"Du musst Feedback ehrfürchtig annehmen, zumindest muss es so aussehen. Also halte einfach den Mund und blicke ergriffen." Etwa so kann man die gängige Vorstellung vom geziemenden Umgang mit Feedback zusammenfassen. So lernt man das ja auch im Seminar, so wollen es die gepriesenen Feedback-Regeln. Man muss demütig dankbar sein und sagt besser nichts! Umso mehr gilt dies, je größer die hierarchische Distanz zum Feedback-Geber ist. Wenn der Chef ein Feedback erteilt, dann sollte man wohl besser ruhig sein und dankbar nicken. Nur - ist das eine nützliche Haltung? Und falls nein, gibt es denn einen anderen, besseren Weg?
Es gibt ihn, allerdings erfordert er etwas Mühe. Wir behaupten, dass das Annehmen von Feedbacks von zentraler Bedeutung nicht nur für die Kommunikation, sondern für das Funktionieren von Unternehmen ist. Damit muss es zu den Kernkompetenzen für Führungskräfte und Mitarbeiter gezählt werden. Unser Ansatz des Resonanz-Feedbacks schaut auf den Prozess der Übertragung von Feedbacks und liefert auch zum Annehmen von Feedbacks pragmatische Ansätze. Auf ein Hochglanzposter mit einer niedrig einstelligen Anzahl simpler Regeln passen diese jedoch nicht.
Hier geht es primär um Feedbacks in hierarchischen Kontexten, in denen unterschiedliche Dominanzverhältnisse eine Rolle spielen und das Feedback mit entsprechender Durchschlagkraft versehen, die sich in der Ansprache von Oben nach Unten immer einstellt. Sinngemäß sind die Überlegungen jedoch übertragbar auf alle Bereiche des Feedback-"lebens".
Drei Perspektiven: "Man weiß ja, von wem es kommt!"
Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Perspektiven, aus denen man ein Feedback anschauen kann: Was sagt das Feedback über einen selbst, den Feedbacknehmer? Was geht in ihm /ihr vor? (z.B.: "Oh nein, ich wusste, dass er, der Feedbackgeber merkt, dass ich das alles eigentlich gar nicht kann! Ich bin die falsche Besetzung für die Stelle!") Was sagt es über den Feedbackgeber? (z.B.: "Na, wenn der das sagt… da weiß man ja, von wem es kommt!" oder: "Aha, jetzt weiß ich, was ihm wichtig ist.")
Und was ist schließlich der Inhalt des Feedbacks? Sinnvoll ist letztlich die Betrachtung aller Aspekte, wobei der Inhalt nur dann zur Nutzung gebracht werden kann, wenn man die beiden anderen Perspektiven angemessen berücksichtigt. Diese ist aber nur möglich, wenn man sich der beiden anderen Foki auch bewusst ist und hier seine Wahrnehmungen sortiert und Entscheidungen trifft. Hier ist tatsächlich Arbeit gefordert: Denkarbeit und Emotionsarbeit. Das gilt übrigens für Feedbacks mit positivem Inhalt genauso wie für Feedbacks mit negativem Inhalt.
Wir haben unserem Ansatz die Bezeichnung "Resonanz-Feedback" gegeben. Denn erfolgreiche Feedbackprozesse sind getragen von großer Aufmerksamkeit auf alles, was mitschwingt.
- 1. Keine offene Kommunikation
Es wird zu wenig miteinander geredet. Führungskräfte schieben als Grund oft das Tagesgeschäft und mangelnde Zeit vor. In der Realität ist jedoch oft Unbehagen oder der Mangel an Know-how bezüglich angemessener Gesprächsführung der wahre Grund. - 2. Druck wird an Mitarbeiter weitergeleitet
Der aufgrund der anspruchsvollen Wettbewerbsbedingungen entstehende Druck schlägt ungefiltert auf die Mitarbeiter durch. Anstatt miteinander an Lösungen zu arbeiten, wird gegeneinander gearbeitet. Das fordert von allen Beteiligten sehr viel Kraft. Angemessen ist es, ressourcenschonend mit den Herausforderungen umgehen zu lernen. - 3. Zu wenig Interesse am Menschen
Führungskräfte haben meist sehr wirksame Erfolgsstrategien, die in der Zusammenarbeit mit Menschen oft nicht funktionieren. Sie sind häufig der Auffassung, alles alleine schaffen zu können. Spannungen und nichtkonstruktives Miteinander sind vorprogrammiert. Hieraus können permanente Überlastungsgefühle sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten resultieren, die zu Gesundheitsproblemen und möglicherweise zu innerer Kündigung führen können. Daraus resultierende wirtschaftliche Probleme sind nicht zu unterschätzen. - 4. Nicht offen für Ideen und Optimierungsvorschläge
Wenn Mitarbeiter regelmäßig auf taube Ohren stoßen, machen sie irgendwann zu und bringen sich nicht mehr ein. Resignation und innere Kündigung ist die Folge. - 5. Zu wenig Anerkennung
Regelmäßiges Lob fehlt. Vor allem Leistungsträger sehen keinen Sinn für ihre Anstrengungen, wenn ihre Leistung nicht wertgeschätzt wird. - 6. Meinung wird nicht gehört
Viele Mitarbeiter sind der Auffassung, ihre Meinungen hätten kein Gewicht. Häufig ist mangelnde Wertschätzung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Grund. - 7. Kein konstruktives Feedback
Jeder Beschäftigte will einen guten Job machen. Hierfür jedoch benötigt er den Vorgesetzten zur Standortbestimmung. Die dafür auch erforderliche konstruktive Kritik scheut der Vorgesetzte aber zumeist. - 8. Zu wenig Zeit für Mitarbeiter
Da Führungskräfte zu sehr mit ihren eigenen Themen und Arbeitsaufgaben beschäftigt sind, bekommen Mitarbeiter viel zu wenig Rückmeldung zu ihrer eigenen Arbeit. - 9. Persönliche Entwicklung wird nicht gefördert
Wenn sich niemand für den Menschen interessiert und dem Mitarbeiter keine persönlichen Entwicklungsziele in Aussicht gestellt werden, wird der Mensch unzufrieden. Die Folge: Er sucht nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen oder resigniert. Gezielte Förderung vermindert Abwanderungstendenzen erheblich. - 10. Die Aufgabe passt nicht zur Person
Menschen erzielen dann Höchstleistungen, wenn sie das machen können, was ihnen Freude macht. Das Unternehmen muss ein Umfeld aktiv bereit stellen, damit sich die Mitarbeiter entfalten und wohl fühlen können. Auch müssen die Erwartungen an den Mitarbeiter jeder Zeit klar sein.
Kränkung: Enttabuisieren!
Die erste dieser Schwingungen ist wohl in der potenziellen Kränkung zu finden, die jedem Feedback innewohnt. Damit meinen wir den schmerzhaften Blick oder "Angriff" auf das Allerheiligste der Persönlichkeit, auf das, was uns ausmacht. Wenn ein Feedback unserem Selbstbild nicht entspricht, dann treten Nachdenkarbeiten in Gang. Dabei wird ganz häufig unser Selbstbild als "bedroht!" wahrgenommen, geschützt und reflexartig verteidigt.
Ich stelle mir das - in Analogie zum Immunsystem - so vor, dass der Fremdkörper "Kränkung" und eben manchmal auch ein "Feedback" herausgeeitert werden muss! Das, was da von außen kommt, das darf einfach nicht wahr sein, sonst wäre Ich nicht Ich, sondern ein Mosaik aus fremden Definitionen; deshalb werde ich sauer und hoffe, die Säure kann das Fremde, das von außen Kommende zersetzen, als etwas, das nicht zu mir gehört. Dies kann man zum Beispiel erreichen, indem man erst gar nicht den Inhalt betrachtet, sondern einfach den Feedbackgeber abwertet.
Um die eigene Identität zu wahren, rechtfertigen wir uns, das heißt, wir fertigen uns das Recht selbst, und damit legitimieren wir unser Tun. So schützen wir unser Ich, die Grundfeste der Persönlichkeit.
Kurz: Gekränkt zu sein und Widerstand zu spüren, wenn mir etwas nicht passt (= etwas nicht zu mir passt = es also einen Fremdkörper darstellt), das ist ein normaler und vollkommen gesunder psychischer Vorgang. Denn die Kränkung schützt, indem sie die Ursache nach außen hin - zum Verursacher der Kränkung - verweist.
Abwehr der Kränkung: Widerspruchsreflex und Auseinandersetzung
Zu uns selbst sagen wir dann: "Da irrt er sich aber gewaltig!", "Sein Feedback geht völlig an der Wirklichkeit vorbei!", "Sie sollte erst mal vor ihrer eigenen Haustür kehren!", "Was sie da sagt, wird mir ja gar nicht gerecht. Andere sehen das ganz anders!", "Das muss ich mir doch nicht länger anhören!" Zugegeben, wir übertreiben, und es wird nicht immer so sein. Aber es wäre merkwürdig, wenn das nicht doch oft genau so wäre und wir selbst einem Feedbackgeber gegenüber, den wir schätzen, auf den wir hören, kritisches Feedback abwehren würden, insgeheim und im Inneren. Diese Tendenz zum Widerspruch, zum Widerstand, zur Abwehr erfolgt nahezu reflexhaft und damit allzu häufig unreflektiert.
Erst wenn man sich dieser inneren Resonanz achtsam bewusst wird, ist man in der Lage, dem Widerspruchsdrang zu widerstehen. Erst wenn man sich als Feedbackempfänger eingesteht, dass es einem mit Feedback nicht gut gehen muss, erst wenn man verstanden hat, dass das sogenannte konstruktive Feedback meist für den konstruktiv ist, der es gibt, aber nicht unbedingt für den, der es bekommt, erst dann kann man hinhören, obwohl es vielleicht weh tut. Als Feedbacknehmer darf man sich auseinandersetzen und man darf auch sprechen, wenn man ein Feedback erhält. Nur den direkten Widerstand, den halten wir für nicht zielführend.