Die schönste Nebensache

05.07.2007
Von Herbert Lefering
In der heutigen Folge unserer Serie "Geschichten aus dem Channel" erzählt Herbert Lefering, dass Fußball nicht immer alle Herzen höher schlagen lässt.

In der IT-Branche war und ist Tobit immer noch als eines der besten Marketingunternehmen bekannt. Wer war nicht schon einmal auf einer der legendären CeBIT- oder Systems-Partys? Oder wer erinnert sich noch an die Messestände aus Ytong-Steinen?

Schon während meiner Anfangszeit im Jahr 1993 war ich begeistert von den tollen Aktionen, die Distributoren, Fachhändlern und Endkunden gleichermaßen geboten wurden. 1994 wurde den Fachhändlern zum Beispiel ein supergünstiges Zehnerpaket "Time LAN" angeboten, als Bonbon gab es ein brandaktuelles Mountainbike. Das einzig Aufwändige an der Aktion war der Versand der Fahrräder - denn nicht wenige haben das Lager von Tobit verlassen.

Tobit hat auch immer sehr erfolgreich sogenannte Spiff-Tage bei den Distributoren durchgeführt. Meine Lieblingsaktion dabei war die "Ballon-Aktion". Pro verkauftem Paket (zum Beispiel FaxWare oder auch Time LAN) konnte der erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter einen der vielen an der Decke schwebenden schwarzen Luftballons zerplatzen lassen. In einem bestimmten Verhältnis waren dort 10-, 20-, 50- oder auch 100-DM-Scheine enthalten, Nieten gab es nicht. Nur der jeweils erste Gewinner bekam den einzigen markierten Luftballon, der den ersten 100-DM-Schein enthielt. Und spätestens dann startete die große Abverkaufsparty der Tobit-Produkte. Teilweise wurde dabei bei diesem speziellen Distributor in einem Tag mehr Umsatz generiert als sonst in zwei bis drei Monaten zusammen.

Fußball nicht für jedermann

Eine andere Aktion haben wir einmal bei Actebis in Soest durchgeführt. Zu der Zeit hatte Swatch eine brandneue Serie von relativ preiswerten, aber tollen Uhren herausgebracht. Insgesamt gab es sechs verschiedene Modelle. Jeder Vertriebler, der ein FaxWare-Startpaket gleich welcher User-Zahl verkaufte, konnte sich direkt eine Swatch abholen. Es gab keine Limits, sodass die Mitarbeiter sich beim nächsten Verkauf einfach eine andere Swatch-Uhr ausgesucht haben.

Unserem damaligen Hardwarepartner ITK (jetzt Digi, wenn ich das richtig in Erinnerung habe) haben wir seinerzeit eine Beteiligung an dieser Aktion vorgeschlagen, aber man wollte mit einer eigenen Geheimwaffe (sprich: besseren Spiff-Aktion) aufwarten. Der damalige Verantwortliche (Melde Dich mal wieder, Thomas!) erklärte mir voller Vorfreude vor Ort diese Aktion: Die drei Top-Verkäufer des Tages (gemessen am Umsatz) für ITK-Produkte würden zum Fußballbundesligaspiel Dortmund gegen Schalke in die VIP-Lounge im Westfalenstadion eingeladen werden.

Meine Skepsis, bezogen auf die zwei wichtigsten Kernpunkte, habe ich ihm direkt mitgeteilt:

1. Mindestens die Hälfte der Vertriebsmannschaft bei Actebis waren seinerzeit Frauen (was ich grundsätzlich als sehr angenehm empfunden habe). Nicht grundsätzlich, aber zu einem extrem hohen Prozentsatz, sind Frauen nur bedingt für Fußball zu begeistern.

2. Die Mehrheit der Vertriebsmitarbeiter bei Actebis wusste, wer die Top-ITK-Verkäufer sind, und machte sich folglich trotz eventuell starkem Interesse keine Hoffnungen, den Bonus zu erhalten. Folglich konzentrierten sie sich lieber darauf, die eine oder andere Swatch-Uhr zu ergattern.

Es kam, wie es kommen musste. Zwar hat auch ITK an diesem Tag eine nicht unerhebliche Umsatzsteigerung hinbekommen (allerdings eher bedingt durch die interessanten Bundles mit den Tobit-Produkten), aber im Vergleich zur Tobit-Aktion war der Top-Knüller Dortmund : Schalke eigentlich komplett nebensächlich. Mehr als 150 Swatch-Uhren haben seinerzeit neue Besitzer gefunden. Verkäufer, die den ganzen Tag nichts verkauft haben, haben bis zum Schluss gekämpft, da bis zum letzten Anruf die Chance auf eine Swatch-Uhr gegeben war. Bei ITK haben die meisten bereits vor Start der Aktion die Segel gestrichen.

Schlussendlich haben die tollen Tobit-Aktionen aber auch zu "Gegenreaktionen" bei den Distributoren gesorgt. Die Swatch-Aktion wurde in ähnlicher Form bei Computer 2000 als die berüchtigte "Neid- und Missgunst-Aktion" durchgeführt. Als dort selbst Buchhalter oder Einkäufer versucht haben, FaxWare-Pakete zu verkaufen, hat die Geschäftsleitung ein Spiff-Regelwerk entwickelt. Schade, wir hatten viel Spaß. Und die Vertriebsmitarbeiter liebten Tobit - wegen der Geld- und Sachpreise.

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