Aufstieg, Krisen und Skandale

Die Geschichte der Telekom

Ariane Rüdiger ist freie Autorin und lebt in München.

Volldigitalisierung, Expansion und beginnender Wettbewerb

Zurück zur Technik: Seit 1997 sind alle Vermittlungsstellen im Telekom-Netz digitalisiert, das Land hat nun das modernste TK-Netz der Welt. Doch die Freude währt nicht lange. Denn 1998 öffnet sich der Markt, von nun an muss sich die Telekom anders als bisher der Konkurrenz stellen. Die neuen Player werden bei der Eroberung von Marktanteilen durch die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation unterstützt, die das alte Bundespostministerium ablöst. Allerdings besitzt die Telekom noch immer das Netz. Niemand kommt vorläufig auf dem Weg zu den Endkunden an ihr vorbei.

Am 1. Juni 1999 startet die Telekom die Breitbandvernetzung mit T-DSL. Die Bandbreite damals: 768 kbit/s im Downstream und 128 kbit/s im Upstream. Im Einstiegsjahr entschließen sich ganze 2900 Kunden, den Dienst zu nutzen. Als erstes gib es die Technologie in Berlin, Bonn, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Stuttgart. Zunächst ist DSL nur zusammen mit ISDN erhältlich.

Ab Mitte 2000 können auch Analogtelefonierer via DSL ins Internet. Bezahlen müssen sie aber genau so viel. Die Bandbreite steigt in den folgenden Jahren stetig, doch für Landbewohner mancher Gegenden bleibt der Breitbandanschluss noch lange ein Traum - für manche bis heute.

Außerdem expandiert die Telekom nach Großbritannien. Sie kauft den Provider One 2 One mit rund 16 Prozent Anteil am britischen TK-Markt für rund 20 Milliarden Mark.

Gleichzeitig verkündet Sommer die Vier-Säulen-Strategie, rückblickend ein Kind der Internet-Blase: Die Geschäftsfelder werden stärker verselbständigt und teilweise an die Börse gebracht, T-Online in eine selbständige AG ausgelagert. Das Mobilfunkgeschäft heißt nun T-Mobile AG, das Privat- und Mittelstandsgeschäft im Festnetz T-Com. Das Systemgeschäft wird durch den Ankauf der Mehrheit der Anteile am Systemhaus Debis von Daimler-Chrysler erheblich ausgedehnt und landet Anfang 2001 in der T-Systems GmbH. Über allem thront als Holding die DTAG.

Der schicke Robert T-Online wirbt für den Börsengang des gleichnamigen Telekom-Ablegers. Für die Anleger am Ende eine Pleite. Insofern wäre ein Pleitegeier wohl das bessere Symbol gewesen.
Der schicke Robert T-Online wirbt für den Börsengang des gleichnamigen Telekom-Ablegers. Für die Anleger am Ende eine Pleite. Insofern wäre ein Pleitegeier wohl das bessere Symbol gewesen.
Foto: Telekom

Weitere Schritte folgen rasch. Am 17. April 2000 geht T-Online an die Börse. 20fach überzeichnet, wird das Papier für 27 Euro emittiert. T-Mobile kauft just vor dem Platzen der Internet-Blase den US-Mobilfunker Voicestream für 53 Milliarden Dollar und Powertel für 5,89 Milliarden Dollar. Das scheint vielen stark überteuert. Als könnte er selbst Geldscheine drucken, ersteigert Telekom-Chef Sommer zum Ergötzen der staatlichen Kassenwarte auch noch zwei UMTS-Lizenzen. Preis: 16,58 Milliarden Mark. Folge der ungehemmten Expansion: Der Konzern versinkt in Schulden. Der damalige Finanzminister Eichel witzelte: "UMTS steht für Unerwartete Mehreinnahme zur Tilgung von Staatsschulden".

Die große Krise und die Folgen

Dann platzt die Internet-Blase, und nicht nur der Kurs der Telekom verfällt - bis Sommer 2002 auf Werte unter zehn Euro. Auf Druck des Aufsichtsrats muss Sommer seinen Hut nehmen. Wer sein gesamtes Geld in die vermeintliche Rentneraktie gesteckt hat, ist jetzt neun Zehntel davon los. Als schwachen Ausgleich gibt es Neues im technischen Bereich: Die Deutsche Telekom präsentiert ihr erstes UMTS-Testfahrzeug. T-Systems übernimmt den Rest der Debis-Anteile.

Im November 2002 übernimmt nach einer Übergangsphase von einigen Monaten Kai-Uwe Ricke das Ruder. Das Amt kommt damit sozusagen zurück in die Familie: Rickes Vater, Helmut Ricke, ist der ehemalige Chef der DBP-Telekom Helmut Ricke. Wichtigste Aufgaben von Ricke junior: Die Schulden senken und Marktanteile gewinnen. Dafür muss er entlassen: Bis zu 50000 Telekom-Mitarbeiter sollen gehen, was sofort Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft zur Folge hat.

Im ersten Quartal 2003 zeigt der Sanierungskurs erste Erfolge: Die Telekom erwirtschaftet wieder einen Quartalsgewinn von 650 Millionen Euro - doch diesem stehen mehr als 50 Milliarden Schulden gegenüber. Bezüglich des Gesamtjahres spricht CEO Ricke später trotz eines Schuldenstands von immerhin noch 49 Milliarden Euro - mehr als so mancher Staatshaushalt - vom Turnaround. Das Gesamtunternehmen gibt sich das schöne Leitbild: "Qualität, Effizienz und Innovation".

Gleichzeitig werden Call Center zusammengelegt und der Service an externe Dienstleister ausgelagert. Wer in die Mühlen der Service-Warteschleifen gerät oder als Landbewohner um einen DSL-Anschluss barmt, fragt sich, ob das Motto als Utopie gemeint ist. Die Konzerntochter T-Online gerät wegen des unbefugten Speicherns von Kundendaten ins Gerede und erhält den Big Brother Award.

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