Der Untergang der M+S

10.01.2002

Es ist erschütternd, wie schnell und wie tief ein bis vor kurzem noch kerngesundes Unternehmen fallen kann. Die Rede ist von der M+S Elektronik AG in Niedernberg. Das zweitgrößte Systemhaus Deutschlands musste am 21. Dezember Insolvenzantrag stellen, am 28. Dezember folgten die Tochterunternehmen M+S EDV-Service GmbH, DGW Datennetze GmbH und DRV Dr. Böhmer GmbH & Co KG. Was am Ende der Arbeit des Insolvenzverwalters Werner Schreiber übrig bleiben wird, lässt sich heute noch nicht absehen.

Die wesentliche Frage lautet: Wie konnte es dazu kommen, und was lässt sich daraus lernen? Vor wenigen Wochen veröffentlichte ComputerPartner einen Beitrag des Münsteraner Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Karl Niehues mit dem Titel "Zehn Gründe, warum Firmen Pleite machen" (ComputerPartner 47/01, Seite 46). Stichwortartig zusammengefasst lauten sie:

1. Kein marktfähiges Produkt

2. Zu hohe Privatausgaben

3. Zu viele Mitarbeiter

4. Forderungsausfälle

5. Schulden machen

6. Bequemlichkeit

7. Glaube an Anfangsverluste

8. Umsatzdenken

9. Fehlende Reservenbildung

10. Vertrauen auf andere.

Einige dieser Ursachen treten auch bei M+S in Anschlag. Der Hauptgrund für den Niedergang der M+S ist aber zweifelsohne der Umgang mit Geld. Man kann nicht sagen, der leichtfertige Umgang mit Geld. Eher schon der großzügige Umgang desjenigen, der glaubt, aus dem Vollen schöpfen zu können. Daher lässt sich auch der Anfang vom Ende des Niedernberger Systemhauses recht genau datieren. Es ist der 29. Februar 2000, also vor fast genau zwei Jahren. Dies war der Tag, an dem M+S an die Börse ging. (Einige Monate vorher war der Börsengang bereits in letzter Minute verschoben worden.) Plötzlich war soviel Geld in der Kasse, wie man es zuvor nie besessen hatte. Damit musste man etwas anfangen, Expansion durch Akquisition lautete die Parole. Der M+S-Vorstand setzte den Anlagedruck durch die Aktionäre unmittelbar in Aktion um.

Daraus resultierte eine völlig verfehlte, man muss sagen, unprofessionelle Akquisitionspolitik des M+S-Vorstandes. Der Assemblierer DRV Dr. Böhmer wurde vor allem wegen eines einzigen Kunden übernommen, der Deutschen Bahn. Doch die Eisenbahner bestellten nicht mehr, kaum dass die Firma übernommen worden war. Überdies soll M+S viel zu viel Geld für DRV bezahlt haben. Dass die Übernahme der DGW in Berlin ein Flop war, hat der inzwischen abgetretene M+S-Chef Hans-Ulrich Mahr auf der letzten Hauptversammlung selbst eingestanden. Der Hauptfehler lag sicher darin, den damaligen DGW-Geschäftsführer Ulrich Evertz ziehen zu lassen und nicht für eine zwei- oder dreijährige Übergangszeit weiter zu verpflichten. Auch die Beteiligung an der Yic AG Anfang letzten Jahres war eine Blamage; zwei Monate später war Yic am Ende. Einzig mit der Akquisition der Profi Engineering Systems GmbH hat der M+S-Vorstand einen guten Job gemacht.

Die tragische Figur in dem ganzen Szenario ist Hans-Ulrich Mahr. Zusammen mit seinem Kompagnon Theo Stripp hat er das Unternehmen aufgebaut und damit eine unternehmerische Glanzleistung gezeigt. Aber nach dem Börsengang hat er mehr und mehr die Kontrolle über das Geschehen verloren und ist somit ganz entscheidend verantwortlich für den Untergang des Unternehmens. Viel zu lange hat er an seinem Stuhl geklebt und erst aufgegeben, als es bereits zu spät war. Auch dies ist eine Lehre, die sich aus dem M+S-Desaster ziehen lässt: Es ist zwar ehrenhaft für einen Kapitän, wenn er mit seinem Schiff untergeht, aber klüger ist es, das Kommando beizeiten jemandem zu überlassen, der der Situation gewachsen ist. Dieser Zeitpunkt ist im Falle der M+S AG verpasst worden.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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