Deutsche Telekom auf 600 Mio EUR Schadenersatz verklagt

18.07.2007
Von Stefan Paul Mechnig

Von Stefan Paul Mechnig

Dow Jones Newswires

DÜSSELDORF (Dow Jones)--Wegen überhöhter Gebühren für Auskunftsdienste verlangt ein Unternehmer von der Deutschen Telekom AG Schadenersatz von gut 600 Mio EUR. Der Mitbegründer der zweitgrößten deutschen Telefonauskunft telegate, Klaus Harisch, reichte dazu nach Angaben seines Anwalts Klage beim Landgericht Köln ein.

Telegate selbst und dem Wettbewerber klickTel sind in den vergangenen Wochen von Gerichten bereits Millionensummen an Gebührenrückzahlungen zugesprochen worden. Insgesamt könnten damit auf die Telekom Forderungen von rund 1 Mrd EUR zukommen, sagte Harischs Anwalt Heinrich Wilms der Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires.

Es geht um die Kosten für Daten von Telefonkunden, die der Bonner Konzern nach Ansicht von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur Auskunftsdiensten und Telefonbuchverlagen über Jahre viel zu hoch in Rechnung gestellt hat. Harisch macht deshalb einen erheblichen Nachteil für sein Privatvermögen geltend.

Um die telegate AG zu retten, die Ende der 90er Jahre durch die Gebührenpolitik der Telekom an den Rand der Pleite geraten war, verkaufte er einen Großteil seiner Aktien. Deswegen sei ihm beim Börsengang des Münchener Unternehmens 1999 ein dreistelliger Millionenbetrag entgangen. telegate war zeitweise rund 2 Mrd EUR wert.

Zunächst hatte Harisch, der inzwischen die Internetauskunft GoYellow führt, 300 Mio EUR Schadenersatz verlangt. "Jetzt haben wir am Freitag eine neue Klage eingereicht und die Summe verdoppelt", sagte Anwalt Wilms. Der Grund: Der Jurist legte für die Berechnung einen anderen Aktienkurs zu Grunde, der nicht in die Haltefrist nach dem Börsengang fällt, in der Harisch keine Papiere verkaufen konnte.

Die Telekom betrachtet die Forderung als "absurd und nicht nachvollziehbar", sagte Unternehmenssprecher Frank Domagala. "Wir werden uns mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen."

In anderen Prozessen hatte die Telekom damit allerdings bislang keinen Erfolg. So verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in drei Teilverfahren seit Mai den Bonner Konzern zur Rückzahlung von insgesamt rund 100 Mio EUR inklusive Prozesszinsen an die telegate AG. In einem der Fälle hatte die Telekom bereits den Bundesgerichtshof (BGH) angerufen, der die Sache aber nach Düsseldorf zurückverwies. In den beiden anderen Urteilen hat sich der Ex-Monopolist ebenfalls an die Karlsruher Richter gewandt. Von Telefonbuchverlagen sind außerdem 16 Klagen auf Rückzahlung von zusammen acht Mio EUR gegen die Telekom anhängig.

Eine erneute Niederlage musste der Konzern jetzt auch im Rechtsstreit mit der klickTel AG einstecken. Hier wurde sie vom OLG Düsseldorf zur Rückzahlung von gut drei Mio EUR samt Zinsen aufgefordert. Außerdem verlangt der Auskunftsdienst 24 Mio Schadenersatz, weil er die entgangene Summe seinerzeit nicht habe investieren können und so einen Wettbewerbsnachteil erlitten habe. Mit ähnlicher Begründung klagt auch die telegate AG auf Schadenersatz von rund 86 Mio EUR - hätte sie damals mehr Mittel gehabt, wäre ihr Marktanteil heute nicht nur rund 30%, sondern doppelt so hoch, schätzt Wilms, der neben Harisch auch das Münchener Unternehmen vertritt.

Der Anwalt zeigt sich siegessicher. Er verweist darauf, dass der BGH von sich aus die Frage aufgeworfen habe, ob nicht Schadenersatzansprüche gegen die Telekom erhoben werden können. Und der Juraprofessor, der in Friedrichshafen europäisches Medienrecht lehrt, sieht namhafte Institutionen auf seiner Seite. So hatte der Europäische Gerichtshof 2004 entschieden, dass ehemalige Monopolanbieter wie die Telekom lediglich die Kosten für die Übertragung der Teilnehmerdaten geltend machen dürfen, nicht aber auch für Aufbau und Pflege der Verzeichnisse.

Im Jahr darauf fällte die Bundesnetzagentur in Bonn dann eine wegweisende Entscheidung: Sie ordnete an, dass die Telekom nicht mehr bis zu 49 Mio, sondern nur noch 770.000 EUR pro Jahr von den Dienstleistern verlangen darf - eine Absenkung um 98%. Vorangegangen waren jahreslange Auseinandersetzungen. Anfangs flossen der Telekom nach Angaben ihrer Wettbewerber mindestens rund 380 Mio EUR jährlich zu. "Dabei sind die realen Kosten gleich null", kritisiert Wilms. Auch wegen dieser Gebühren seien von den Dutzenden Auskunftsfirmen, die nach der Öffnung des deutschen Telekommunikationsmarktes 1996 gestartet waren, viele gescheitert.

Zwei Jahre später eröffnet das Bundeskartellamt ein Missbrauchsverfahren gegen die Telekom, das mit einem Vergleich endete: Maximal 89 Mio EUR durfte die Telekom - sie ist mit 60% Marktanteil hier zu Lande nach wie vor der größte Auskunftsdienstleister - demnach noch erheben. 2002 schaltete sich die Wettbewerbsbehörde erneut ein. Die Folge: Die Gebühren-Obergrenze sank um weitere 40 Mio EUR. Dieser Schritt erst habe Anbietern wie telegate eine gewisse Planungssicherheit gebracht, sagte Wilms.

Der Jurist rechnet damit, dass der BGH bis Ende nächsten Jahres über die Revision der Telekom gegen die OLG-Entscheidungen befindet. "Werden die Urteile bestätigt, dann muss der Konzern die Rückzahlung leisten", meint Wilms.

Ob die Telekom für die Prozessrisiken Rückstellungen gebildet hat, ist unklar. "Dazu wollen wir uns auf Grund der laufenden Verfahren nicht äußern", sagte Telekom-Sprecher Domagala.

Webseiten: http://www.telegate.de

http://www.klicktel.de

http://www.telekom3.de

-Von Stefan Paul Mechnig, Dow Jones Newswires, ++ 49 (0) 211 - 13 87 213,

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