Der digitale Wohnzimme r-Regisseur

25.08.2006
Zahlreiche Hersteller bieten Media-Center-PCs an, die Chiphersteller AMD und Intel versuchen, den PC durch aufwändige Kampagnen zum Mittelpunkt des digitalen Heimnetzes zu machen. ComputerPartner zeigt auf, welche Chancen der Media-Center-PC dem Fachhändler bietet.

Von Ulrike Goreßen

Vor knapp vier Jahren stellte Microsoft die erste Windows Media Center Edition vor. Die Software sollte das Entertainment-Verhalten der Anwender revolutionieren und den PC als Unterhaltungszentrale im Wohnzimmer etablieren. Der Begriff Media-Center-PC (MC-PC) wurde geboren. Jetzt hat nicht nur das Betriebssystem, sondern auch der Entertainment-PC an sich seine Kinderkrankheiten überwunden und könnte theoretisch seinen Siegeszug antreten.

Eigentlich stehen die Zeichen dafür ganz gut: Die nunmehr dritte Version von Microsofts MCE läuft stabil und wird auch von den ehemals größten Skeptikern anerkannt. Und die Liste der Hersteller von Media-Center-PCs liest sich wie das Who’s who der IT- und CE-Branche (mehr dazu im Kasten). Laut einer Umfrage des Markforschungsinstituts Polis können sich 55 Prozent der Befragten vorstellen, ihre bisherige Unterhaltungselektronik durch einen Media-Center-PC zu ersetzen.

Vorstellen heißt aber nicht unbedingt auch tun. Denn die Media-Center-PCs schafften im vergangenen Jahr gerade einmal die Fünf-Prozent-Hürde bei den Marktanteilen. Woran kann das liegen?

Da gibt es einige Gründe. Betrachtet man die eher mageren Mindestanforderungen seitens Microsoft an die OEM-Hersteller der MC-PCs (TV-Tuner-Karte, leistungsstarke Grafikkarte, Festplatte mit mindestens 100 GB Speicherkapazität) und vergleicht diese mit den Möglichkeiten der Software sowie dem Kundenbedürfnis nach Komfort im Wohnzimmer, zeigen sich ungeheure Diskrepanzen. Es fällt in den Entscheidungsbereich des PC-Herstellers, welches Design der Media-Center (wohnzimmertauglich oder graues Arbeitstier, Slimline-Hi-Fi-Design, Würfel, Notebook oder Desktop) hat. Was er unter "leistungsstarker Grafikkarte" versteht. Ob er einen analogen TV-Tuner für ausreichend hält, oder ob er der Digitalisierung Rechnung trägt und mindestens einen Digital-Tuner verbaut. Wie laut oder leise der Kühler ist. Welche weiteren Schnittstellen (zum Beispiel DVI oder HDMI, USB, Digital-Audio, Scart) und Netzverbindung (Kabel oder WLAN) zur Grundausstattung gehören.

Die Top-Chance für den Fachhändler

Und nicht zuletzt entscheidend ist die Prozessorleistung. Die beiden relativ neuen Spezifikationen "Intel Viiv" und "AMD Live", die quasi obendrauf noch Dual-Core-Prozessoren und Quickstart-Funktionen setzen, heben die Leistungsansprüche an einen Media-Center-PC in Zeiten von HDTV und Wireless-Heimvernetzung nochmals deutlich an, und damit auch den Endkundenpreis.

Und nicht zuletzt dieser Preis, der in der Regel doppelt so hoch ist wie der eines Standard-PCs, muss dem Kunden nachvollziehbar erklärt werden - anhand von echten Benefits für den Konsumenten.

Genau hier liegt die Chance für den Fachhandel. Denn so ein vor Kraft und Schnittstellen nur strotzender Entertainment-Alleskönner mit Vernetzungsambitionen ist in seiner Komplexität total discount- und laienfeindlich. Er bedarf vielmehr der intensiven Unterstützung geschulter Fachhändler.

Davon gibt es aber (noch) nicht sehr viele. Im Synaxon-Verbund etwa beschäftigt sich aktuell nur jeder zehnte Fachhändler intensiv mit dem Media-Center-PC, wie Vorstandssprecher Frank Roebers gegenüber ComputerPartner berichtet. Verständlich, denn die Vorlaufzeit ist lang, in der sich der Fachhändler intensiv mit den Geräten und ihren Möglichkeiten vertraut machen muss, in der er seine Kundschaft aufklärt, dass es Media-Center-PCs bei ihm gibt und dass diese eine Vielzahl an attraktiven Leistungen bieten.

Die Kundenentscheidung, ob überhaupt ein Media-Center für ihn in Frage kommt, und dann auch noch, welcher Formfaktor und welche Leistungsmerkmale wichtig sind, fällt auch erst nach einer intensiven Beratung, ja quasi Befragung des Kunden. Was will er mit dem Gerät machen? Soll es im Wohnzimmer stehen? Welche Unterhaltungselektronik (Röhrenfernseher oder Full-HDTV/Projektor, Stereo-Anlage, DVD-Player/-Rekorder, Settop-Boxen) ist bereits vorhanden und soll eingebunden werden? Will der Kunde in erster Linie nur Filme anschauen und aufnehmen? Oder will er auch die neuesten Konsolengenerationen für aufwändige 3-D-Spiele nutzen? Soll der MC-PC einen Arbeitsrechner ersetzen oder gar das Zentrum für eine Hausvernetzung werden? Reicht das Funktionsspektrum der MC-Edition von Microsoft für die Kundenbedürfnisse aus, oder sollten weitere Programme installiert werden, wie etwa das Media-Center von Pinnacle?

Laut Roebers konnten die Synaxon-Händler bislang keine eindeutige Kundenpräferenz beim Design feststellen. Allein die Tatsache, dass kaum ein Kunde mit einem Media-Center-PC von der Stange das Geschäft verlassen hat, spricht seiner Meinung nach für den hohen Individualisierungsgrad eines MC-PCs.

Hohe Anforderung an Kunde und Handel

Shuttle-Händler haben gegenteilige Erfahrungen gemacht. Sobald der Rechner (egal ob in Würfelform oder im Slimline-Gehäuse) für das Wohnzimmer gekauft wird, verlassen sich die Kunden häufiger auf Komplettsysteme als auf Barebones. Das könnte nach ihrer Meinung sicherlich mit der Kompatibilität mit Microsofts MCE zusammenhängen.

Generell ist man sich bei Shuttle sicher, dass Media-Center immer noch ein First-Mover-Produkt sind, da Installation und Einrichtung ebenso PC-Kenntnisse erfordern wie die spätere Bedienung. Damit bestätigt der Hersteller die Meinung von Roebers hinsichtlich der Discount- und Laienuntauglichkeit.

Haben sich Konsumenten für ein wohnzimmertaugliches Design-Gerät entschieden, spielt die Aufrüstungsoption für viele kaum eine Rolle. Sollte dann doch einmal die eingebaute Festplatte zu knapp werden, kann der Fachhändler eine externe Riesenfestplatte mit einem Terabyte Kapazität anbieten, die per WLAN die Film-, Foto- und Musikdaten ins Wohnzimmer "pumpt".

Anders sieht es bei Stand-alone-Modellen aus, die versteckt im Arbeitszimmer als Daten- und Regiezentrale dienen sollen. Diese sollten nicht nur von Haus aus über eine stattliche Ausstattung verfügen, sondern auch modular ausbaufähig sein.

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