Elektronik im Auto

Bitte steigen Sie ins Smartphone ein

28.04.2014
Von Andreas Baier
Apple und Google liefern bunte Dienste zur Unterhaltung ins Cockpit. Werkstätten und Händler profitieren von sogenannten „grauen Diensten“. Das verändert die automobile Wertschöpfungskette – und öffnet Chancen für App-Entwickler und IT-Dienstleister.
Accenture präsentierte auf dem MWC seine Vorstellungen und Erwartungen rund um das Thema Connected Car.
Accenture präsentierte auf dem MWC seine Vorstellungen und Erwartungen rund um das Thema Connected Car.
Foto: Accenture

Auf dem Mobile World Congress Ende Februar in Barcelona standen neben den gewohnten Telko-Produkten auch Autos im Mittelpunkt: Sie sind die neuen Plattformen für Google und Apple. So hat nach Googles "Open Car Alliance" auch Apple eine Multimedia-Lösung fürs Auto angekündigt - "Apple Car Play". Der Vorteil: Kunden können im Auto und auf dem Smartphone dasselbe Betriebssystem nutzen. Bei jährlich drei Millionen neu zugelassenen Fahrzeugen in Deutschland entsteht ein großer Markt.

Erste Kooperationen zwischen Automobilherstellern und den Anbietern der Betriebssysteme sind bekanntgegeben worden - oftmals mit dem Ergebnis, dass der Kunde sowohl Android als auch iOS im Auto nutzen kann. Diese Wahlfreiheit ist wichtig: Laut einer Umfrage von Accenture unter 1.000 Autofahrern in Deutschland ist es 40 Prozent der Befragten wichtig, dasselbe Betriebssystem im Auto und auf dem Smartphone zu haben. Dabei werden Apple und Co. die Kundendaten der App-nutzenden Autofahrer verwalten. Die Fahrzeugdaten werden aber bei den Automobilherstellern bleiben.

Bunte Dienste: Das wollen Führerscheininhaber

Deutsche lieben Services rund ums Auto - und sind bereit, dafür auch zu zahlen.
Deutsche lieben Services rund ums Auto - und sind bereit, dafür auch zu zahlen.
Foto: Accenture

Die Integration der Smartphones ins Auto dient vor allem den sogenannten "bunten" Diensten für Navigation und Entertainment, Stauwarnungen oder dem automatischen Finden von Parkplätzen. Was App-Entwickler aufhorchen lassen sollte: Die Deutschen sind bereit, für gewünschte Dienste zu zahlen. Wie die Accenture-Umfrage zeigt, können sich 30 Prozent der Befragten in Deutschland vorstellen, für die Services im Auto mit einer monatlichen Gebühr über die Kreditkarte oder PayPal zu zahlen. Nur elf Prozent wünschen sich, dass die Kosten im Kaufpreis des Kfz enthalten sind. Zwölf Prozent der deutschen Autofahrer möchten einzelne Services für einen bestimmten Zeitraum kaufen können.

Ein Großteil (44 Prozent) ist außerdem bereit, im Auto mit Werbung angesprochen zu werden, wenn sie dafür keine Entgelte für zusätzliche Technologie entrichten müssen. Sind die technischen Möglichkeiten vorhanden, können Angebote von Restaurants in der näheren Umgebung beispielsweise mit den Verkehrsinformationen auf das Navigationsgerät übertragen werden. Auch Concierge Services wird es vermehrt geben.

Kaufentscheidung: App verdrängt Fahrleistung

Besonders beliebt: Elektronische Helferlein, die mehr Sicherheit bieten sollen.
Besonders beliebt: Elektronische Helferlein, die mehr Sicherheit bieten sollen.
Foto: Accenture

Aus Sicht der Automobilhersteller wird die Elektronik im Auto verstärkt zum kaufentscheidenden Merkmal. Sie haben auf den Messen der vergangenen Monate neben den neuen Modellen verstärkt das Infotainment, Assistenzsysteme oder Kooperationen in den Fokus gestellt. Die Kundennachfrage ist bereits da: Bei Fahrassistenzsystemen wünschen sich die Befragten vor allem Abstandswarner (67 Prozent), Spurwechselassistenten und Überwachung des toten Winkels (66 Prozent) sowie Müdigkeitswarner (57 Prozent). 88 Prozent der befragten Führerscheininhaber wünschen sich ein Notbremssystem, gefolgt von Lösungen zum Orten von gestohlenen Fahrzeugen (85 Prozent).In Deutschland hat damit die Sicherheit höchste Relevanz. Gerade Premiumhersteller können sich hier mit neuen Lösungen vom Wettbewerb differenzieren und Kunden gewinnen.

Neue Geschäftsmodelle: Graue Dienste schaffen Wettbewerbsvorteile

Die sogenannten "grauen" Dienste haben für die Automobilhersteller einen substanziellen Nutzen in der Wertschöpfungskette: So können zum Beispiel über die Dienste zur vorausschauenden Wartung Termine vereinbart werden oder das Fahrzeug meldet das Kommen des Kunden automatisch an, wenn er in der Nähe ist. Mit 57 Prozent erwägt nach der Accenture-Umfrage mehr als jeder zweite Befragte in Deutschland künftig Dienste zu nutzen, die Schäden und Fehler diagnostizieren und an Werkstätten übermitteln. Weitere 13 Prozent nutzen diese Dienste bereits. Die Nachfrage dürfte nicht nur für Fahrzeughersteller interessant sein, sondern auch für IT-Dienstleister - ihnen eröffnen sich Geschäftsmöglichkeiten für den Verkauf von Analytics-Lösungen für Big-Data.

Für Händler und Werkstätten entstehen durch die Datenauswertung sogar neue Geschäftsmodelle: Sie können mit dem Fahrer Inspektionstermine vereinbaren und beispielsweise Verschleißteile austauschen, bevor diese ausfallen. Dadurch steigt die Kundenzufriedenheit und -bindung.

Gleichzeitig können Hersteller durch die Analyse der entstehenden Daten wertvolle Informationen über die Fahrzeugnutzung erlangen. Diese helfen dabei, Konstruktion sowie Produktion zu verbessern. Wie bei den meisten neuen Produkten zählen auch hier die kundengerechte Ausführung und die zeitige Markteinführung der Dienste. Wer es am schnellsten schafft, die passenden Services im Auto zu integrieren, wird einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.

Antrieb für das rollende Smartphone: der E-Call

Ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung des Marktes für Telematik ist das automatische Notrufsystem E-Call, das die Europäische Kommission ab 2015 verbindlich festschreibt. Es ist ein Transmissionsriemen der neuen Technologie: Flächendeckend sollen Fahrzeuge künftig mit einer Schnittstelle ausgerüstet sein - Accenture schätzt, dass bis 2015 weltweit mehr als 200 Millionen Fahrzeuge mit Telematik ausgerüstet sein werden. Der Markt wuchs zwischen 2005 und 2010 um fast 90 Prozent - in den fünf folgenden Jahren sollen es etwa 450 Prozent sein. Auch die Vorschriften der EU zum E-Call treffen auf das Bedürfnis der Autofahrer: Die Accenture-Umfrage hat gezeigt, dass sich 80 Prozent der Befragten ein automatisches Notrufsystem bei Unfällen (E-Call) wünschen.

Vom Blechproduzenten zum Mobilitätsdienstleister

Andreas Baier, Geschäftsführer des Bereichs Automobilwirtschaft bei Accenture
Andreas Baier, Geschäftsführer des Bereichs Automobilwirtschaft bei Accenture
Foto: Accenture

Der Start für die Digitalisierung des Automobils ist erfolgt und die Umsätze mit digitalen Services steigen. Damit verdienen die Hersteller zwar in den nächsten Jahren nicht mehr als mit ihren Fahrzeugen, aber die neuen Geschäftsmodelle beginnen sich zu etablieren - der Weg vom "Blechproduzenten" zum "Mobilitätsdienstleister" ist geebnet. Weiterer Gewinner der Telematik ist sicherlich die Telekommunikationsbranche, die zusätzliche Umsätze generiert.

Wie bei den meisten neuen Produkten zählen auch bei allen Diensten die kundengerechte Ausführung und die zeitige Markteinführung. Wer es am schnellsten schafft, die passenden Services im Auto zu integrieren, wird einen Wettbewerbsvorteil haben - seien es Netzanbieter, Betriebssystemhersteller, Content-Provider oder die Autofirmen. Es kommt jetzt darauf an, strategisch auf die richtigen Trends zu setzen, um an Spitzenpositionen zu bleiben oder sie weiter auszubauen. (mb)

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