Neue Situationen meistern

Benimm am Arbeitsplatz



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Im Beruf gelten teils andere Benimm-Regeln als privat. Diese kennen Berufseinsteiger meist noch nicht. Deshalb tappen sie in den ersten Wochen im neuen Unternehmen oft ungewollt in Fettnäpfchen, sagt Rita Koch.

Lars Hinz dachte, ihn trifft der Schlag. Beim Öffnen der Bürotür hörte der Inhaber einer Werbeagentur, wie sein neuer Azubi am Telefon sagte: "Herrn Hinz können Sie nicht sprechen. Der ist gerade auf dem Klo." An sich eine zutreffende Aussage. Doch tabu im Business-Bereich. Dort lautet die Standard-Info in solchen Situationen: Herr Hinz ist gerade nicht am Platz.

Welche Kleidung für den Arbeitsplatz angemessen ist, wird häufig betriebsintern festgelegt.
Welche Kleidung für den Arbeitsplatz angemessen ist, wird häufig betriebsintern festgelegt.
Foto: fotolia.de

Ähnliche Fauxpas begehen (Hoch-)Schulabgänger in der Startphase oft. Auch Peter Schreiber erinnert sich an einen solchen Lapsus, der ihn fast einen Großauftrag gekostet hätte. Noch heute bekommt der Inhaber einer Vertriebsberatung in Ilsfeld eine Gänsehaut, wenn er an eine Präsentation bei einem Neukunden denkt, zu der er einen "Junior-Berater" mitnahm. Diese verlief spitze - so gut sogar, dass der Firmeninhaber am Schluss sagte: "Wir haben einen Imbiss vorbereitet. Ich lade Sie dazu ein." Schreiber hätte am liebsten einen Freudensprung gemacht. Denn die Einladung zeigte ihm: Das Eis ist gebrochen. Den Auftrag haben wir vermutlich in der Tasche. Doch bevor Schreiber antworten konnte, erwiderte der Junior-Berater: "Ich würde lieber nach Hause fahren." Schreiber wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Vor Überraschungen nicht gefeit

Ähnliche Erfahrungen sammeln gerade Dienstleistungsunternehmen oft. Ihre Personalverantwortlichen registrieren immer wieder: Selbst bei (Hoch-)Schulabsolventen mit einer guten Kinderstube ist man vor Überraschungen nicht gefeit - denn im Geschäftsleben gelten teils andere Kommunikations- und Verhaltensregeln als im Privatleben. Hinzu kommt: Manches, was früher selbstverständlich war, kann man heute nicht mehr voraussetzen.

Dirk Pfister, Dress-Code-Berater aus Mannheim, nennt ein Beispiel: "Führungskräfte erzählen mir oft, dass sie jungen Mitarbeitern vor Kundenbesuchen erst mal die Krawatte binden müssen. Oder, dass sie ihnen sagen müssen: Nehmt was zum Schreiben mit und macht euch im Gespräch Notizen - allein schon, um dem Kunden zu signalisieren: Ich nehme Sie ernst."

Weil solche Dinge nicht mehr selbstverständlich sind, haben manche Betriebe in ihre Ausbildung das Thema Benimm integriert. So sind zum Beispiel bei den Finanzdienstleistern Schwäbisch Hall und Union Investment Benimm-Seminare und entsprechende Infoveranstaltungen Teil des normalen Aus-bildungsprogramms - "um Fauxpas möglichst von Anfang an zu vermeiden", wie Marion Matter, Aus-bildungsleiterin bei Schwäbisch Hall, betont.

Konfliktfeld "Angemessene Kleidung"

In diesen Seminaren geht es nicht darum, wie man einen Hummer seziert. Auf der Agenda stehen elementarere Fragen - zum Beispiel das Thema, sich "angemessen" kleiden. Ein Thema, das häufig zu Irritationen führt, wenn es in Betrieben keine starre Kleiderordnung gibt. Pfister: "Wenn alle Männer stets einen blauen Anzug und alle Frauen stets ein graues Kostüm tragen müssen, ist das Thema schnell erledigt. Anders ist es, wenn die Vorgabe lautet: 'Kleiden Sie sich angemessen'. Dann können heute beim Besuch einer Werbeagentur Jeans und Sakko okay sein, und morgen beim Besuch einer Bank ist der Anzug Pflicht." Den richtigen Griff in den Kleiderschrank müssen viele Berufseinsteiger noch lernen.

Besonders hartnäckig widersetzen sich einem Dress-Code meist Mitarbeiter ohne direkten Kunden-kontakt. So kämpft zum Beispiel eine große Software-Schmiede laut Aussagen ihres Personalleiters seit Jahren damit, "dass manche Entwickler, salopp formuliert, mit Badeschlappen und Bademantel zur Arbeit kommen". Ihre Rechtfertigung: Wir haben keinen Kundenkontakt. Dem entgegnet der Per-sonalleiter: "Stimmt. Aber täglich kommen viele Besucher in unser Haus. Und die formen sich auch anhand des Erscheinungsbilds der Mitarbeiter ein Bild von unserem Unternehmen."

Ein weiteres Thema vieler Benimm-Seminare ist das Verhalten am Telefon. Dem Nachwuchs wird zum Beispiel vermittelt, dass es nicht kundenorientiert wirkt, wenn man am Telefon zu Kunden sagt: "Dafür bin ich nicht zuständig." Kundenorientierter ist die Aussage: "Da weiß ich nicht Bescheid. Ich kümmere mich aber darum, dass ..."

Konfliktfeld "Alltägliche Zusammenarbeit"

Auch im alltäglichen Umgang mit Kollegen gilt es viele "Kleinigkeiten" zu beachten. Ältere Mitarbeiter ärgert es oft, wenn junge Kollegen ihre Sachen überall liegen lassen. Oder in Besprechungen unab-lässig auf ihr Smartphone schielen. Ein weiteres Konfliktfeld ist das Bitte- und Danke-sagen. Und das Grüßen von Kollegen - zum Beispiel, wenn man sie im Flur trifft.

Für das Grüßen nennen selbst die Etikette-Bücher unterschiedliche Regeln - auch weil in einer Bank oder Behörde andere Benimm-Regeln als in einer Werbeagentur gelten. Die meisten beharren jedoch auf der klassischen Regel: Der Rangniedrigere grüßt den Ranghöheren beziehungsweise der jüngere Mitarbeiter den älteren. Diese Regel gilt unausgesprochen noch in den meisten Betrieben - wogegen die Jungen zuweilen rebellieren. Unter anderem, weil sie im Alltag oft registrieren: Auch manch älterem Kollegen würde der Besuch eines Benimm-Kurses nicht schaden.

Kontakt und Infos: Rita Koch ist Mitarbeiterin in der Agentur der Agentur Die PRofilBerater GmbH, Eichbergstraße 1, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151 896590, E--Mail: info@die-profilberater.de, Internet: www.die-profilberater.de

Zur Startseite