Gute und schlechte Beispiele

Daten grafisch richtig aufbereiten

Steffen Fiedler ist Mitbegründer und Gestalter bei Studio NAND, einem Büro für Informations- und Interaktionsgestaltung. Sein Fokus liegt auf der Ausarbeitung von Konzepten und Darstellungen, die komplexe Datenbestände und Prozesse zugänglich machen. Neben der Leitung von Projekten aus dem kommerziellen und akademischen Bereich, betreut er unter anderem die Open-Source-Plattform CreativeCoding.org und gibt Workshops zu aufkommenden Technologien.
Wer Informationen besitzt und auswertet, will sie am Ende auch anderen bereitstellen – sei es dem Vorstand, dem Kunden oder sich selbst. Dazu bedarf es der richtigen visuellen Stilmittel. Aber nicht jeder Versuch glückt.

Informationen sind bekanntlich das neue Gold und viele Branchen aktuell im Rausch von Big Data. Die Reihe von neuen Disziplinen, die in diesem Zuge entstanden sind, erstreckt sich von denen der Daten-Ingenieure, verantwortlich für die Bereitstellung der Technologie, über die analytischen Data-Scientists, die aus den Daten die wertvollen Informationen schöpfen, bis hin zu den Datenvisualisierern. Sie gestalten die Darstellung der Daten, und sind somit für die Kommunikation der Inhalte zuständig. Ihre Aufgabe ist es, die Daten erfahrbar zu machen, indem sie den Nutzern Wege zur Exploration bereitstellen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der OECD Better Life Index, der die gefühlte Lebensqualität verschiedener Länder anhand von elf Themenfeldern visualisiert. Große Zahlenmengen, die sonst nur tabellarisch abgebildet werden, sind hier in ansprechenden und leicht zu erlernenden Diagrammen dargestellt.

OECD Better Life Index
OECD Better Life Index
Foto: OECD / Steffen Fiedler, Studio NAND

Durch Visualisierung verstehen

Das visuelle Abbilden von Information ist natürlich keine neue Tätigkeit. Museen beispielsweise beschäftigten schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts so genannte "Transformer", deren Aufgabe ausschließlich im Schaffen von Bildern zur Vermittlung von Lehrinhalten bestand. Ebenso findet man bereits Mitte des 18. Jahrhunderts kartografische Visualisierungen, deren Fähigkeit räumliche Zusammenhänge aufzeigten die Geschichte beeinflussten. Eines der frühesten Beispiele ist eine Visualisierung des Londoner Arztes Dr. John Snow. Während der Cholera-Epidemie von 1854 kartografierte Snow den Wohnort aller Erkrankten, und bewies damit seine Theorie, dass die Infektion durch Wasser übertragen wird und eine öffentliche Wasserquelle die Ursache war.

Die "Cholera Map" von Dr. John Snow.
Die "Cholera Map" von Dr. John Snow.
Foto: John Snow / PD

Sie beinhaltet neben den Straßenverläufen keinerlei topografische Details, die vom Gegenstand - also den Orten, wo Erkrankungen festgestellt wurden - ablenken könnten. Genau deshalb, weil sie den Sachverhalt auf das Wesentliche reduziert, wird sie bis heute als Beispiel für eine gute Visualisierung aufgeführt. Gute Visualisierungen ermöglichen so durch Reduktion ein besseres Verständnis.

Visuelle Variablen und Metaphern

Mit zunehmender Komplexität der Daten steigt auch die Herausforderung, diese verständlich zu vermitteln. Datenvisualisierungen bedienen sich deshalb visueller Variablen und Metaphern, die durch Farbe, Form und Animationen komplexe Vorgänge abbilden.

Wind Map tut genau dies. Anders jedoch, als bei der Abbildung von Temperatur, der wir häufig in der Form von Karten mit Regenbogen-Farbskalen begegnen, generiert hier eine Vielzahl von animierten Punkten ein dynamisches Muster. Dadurch werden die dargestellten Winddaten spielerisch durch eine Strömungssimulation visualisiert.

Die Wind Map visualisiert Windströme in den USA.
Die Wind Map visualisiert Windströme in den USA.
Foto: Fernanda Viégas and Martin Wattenberg / Steffen Fiedler, Studio NAND

Nicht immer jedoch gelingen solche Ansätze. Oftmals entstehen schon bei der Farbwahl erste Probleme. So zum Beispiel beim Projekt "Global Forest Change", welches die weltweite Rodung und Aufforstung von Waldflächen visualisiert.

Global Forest Change
Global Forest Change
Foto: University of Maryland / Steffen Fiedler, Studio NAND

Dabei berücksichtigt diese Visualisierung jedoch nicht die Kontrastverhältnisse zwischen den gewählten Farben, was zu einer Verfälschung der Darstellung führt. Zugewinne von Waldflächen werden blau dargestellt - auf dem schwarzen Hintergrund fällt dies im Vergleich zu den rot dargestellten Verlusten jedoch kaum ins Gewicht. Dadurch dominieren die Verluste die Visualisierung.

Doch nicht nur im Zusammenspiel der Farben lauern Gefahren. Zusätzlich achten erfahrene Designer auch auf korrekte Abstufungen in den Helligkeitsverläufen, sowie auf die Einhaltung von Usability-Standards, etwa um Menschen mit Rot-Grün-Sehschwäche nicht von der Benutzung auszuschließen.

Formen und Farben

Ein Beispiel, wie Farbe und Form effektiv zur Vermittlung von Daten eingesetzt werden kann, zeigt die Visualisierung "Dencity" des US-amerikanischen Designstudios Fathom. Je kleiner und dichter die Ansammlung an Kreisen, desto dichter besiedelt ist dieser Fleck der Erde. Der farbliche Verlauf von Grau zu Orange dient bei dieser Darstellung zur optischen Verstärkung.

Dencity
Dencity
Foto: Fathom / Steffen Fiedler, Studio NAND

Neben klassischen Daten wie der Bevölkerungsdichte, erlauben uns jedoch auch eine große Menge an Sensoren neue Perspektiven auf unsere Welt. Von Fitness-Apps aufgenommene Bewegungsmuster in Metropolen zeigen Orte, die bevorzugt zum Joggen aufgesucht werden.

Nike City Runs
Nike City Runs
Foto: YesYesNo / Steffen Fiedler, Studio NAND

Solche Perspektiven auf Städte zeigen nicht nur, wo sich die beliebtesten Laufstrecken befinden, sie können auch zu Erkenntnissen in Bereichen wie der Stadtplanung beitragen. An welchen Straßenabschnitten sollte stärker auf Fußgänger und Jogger hingewiesen werden? Wo werden neue Fußgängerbrücken oder Zebrastreifen benötigt? Datenvisualisierungen haben das Potenzial, maßgeblich zu diesen Verbesserungen beizutragen.

Für jeden Einzelnen bietet es zusätzlich die Möglichkeit, das eigene Verhalten besser zu verstehen. So zeigt beispielsweise "2013 Year in NikeFuel" die eigene gemessene Aktivität im Wochenrhythmus. Die entstehenden Überlagerungen geben Aufschluss über den durchschnittlichen Verlauf der eigenen Woche. Wann klingelt der Wecker? Früh- oder doch eher Spätjogger? Dies sind Antworten, die schnell geklärt werden können. Gleichzeitig gehen langfristige Änderungen im eigenen Verhalten jedoch verloren.

2013 Year in NikeFuel
2013 Year in NikeFuel
Foto: Fathom / Steffen Fiedler, Studio NAND

Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die bewusste Gestaltung einer Visualisierung nicht nur Informationen zeigt, sondern auch verdeckt. Limitierungen, denen sich der Macher bewusst sein muss.

Interaktion

Im Gegensatz zu klassischen Printmedien entwickeln sich Visualisierungen im Internet zu einer Art Fernglas, das es Betrachtern erlaubt, verschiedene Blickwinkel auf einen Datensatz zu generieren. Wo Gestalter bei statischen Abbildungen die Entscheidung für Darstellungsformen und Informationsgehalt bestimmen, liegt es im Digitalen beim User, die präsentierte Welt zu erkunden.

Dieses Prinzip greift das Projekt "Dissecting a Trailer" auf. Die Visualisierung zeigt in einem Graphen, aus welchem Abschnitt des Films die einzelnen Szenen für den Trailers entnommen wurden. Zusätzlich wird die Länge der Szenen abgebildet und ob dieser eher ruhig oder rasant geschnitten ist. Kriterien, die sich wiederum auf den Film zurückführen lassen. Durch die direkte Interaktion mit dem Film über den Graphen macht die Visualisierung diese abstrakten Strukturen zugänglich.

Dissecting a Trailer - Beats of the Southern Wild
Dissecting a Trailer - Beats of the Southern Wild
Foto: New York Times / Steffen Fiedler, Studio NAND

Gleiches schafft auch "The Refugee Project" auf effektive Weise. Über einen Zeitraum von 37 Jahren werden hier Flüchtlingsbewegungen weltweit abgebildet. Kreise auf einer interaktiven Karte zeigen die Anzahl an Flüchtlingen je Land. Bewegt man die Maus über ein Land, werden die Richtungen der Migrationen auf Länderebene hervorgehoben. Eine Zeitleiste am unteren Ende vermittelt einen Eindruck über die Historie der Bewegungen des jeweiligen Landes.

The Refugee Project
The Refugee Project
Foto: Hyperakt and Ekene Ijeoma / Steffen Fiedler, Studio NAND

So demonstriert "The Refugee Project" bereits auf beeindruckende Weise den Grad der Komplexität, der durch interaktive Visualisierungen vermittelt werden kann. Der Betrachter wird durch die Möglichkeit zur Erkundung der Daten zum aktiven Teilhaber an den dargestellten Inhalten.

Aus diesem Grund ist es wichtig, auch in Zukunft Datenvisualisierung mit inspirierenden, gut gestalteten Beispielen voran zu bringen, die Menschen aktiv in Themen involvieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir unser eigenes Verhalten ergründen, oder wir auf wichtige Themen aufmerksam machen wollen. Solang wir die Daten in der Visualisierung durch gute Gestaltung und Transparenz respektieren, können wir durch ihren Einsatz nur an Wissen gewinnen. (sh)

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