"Der Groupware-Markt ist im Umbruch"

28.07.2006
Das Internet hat die Anforderungen an Groupware radikal verändert. Mobile Mitarbeiter, Integration von Applikationen in Groupware, VoIP, Instant Messaging und Portale - allein diese Stichwörter zeigen, womit sich Groupware-Anbieter beschäftigen.

Von Wolfgang Leierseder

Eine Zeit lang sah es so aus, als sei Groupware ein Software-Saurier. Das ist vorbei: Begleitet von den Fanfarenstößen der "Unified Communication" ist Groupware als vielversprechender Boomer wieder da. Zwar ist "der Markt nicht einfacher geworden", sagt Lotus-Partnerin Anneliese Wasserer-Förg. Im Projektgeschäft gäbe es noch mehr Konkurrenz als früher, beobachtet die Geschäftsführerin der Münchener Edcom GmbH. Doch in jedem Fall lässt sich mit Groupware-Lösungen Geld verdienen.

Marktzahlen belegen dies: Der weltweite Groupware-/Messaging-Markt war im vergangenen Jahr zweieinhalb Milliarden Dollar schwer, und er wird in den kommenden Jahren auf rund 3,5 Milliarden zulegen (wobei in diesen Marktzahlen keinerlei Services eingeflossen sind, sondern allein die Softwarelizenzen zugrunde gelegt wurden).

Es liegt auch auf der Hand: E-Mail, Kontakte, Kalender - die klassischen Grundfunktionalitäten der Groupware und von Messaging-Lösungen - gehören selbstverständlich zum Geschäftsalltag. Diese Applikationen müssen gepflegt werden, auch wenn die IT-Budgets nicht wachsen.

Doch Groupware geht erkennbar in eine Richtung. Diese heißt "anwenderzentrierte Zusammenarbeit", wie Peter Hantl, Marketing Manager Lotus bei IBM Deutschland, exemplarisch sagt.

Wer also beispielsweise auch Instant Messaging, gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten in sogenannten "Workspaces" erwartet, ferner Workflows, Videokonferenz, VoIP und die Anbindung mobiler Geräte, kann damit rechnen, diese auch zu bekommen. Zwar nur mit großem Integrationsaufwand, weshalb sich aus einem kleinen Groupware-Projekt auch ein großes entwickeln kann. Oder scheitern kann. Doch in jedem Fall zeigt diese Entwicklung: Die leicht verstaubt wirkende Groupware mausert sich gerade wieder zu einem wertvollen Werkzeug für die Zusammenarbeit.

Die Anbieter

Ein Bereich, den Novell verstärken möchte, ist Team Collaboration. Die beiden Marktführer bieten hier bereits "Workplace Service" und den "Sharepoint Services" an.

Nun bestimmen die Großen der Zunft den Markt hierzulande mit insgesamt fast 80 Prozent: IBM mit Notes/Domino und alternativ mit dem Softwarepaket "Workplace" plus der Middleware "Websphere", Microsoft mit Exchange und den angeschlossenen Serverprodukten "Life Communication Server" (LCS), "Sharepoint", "Real Time Collaboration" und "Office Groove", jedenfalls für 2007 angekündigt, sowie als Integrationsplattform "Dot.Net". Mit größerem Abstand folgt Novell mit "Groupwise" und Zutaten. Aber die Menge der kleineren Anbieter wie zum Beispiel Adarvo, Communigate, Ipswitch, Kerio und Sybase, auch Oracle und Sun, ferner Tobit plus Partnerlösungen und sogar AVM sind da zu nennen.

Wer dazu das Open-Source-Lager in Erwägung zieht, trifft auf eine Vielzahl an Anbietern. Neben dem Novell/Suse-Ableger Open-Xchange offerieren zum Beispiel Scalix, Zimbra, Kerio und Red Hat seit dem JBoss-Kauf Lösungen.

"So viele Anbieter wie zurzeit - das war seit fünf Jahren nicht mehr der Fall", fasst Alexander Kubsch, Director Consulting bei Marktforscher Tech Consult GmbH, diese Entwicklung zusammen.

Groupware und das Internet

Dieser Trend hat Gründe: Groupware verändert sich unter dem Einfluss des Internet und IP-basierender Netze radikal.

Zusätzlich zur zentralen "3K"-Anforderung - Kommunikation, Koordination und Kooperation - soll Groupware heute internen wie externen Mitarbeitern den gleichen Zugang zu Unternehmens-Applikationen ermöglichen. Mitarbeiter sollen geräte- und ortsunabhängig an Prozessen (Workflows) zeitgleich (synchron, etwa mittels Videokonferenz) oder zeitversetzt (asynchron, etwa E-Mail) teilnehmen können ("Team Collaboration"), und sie sollen über eine gemeinsame Oberfläche ("User Interface" beziehungsweise sogenannte "Workspaces") arbeiten.

Das alles soll in geregelten Bahnen geschehen, sodass selbstverständliche Unternehmensanforderungen wie etwa Sicherheit nach innen und nach außen, Datenkonsistenz, zentrale Archivierung aller projektbezogenen, strukturierten und unstrukturierten Dateien und Dokumente erfüllt werden.

"Die Eier legende Wollmilchsau", lacht Frank Beckert, Marketing-Manager bei Novell-Partner und Sicherheits-Spezialist Intradus GmbH mit Sitz in Ahaus, "wird es auch in Zukunft nicht geben." Seiner Meinung nach werden gerade kleinere und mittelständische Unternehmen weiterhin spezielle Lösungen bevorzugen. Wegen der Kosten, wegen des geringeren Aufwandes für Support und Schulung und weil "die großen Lösungen" oft den Nachteil haben, dass sie zu groß sind und zu wenig die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen abbilden.

"Die Frage ist", sagt Analyst Kubsch, "ob ich bei meinem Ansatz von oben nach unten oder von unten nach oben gehe." Im letzteren Fall schlägt die Stunde der kleineren Anbieter.

Zusammenarbeit/ Collaboration

Das erklärte Mantra aller Groupware-Anbieter heißt "produktive Zusammenarbeit von Mitarbeitern". Das erscheint nicht wirklich neu. Dennoch formuliert Mark Chroust, Presales-Verantwortlicher bei Novell Deutschland: "Der Groupware-Markt ist im Umbruch", da die integrierte Zusammenarbeit das Thema schlechthin ist. Ganz gleich, ob man das als "Integration von Menschen, Anwendungen und Prozessen" (Lotus-Manager Hantl) bezeichnet, "teamorientierte Anwendungsumgebung" (Chroust) oder "Unified Communication" nennt, wie es Vincent James, verantwortlich für die neu gebildete "Unified Communication"-Abteilung bei Microsoft Deutschland, tut.

Dass dabei auch "die Integration von ERP- und CRM-Anwendungen" gewünscht und versprochen wird, versteht sich. Das sehen IBM und Microsoft sehr ähnlich, weshalb beide Unternehmen daran arbeiten.

Instant Messaging und Sicherheit

Wer in Echtzeit kommunizieren und dabei Dokumente austauschen will, kommt um Instant Messaging (IM) nicht herum. IM ist deshalb unverzichtbarer Bestandteil einer Groupware-Lösung, oder wie Lotus-Manager Hantl sagt, stellt es eine "sinnvolle Benutzerschnittstelle" dar.

Wesentliche Voraussetzung für IM ist der Baustein Anwesenheit. Jeder Teilnehmer kann nachsehen, ob und wie der gewünschte Teilnehmer erreichbar ist - im Netz, an seinem Arbeitsplatz oder auch unterwegs. Nach dieser Statusabfrage (online, nicht verfügbar, abwesend, nicht stören, offline etc.) wählen die Teilnehmer die adäquate Kommunikationsweise aus: Chat, Telefon- oder Video- beziehungsweise Web-Konferenz und Dokumentenbearbeitung aus.

Mit dieser Anwendung sind eindeutige Kostenvorteile verbunden. Weil weniger telefoniert wird beziehungsweise VoIP vom Arbeitsplatz aus möglich ist, weil Dokumente gemeinsam bearbeitet werden können (Prinzip What You See Is What I See) und weil "die Kombination aus Instant Messaging und Telefonie, bei der zwischen beiden Medien spontan umgeschaltet werden kann ("Click to talk" oder auch "Voice Chat" genannt), das lästige Suchen von Telefonnummern plus anschließendes Wählen erspart", wie IBM-Manager Peter Schütt erklärt.

Allerdings wirft IM auch größere Sicherheitsprobleme auf. Die Durchlässigkeit des Firmennetzes für diese Anwendung stellt Administratoren vor die Frage, welche Ports des Firmennetzes offen sind und wie sie geschützt werden. Etwa mittels Gateways plus zweistufigem Firewall-Konzept, mittels Port-Restriktion und prinzipiell des Managements der IT-Infrastruktur. "Man muss sich hier genau überlegen, welche Infrastruktur notwendig ist", weiß Beckert. "Hier sind die Systemhäuser wirklich gefragt."

VoIP-Technologie

Laut einer im Januar dieses Jahres erfolgten Umfrage bei über 100 IT-Entscheidern in deutschen Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern ist "VoIP in der Tat ein wichtiges Thema für die Unternehmen", wie Nicole Duft vom Berliner Marktforscher Berlecon Research sagt. Ein Drittel der Unternehmen setzt bereits VoIP-Technologie ein, ein weiteres knappes Drittel plant die Nutzung.

Für Groupware-Anbieter heißt das nicht nur, dass sie diese "von Kunden angetriebene Tendenz" (Hantl) berücksichtigen, sondern in ihren kommenden Versionen integrieren müssen. Die drei großen Anbieter haben schon angekündigt, dass sie entsprechende Groupware-Clients in diesem oder im nächsten Jahr ausliefern werden; die kleineren werden nachziehen.

E-Mail-Archivierung

Mit der Archivierung von E-Mails wäre für Unternehmen ein großer Schritt in Richtung "Wissensmanagement" getan. Doch gerade die Mail-Archivierung wird in Deutschland vernachlässigt "oder ist nicht vorhanden", wie Intradus-Manager Beckert weiß.

Das liegt nicht nur daran, dass bei den meisten Groupware-Lösungen Archivierungs-Funktionalität nicht beziehungsweise nur rudimentär integriert ist, sondern ist auch in den immensen Anforderungen an Speicher und Administration begründet. Insbesondere kleinere Firmen scheuen die Kosten. Als "proportional viel zu hoch" bezeichnete der amerikanische Marktforscher Ferris Research diese Kosten-Nutzen-Relation.

Dennoch wäre der Nutzen solcher Archivierung groß. Denn wer einmal Dokumente gesucht hat, weil er einen Arbeitsvorgang nachvollziehen oder dokumentieren musste oder ältere Mails für einen neuen Vorgang nutzen wollte, und dabei vergeblich verschiedene Datensilos durchforstet hat, kann ein Lied davon singen.

Insofern arbeiten die Group- ware-Anbieter und ihre Softwarepartner an Lösungen, die der Markt beziehungsweise der Kunde auch "annimmt" (Beckert). Hier wäre der Arhauser Anbieter Tobit zu nennen, dessen Server-Lösung "David" Archivierung ermöglicht.

Unified Desktop

Keine Groupware-Lösung hat es bisher geschafft, das Desktop-Chaos - viele offene Fenster mit verschiedenen Oberflächen, je nach Applikation - entscheidend zu verbessern. Zwar laufen verschiedene Versuche, zumindest von IBM und Microsoft, in diese Richtung, doch bis ein mehr als rudimentärer Ansatz des "Unified Desktops" die Anwender erreicht, wird noch einige Zeit verstreichen.

"Die Frage ist, wie technologiefreundlich und wie anwenderfreundlich ein solcher Client aussehen muss", sagt Lotus-Manager Hantl. Hier die Balance und das Bündel Schnittstellen zu finden, die es erlauben, Anwendungen in einer einheitlich aussehenden und zu bedienenden Oberfläche zu integrieren - all das gehört noch zur Groupware-Zukunft.

Ausblick

Der Weg, den Groupware beschreiten wird, ist vorgezeichnet. Unter dem Buzzword "Unified Communications" sind die kommenden Lösungen dem Kunden bereits annonciert. Zwar darf man sich darunter alles Mögliche vorstellen und muss sich, um nicht enttäuscht zu werden, die kommenden Lösungen genau anschauen; dennoch werden diese Lösungen Folgendes - hoffentlich modular - enthalten: Instant Messaging, VoIP, Video- und Web-Konferenz, Blogs, Wikis und Diskussionsforen. Darüber hinaus Mobile Mail samt Integration mobiler Geräte, Applikationsintegration von Office-, CRM- und ERP-Lösungen mittels offener standardisierter Schnittstellen, dazu ein einheitliches "User Interface" beziehungsweise "Workspaces". E-Mail-Archivierung beziehungsweise konsistentes Speichermanagement, Sicherheit nach innen über sogenannte "Policy"-Regeln und nach außen gehören ebenso dazu. Ansätze hierfür sind vorhanden.

Was aber die Tendenzen betrifft, die derzeit unter verschiedenen Flaggen wie "Enterprise Content Integration", "Enterprise Content Management", Portale - etwa Google, Yahoo oder dezidierte Web-Portalanbieter - , des Weiteren Web 2.0 oder Enterprise 2.0 und so weiter segeln, ist zu erwarten, dass sie den Groupware-Markt aufmischen werden.

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