Lokale Dienstleistungen

Deutsche Anbieter sehen US-Rivalen gelassen entgegen

12.05.2015
Waren aller Art werden auch im Internet feilgeboten - doch wenn es um den tropfenden Wasserhahn oder die neue Einbauküche geht, ist guter Rat teuer und oft nur im analogen Leben zu finden. Das soll sich nun ändern - und auch große US-Konzerne geraten in Goldgräberstimmung.

Der Markt für lokale Dienstleistungen im Netz ist erst im Entstehen, und Schwergewichte wie Amazon und Google stehen bereits in den Startlöchern. Viele lokale Anbieter in Deutschland sehen den Rivalen aus Übersee jedoch gelassen entgegen und vertrauen auf ihren Heimvorteil. Das Handwerker-Portal MyHammer aus Berlin etwa beobachtet die Ambitionen der US-Riesen "sehr entspannt", sagte Vorstandsvorsitzende Claudia Frese. Gegen standardisierte Angebote setzten Plattformen aus Deutschland auf individuell zugeschnittene Leistungen. MyHammer sei "mit seiner langjährigen Erfahrung auf dem deutschen Handwerksmarkt mit all seinen Besonderheiten spezialisiert", sagt Frese.

Auch das Berliner Startup Käuferportal sieht sich für die wachsende Konkurrenz gut gerüstet. "Wir haben keine Angst vor Amazon oder Google, denn wir haben schon viele kommen und gehen gesehen", sagt Robin Behlau, Mitgründer des Portals selbstbewusst. Bislang konzentrierte sich die Plattform auf die Vermittlung von Dienstleistungen und beratungsintensiven Produkten wie Küchen, Wintergärten, Solaranlagen oder Treppenliften. Das 2008 gegründete Unternehmen will nun nach einer Finanzspritze von 3,3 Millionen Euro von der Investitionsbank Berlin vom April sein Angebot um weitere Dienstleistungen erweitern und sich damit an eine breitere Zielgruppe wenden.

Inzwischen schließen sich vermehrt auch Handwerker der bundesweiten Initiative Buy Local an. Buy Local geht es vor allem um eine Stärkung des Einzelhandels, der immer mehr durch Online-Angebote wie Amazon und Zalando verdrängt wird. Die Kunden könnten durch bewusste Kaufentscheidungen für örtliche Händler auch im Internet ein Zeichen setzen und die Region stärken, betont die Initiative.

In der Online-Vermittlung von lokalen Dienstleistungen steckt nach Einschätzung von Branchenbeobachtern ein riesiges Marktpotenzial. Die Prognosen reichten bis zu mehr als 800 Milliarden Dollar, schrieb die "New York Times" kürzlich. "Es sind nur noch wenige Goldtöpfe wie dieser im Internet übriggeblieben, sagte Marco Zappacosta, Chef und Mitgründer des kalifornischen Startups Thumbtack. Immerhin sind auch in Deutschland laut einer von 1&1 in Auftrag gegebenen Studie die Zeit der Gelben Seiten passé: Dreiviertel der Menschen gehen im Internet auf die Suche nach lokalen Dienstleistern und Händlern.

Rund um den wachsenden Markt machen sich zahlreiche Startups startklar. Bei vielen Angeboten geht es darum, lokale Anbieter wie Elektriker, Schreiner oder Handwerker, die noch wenig Präsenz im Netz besitzen, überhaupt erst einmal online zu bündeln und die Dienstleistungen besser sichtbar zu machen. Pro.com aus den USA etwa hat kürzlich eine App herausgebracht, über die man auch unterwegs einen Helfer für den tropfenden Wasserhahn oder die Neugestaltung des eigenen Badezimmers in der Region finden kann.

Während beim deutschen Anbieter MyHammer, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, nur geprüfte Handwerker mit Qualifikationsnachweis für die Ausschreibung der Kunden zugelassen werden, können bei Thumbtack in den USA auch private Nutzer aus der Nachbarschaft Dienstleistungen wie Reinigungs-Services oder Hunde-Sitting offerieren. Anders als Amazon etwa seien solche Anbieter aus dem amerikanischen Markt viel interessanter, sagte Frese. Sie hätten das gleiche oder zumindest sehr ähnliches Geschäftsmodell. Und sie hätten mittelfristig sicher ein großes Interesse am deutschen Markt.

Interesse an Thumbtack hat jedoch auch Google. Vergangenen Sommer investierte der Suchmaschinen-Anbieter in das Unternehmen aus San Francisco. Google Capital half mit 100 Millionen Dollar der kleinen Firma unter die Arme. Inzwischen entschied sich Google jedoch dazu, selbst ein solches Angebot aufzubauen - und seiner Investment-Sparte damit Konkurrenz zu machen. Was der ungewöhnliche Kurswechsel zu bedeuten hat und wie die neuen Pläne zu der Übernahme passen könnten, sei unklar, sagte Zappacosta.

Erst kürzlich hat mit Amazon ein weiteres Schwergewicht den noch jungen Markt betreten. Amazon-Gründer Jeff Bezos hatte bereits in die Firma Pro.com investiert. Der Online-Handelsriese startete nun im März seinen Dienst Amazon Home Services, vorerst in den USA. Hier lassen sich lokale Dienstleister für alle Arten von Reparaturen finden. In mehr als 700 Kategorien bietet Amazon nach eigenen Angaben inzwischen 2,4 Millionen Offerten.

"Dass Google und Amazon jetzt auch lokale Dienstleister vermitteln, hat einen einfachen Grund", sagte Mario Kohle, Mitgründer von Käuferportal.de. "Allein der US-Markt ist 600 Milliarden Dollar schwer." Das Potenzial sei aber bisher noch völlig ungenutzt. Angesichts der großen Konkurrenz aus Übersee hätten sie sich noch vor fünf Jahren Sorgen gemacht, sagte Mitgründer Robin Behlau. Doch inzwischen wüssten sie über die besonderen Herausforderungen in dem Markt, der mit einem normalen Warenmarkt nicht vergleichbar sei. (dpa/tc)

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