CeBIT: "Ultra-Multi" könnte Krieg der Formate um DVD-Nachfolge stoppen

14.03.2006
Der drohende Krieg der Formate um die Nachfolge der DVD wird möglicherweise doch noch entschärft.

Während die zwei rivalisierenden Standards Blu-ray und HD-DVD unmittelbar vor der Markteinführung stehen, wird nach Informationen aus der Elektronik-Branche im Hintergrund an Kombi-Laufwerken gearbeitet, die Silberscheiben beider Formate abspielen können. Auch ein Name wird auf der Computermesse CeBIT in Hannover genannt: "Ultra-Multi" werde der Hybrid heißen, und er könne schon dieses oder kommendes Jahr auf den Markt kommen.

Obwohl viele Verbraucher gerade erst von der Videokassette zur DVD gewechselt sind, könnte ein Nachfolger schneller gefragt sein als vielfach angenommen. Schließlich sind jetzt schon 60 bis 70 Prozent der TV-Geräte im Handel bereit für das hochauflösende Fernsehen mit seinem deutlich schärferen Bild. Und die heutige DVD mit ihrer Kapazität von maximal rund neun Gigabyte ist für die Datenmengen der HD-Ära (High Definition) hoffnungslos zu klein.

Während der Bedarf an einem DVD-Nachfolger wächst, steckt die Branche in einem Dilemma: Die Verfechter beider Standards halten ihre Lösung für die bessere. Kurz gesagt ist HD-DVD die günstige Lösung und die Blu-ray-Disc bietet mehr Platz. Die Verbraucher haben sich allerdings daran gewöhnt, von der CD bis zur DVD alle möglichen Scheiben in ein Laufwerk stecken zu können. Möglicherweise würden sie also abwarten wollen, bis ein Format zum Standard wird. Bei der bislang letzten Format-Schlacht vor gut 20 Jahren hatte es aber Jahre gedauert, bis sich die von JVC entwickelte VHS-Videokassette gegen den technisch ausgeklügelteren Betamax-Standard von Sony durchgesetzt hatte.

Auch die Filmindustrie ist überhaupt nicht begeistert von der Perspektive, mit doppeltem Aufwand Filme in zwei Versionen auf den Videomarkt werfen zu müssen, der angesichts sinkender Kino-Einnahmen immer wichtiger wird. Entsprechend stark sei der Druck aus Hollywood, den Streit doch noch irgendwie beizulegen, heißt es in der Branche.

Die Stunde der Wahrheit schlägt in diesem Frühjahr: Nach enorm hohen Investitionen, jahrelanger Entwicklung und verbalen Gefechten kommen Geräte und Medien beider Formate auf den US-Markt, für Europa wurden auf der CeBIT Blu-ray-Player für den Herbst angekündigt. Offiziell wollen beide Seiten in dieser Situation nichts von einem möglichen Brückenschlag durch eine Kombi-Lösung wissen - und üben sich in Sieges-Rhetorik. "Von uns wird es so etwas nicht geben", sagt im Blu-ray-Lager Panasonic-Europachef Joachim Reinhart. Auch bei Partner-Firmen seien ihm solche Bestrebungen nicht bekannt. "Ich denke, dass sich Blu-ray durchsetzen wird."

Der zuständige NEC-Ingenieur Ryoichi Hayatsu hält dagegen: "HD-DVD ist das bessere Format", allein schon weil es bei gleicher Bildqualität günstiger in der Produktion von Discs und Laufwerken sei. Beim Elektronik-Konzern LG, dem Unternehmen, das angeblich mit "Ultra-Multi" auf den Markt kommen will, heißt es: "Es gibt keine offiziellen Pläne."

Die Lager sind unterdessen so aufgeteilt, das eine schnelle Entscheidung im Format-Krieg wenig wahrscheinlich wirkt. Im vergangenen Sommer schien es noch um die HD-DVD schlecht bestellt. Schließlich stand hinter der Blu-ray-Konkurrenz die geballte Marktmacht von Elektronik-Riesen wie Panasonic, Sony oder Philips, während HD-DVD von deutlich kleineren Konkurrenten wie Toshiba oder NEC unterstützt wurde. Doch dann warfen mit Microsoft und Intel zwei Giganten der Computerindustrie ihr Gewicht in die Waagschale von HD-DVD und alles war wieder offen. Inzwischen unterstützen Blu-ray-Mitglieder wie Hewlett-Packard oder LG beide Standards.

Während die HD-DVD auf dem heutigen Standard aufbaut, hat Blu-ray unter anderem eine andere Disc-Struktur und wird noch dichter beschrieben. Deshalb kann sie mit 25 GB pro Schicht deutlich mehr speichern als die HD-DVD mit 15 GB. Doch aus technischen Gründen saust die Disc im Abstand von nur 0,1 Millimetern über die Linse - zehn Mal weniger als bei der DVD. Um einen fehlerfreien Betrieb im Alltag zu sichern, muss daher mehr Aufwand getrieben werden: So brauchen Blu-ray-Discs eine von TDK entwickelte kratzfeste Super-Beschichtung, und die Laufwerke einen besseren Schutz gegen Erschütterungen. "Da sind Stoßdämpfer wie in einem Porsche drin", spottet ein Entwickler von der Konkurrenz.

"Unter diesen Umständen ein Kombi-Laufwerk zu bauen, ist extrem schwierig", gibt HD-DVD-Ingenieur Hayatsu zu bedenken. Und teuer: Es wären praktisch zwei Laufwerke in einem. Die nötigen Kosten ließen sich aber nicht im Preis auf die Kunden - Verbraucher oder Geräte-Hersteller als Abnehmer - überwälzen. "Für die gilt da inzwischen die Formel: eins plus eins gleich eins."

Der Ruf nach einem Hybrid ist allerdings schon da und dürfte mit der Marktpräsenz der Formate noch stärker werden. Auch die Zusammenlegung des optischen Speichergeschäfts von Sony und NEC, die offiziell nicht die Konkurrenz beim Nachfolgeformat betreffen sollte und selbst viele Mitarbeiter der Unternehmen überraschte, sei bereits ein Schritt zur Entschärfung der Konfrontation gewesen, sagt ein ranghoher Techniker. "Die Idee ist, wir liefern alles was gebraucht wird, ob Blu-ray, HD-DVD oder Kombi." (dpa/tc)

Zur Startseite