Verbesserungen gefordert

Datenbrillen im Feldtest



Philipp Emmengger (33) ist CEO und Mitgründer der Coresystems AG, einem Schweizer IT-Unternehmen für Cloud-basierte Field Service Lösungen. Nach Abschluss seines Studiums der Betriebswirtschaft mit Fachrichtung Auditing an der Fachhochschule Nordwestschweiz, stieg er als SAP Consultant bei Coresystems ein. Später leitete er die Abteilung SAP und wurde Mitglied der Geschäftsführung, bevor er 2014 das gesamte operative Geschäft übernahm.
Mit Datenbrillen wie Google Glass könnten Mitarbeiter auf Montage und im Außendienst effizienter arbeiten, heißt es. Doch für den Praxiseinsatz sind die Smart Glasses noch nicht gut genug.

Kein anderes Wearable hat für mehr Schlagzeilen gesorgt als Google Glass, die internetfähige Datenbrille des Suchmaschinengiganten Google. Die ersten Anwender wurden weder vom Preis von 1.500 Dollar noch von der Tatsache abgeschreckt, dass Google Glass nur als Beta-Version verfügbar war.

Wearables wie Datenbrillen haben vor allem im Außendienst großes Potenzial.
Wearables wie Datenbrillen haben vor allem im Außendienst großes Potenzial.
Foto: Coresystems AG

Erste Reaktionen aus den Reihen der Verbraucher waren jedoch gemischt. Im Vordergrund standen vor allem Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Der Einsatz von Google Glass in Pilotprojekten im Arbeitsumfeld hingegen zeigte vielversprechende Ergebnisse. Auch wenn die erste Version von Google Glass bereits vom Markt genommen worden ist, haben Datenbrillen vor allem im Field Service Management großes Potential. Anbieter wie Vuzix und Sony ziehen nach.

Google Glass im Test

Im April letzten Jahres hat Google Glass at Work lanciert, um Entwickler dazu zu animieren, Enterprise-Apps zu entwickeln. Pilotprojekte liefen an verschiedenen Orten, darunter zum Beispiel am Beth Israel Deaconess Medical Centre in Boston, Massachusetts. Dort verwendeten Ärzte Google Glass, um auf die Krankenakten von Patienten zugreifen zu können und gleichzeitig beide Hände frei zu haben. Auch Virgin Atlantic führte erfolgreich einen Pilotversuch durch: Mit Google Glass konnte das Unternehmen seinen Business Class-Gästen einen massgeschneiderten Service bieten. Und bei VW wird aktuell die Datenbrille in der Logistik getestet, um Lagerarbeitern das Herauspicken der richtigen Bauteile zu erleichtern.

Die IT-Beratungs- und Marktforschungsfirma Gartner schätzt, dass Smart Glasses in der Field Service-Industrie viel bewirken können. Laut den Forschern könnten Datenbrillen bis im Jahr 2017 zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz führen und dadurch die Industriegewinne um eine Milliarde US-Dollar jährlich erhöhen.

Datenbrille erleichtert die Arbeit von Servicetechnikern

Es ist offensichtlich, wie Smart Glasses Servicetechniker bei ihrer Arbeit unterstützen und zur Effizienzsteigerung führen können. Ein Servicetechniker, der Smart Glasses trägt, könnte damit durch einen komplexen Reparatur- oder Wartungsprozess geführt werden. Er könnte das fehlerhafte Teil betrachten und sofort dessen Verlauf, zugehörige Handbücher oder Warenbestände abrufen. Bei sehr komplexen Prozessen könnte der Techniker mithilfe der Datenbrille einen Kollegen anrufen und gemeinsam mit ihm via Live-Stream das Problem lösen. Gleichzeitig könnten die Messwerte aufgezeichnet und in Echtzeit an das Backend-System übertragen werden. Schließlich lässt sich per Videoaufzeichnungen und Fotos aufzeigen, ob der Auftrag vorschriftsgemäß und unter Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien ausgeführt wurde.

Realität und Möglichkeit bei der Anwendung

Sich eine Zukunft mit Smart Glasses auszumalen ist zwar aufregend, doch zwischen Realität und Möglichkeit liegt noch ein weiter Weg. Einige der Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben smarte Gläser getestet. Die Einsatzgebiete reichen von hochindustriellen und gefährlichen Umgebungen bis hin zu alltäglicheren Umfeldern.

Fazit: Noch Verbesserungsbedarf

Die Tests lieferten einen Vorgeschmack darauf, wie die Zukunft aussehen könnte. Gleichzeitig ist klar, dass noch einiges passieren muss, bis Techniker mit Datenbrillen ausgerüstet werden und ihre Arbeit zuverlässig verrichten können. Das gilt vor allem für jene, die unter schwierigen Bedingungen und in gefährlichen Umgebungen arbeiten. Unsere Tester haben eine Wunschliste an Funktionen zusammengestellt, die verbessert werden müssen, bevor Datenbrillen im Field Service eingesetzt werden können:

  • Überhitzung: Beim Streamen von Videos tendieren Datenbrillen zur Überhitzung. Wird das Gerät zu heiß, schaltet es automatisch ab. Die Tester haben festgestellt, dass Smart Glasses bei einer Umgebungstemperatur von 35°C rund 30 Minuten lang funktionieren, dann überhitzten und sich schließlich abschalten.

  • Akkulaufzeit: Beim Streamen von Videos ist der Akku in weniger als 30 Minuten leer. Um für Servicetechniker wirklich einen Mehrwert zu bieten, muss die Akkulaufzeit auf mindestens vier Stunden verlängert werden.

  • Haltbarkeit und Kombinierbarkeit mit Sicherheitsbrillen: In gefährlichen Umgebungen gehören Helme und Sicherheitsbrillen zur Standardausrüstung der Techniker. Das Tragen von Datenbrillen hinter der Sicherheitsbrille ist jedoch umständlich und unpraktisch. Dieses Problem sollte jedoch einfach zu beheben sein. Es gibt sogar schon Nischenhersteller, die sich auf die Produktion von robusten Smart Glasses spezialisieren.

  • Qualität des Video-Streams: Für das Streamen von Videos mit Smart Glasses muss eine 3G-Verbindung bestehen. Die Qualität des gestreamten Videos hängt dabei voll und ganz von der Qualität der 3G-Verbindung ab. Meist ist die Qualität nicht allzu hoch: Die Techniker, die Orange 3G mit einem Mobiltelefon als 3G-Modem verwendeten, berichteten, dass die Qualität unterdurchschnittlich und die Verbindung alles andere als stabil war. Techniker, die Swisscom 3G verwendeten, berichteten von einer durchschnittlichen Qualität und einer relativ stabilen Verbindung. Und jene Techniker, die einen internen Streaming-Service mit Vuzix Smart Glasses via WLAN nutzten, berichteten von guter Qualität und einer stabilen Verbindung.

Diese Ergebnisse zeigen den Herstellern auf, dass sie für den "at work"-Einsatz noch weitere Hausaufgaben machen müssen. (bw)

Zur Startseite