Jahresrückblick 2013

Das zähe Ringen um mehr Breitband

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die deutsche Breitband-Diskussion hatte 2013 einen unumstrittenen Star: DSL-Vectoring. Der Streit um die neue Technik drängte andere Themen wie Glasfaserausbau, TV-Kabelnetze, Drosselkom, LTE, Netzneutralität oder Router-Zwang in den Schatten.

Breitband für alle war auch 2013 eine populistische Forderung, mit der so manche Partei im Bundestagswahlkampf auf Stimmenfang ging. Dass von dieser Forderung im aktuellen Koalitionsvertrag nicht mehr viel zu sehen ist und man vorerst mit 2 Mbit/s zufrieden ist, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso, dass die Koalitionäre die Finanzierung des Breitbandausbaus nicht wirklich geregelt haben.

2013 beherrschte die Frage nach dem Breitbandausbau die politische Diskussion.
2013 beherrschte die Frage nach dem Breitbandausbau die politische Diskussion.
Foto: Stihl024, Fotolia.com

DSL-Vectoring

Würze erhielt die Breitbanddiskussion 2013 durch das neue Zauberwort Vectoring. DSL-Vectoring beflügelt die Phantasie, weil die Technik Bandbreiten von bis zu 100 Mbit/s auf der Basis herkömmlicher Kupferleitungen verspricht. Sie geht auf eine Entwicklung der Bell Labs von Alcatel-Lucent zurück. Anders als bei den anderen DSL-Techniken betrachteten die Forscher nicht mehr ein Adernpaar in der Telefonleitung für einen Anschluss, sondern den Kabelstrang als Ganzes. Auf diese Weise waren sie in der Lage, Störungen (Nebensprechen, Cross Talking) mit komplexen, aber effizienten Algorithmen zu unterdrücken.

Vectoring wurde als Hoffnungsträger gefeiert, da die Technik quasi als "Turbo-Booster" dem Kupferkabel in neue Geschwindigkeitsdimensionen verhelfen soll.
Vectoring wurde als Hoffnungsträger gefeiert, da die Technik quasi als "Turbo-Booster" dem Kupferkabel in neue Geschwindigkeitsdimensionen verhelfen soll.
Foto: Deutsche Telekom

Mit dem neuen Verfahren verspricht Alcatel, bei VDSL Entfernungen von bis zu 1000 Metern per Kupfer-Telefonkabel überbrücken zu können. Und dies mit Bandbreiten von bis zu 100 Mbit/s. Gleichzeitig hat die Technik für die Carrier im heiß umkämpften Breitbandmarkt noch einen anderen Vorteil: Glaubt man den Berechnungen von Alcatel-Lucent, betragen die Kosten für eine VDSL-Vectoring-Implementierung nur ein Drittel der Investitionen, die für einen Glasfaserausbau bis zum Gebäude (Fibre to the Building/Home, FTTB/FTTH) erforderlich sind.

Das Ganze hat jedoch einen Haken: Damit Vectoring die wechselseitigen Störungen der einzelnen Leitungen in einem Kabelbündel unterdrücken kann, müssen diese koordiniert bearbeitet werden. Das heißt, alle Aderrnpaare eines Telefonkabels müssen in ihrer Gesamtheit kontrolliert und gemanagt werden. Dieser Ansatz widerspricht dem hierzulande verfolgten Regulierungsgedanken der entbündelten Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die es jedem Netzanbieter und Service-Provider erlaubt, von der Telekom die nackte Kupferader zu mieten, um mit eigener Technik entsprechende DSL- und Telefonieangebote zu vermarkten.

Regulierungswahnsinn "made in Germany".
Regulierungswahnsinn "made in Germany".
Foto: Deutsche Telekom

Entsprechend groß war denn auch der Aufschrei, als die Telekom bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Vectoring stellte. Bis Ende August zankten sich Telekom, Bundesnetzagentur und Konkurrenten, da diese eine Remonopolisierung des Netzes zugunsten der Telekom befürchteten. Schließlich gab die Bundesnetzagentur grünes Licht und erlaubte der Telekom unter bestimmten Voraussetzungen den Wettbewerbern den Zugang zur letzten Meile zu verwehren.

Glasfaser-Ausbau

Der Run auf das Vectoring hatte noch eine andere Konsequenz: Die Telekom reduzierte ihre Pläne zum Glasfaserausbau drastisch, wie auch etliche Wettbewerber. Und dies in Zeiten, wo es unter Experten unstrittig ist, dass der Bedarf an Bandbreite mittelfristig nur per Glasfaser befriedigt werden kann, wenn Video on Demand oder Cloud-Computing auf breiter Front salonfähig werden. Allerdings hat die Sache einen Haken - Experten schätzen, dass ein Glasfaserausbau in Deutschland zwischen 30 und 50 Milliarden Euro kosten würde.

Deshalb wird das FTTH Council auch nicht müde, die deutschen Breitbandförderprogramme, deren Etat lediglich im Millionenbereich liegt, als ungenügend zu kritisieren, während etwa unser Nachbar Frankreich ein 20-Milliarden-Euro-Programm zum Breitbandausbau aufgelegt habe. Diskussionen, die den betroffenen Bürgern allerdings wenig helfen. Sie können nur hoffen, dass sie einen engagierten Bürgermeister haben und dann in Eigenregie eine entsprechende Glasfaser-Infrastruktur aufbauen. Ein Weg, den etwa im Sommer die bayerische Gemeinde Essenbach einschlug. Die knapp 12.000 Einwohner zählende Gemeinde verlegt selbst rund 140 Kilometer Glasfaser, um so den Bürgern später Internet-Zugänge mit 100 Mbit/s zur Verfügung stellen zu können.

Genau diese Kosten für die Verlegung der Glasfaser waren im vergangenen Jahr die Chance der Kabelnetzbetreiber, die bundesweit mittlerweile auf eine durchschnittliche Anschlussdichte von rund 65 Prozent kommen: Sie können die Haushalte meist ohne teure Grabungsarbeiten mit Breitband versorgen, womit sich das einst ungeliebte Kabelfernsehnetz, das zwischen 2000 und 2003 nur schwer zu verkaufen war, als späte Breitband-Goldader entpuppt. Wie beliebt die TV-Netzbetreiber mittlerweile sind, zeigt sich bei der Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone. Der Mobilfunker ließ sich die Übernahme um die 7,7 Milliarden Euro kosten.

Kabel-TV als Alternative

Im Gegensatz zu den DSL-Anbietern sind die Kabelnetzbetreiber bereits heute in der Lage, 100 Mbit/s anzubieten. Und ohne viel Aufwand könnten sie per Kanalbündelung auf bis zu 400 Mbit/s gehen, wenn die Nachfrage dies verlangt. Werden dazu noch besondere Angebote für Geschäftskunden geschnürt - wie etwa bei Kabel Deutschland -, dann ist das TV-Netz im Business-Umfeld durchaus eine überlegenswerte Alternative. Für diese Klientel offeriert Kabel Deutschland etwa 24 Stunden Support und Entstörung. Ferner erhalten die Business-Kunden einen erhöhten Upload von 6 Mbit/s. Allerdings ist auch bei den Kabelbetreibern nicht alles Gold, was glänzt. Genau betrachtet sind ihre Netze in der Fläche zur Zeit auf Breitbandzugänge von bis zu 32 Mbit/s ausgebaut, 100 Mbit/s sind nur in ausgesuchten Lokationen erhältlich - auch wenn deren Zahl steigt.

Zur Startseite