für alle Textsorten. Man denke dabei an literarische Texte: Je kreativer ein Schriftsteller in der Schöpfung seines Werkes ist, desto kreativer muss der Übersetzer sein, um in Zielkultur und -sprache die gleiche Wirkung zu erzielen. Der Begriff „Lokalisierung“, der in diesem Zusammenhang für gewöhnlich verwendet wird, schließt diese kulturelle Leistung – die Adaption an den kulturellen, historischen und sozialen Kontext – ein.

Fazit

Funktioniert maschinelle Übersetzung also? Jein. Sie eignet sich zwar für einige wenige Textsorten, wird die menschliche Übersetzungskunst aber vorerst nicht ersetzen können. Maschinen werden sich auch langfristig schwer tun, einen von einem Menschen mit seinen komplexen geistigen Fähigkeiten produzierten Text perfekt an eine spezielle Zielkultur und -sprache anzupassen.

Es käme zwar zu einem Ergebnis, das womöglich den richtigen Inhalt des Ausgangstexts erkennen ließe, auf kontextueller, rhetorischer und emotionaler Ebene aber eher bescheiden ausfiele – und dann hat man den Salat. (PC-Welt)

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