Disc Direct: Distributor wirft Endkunden über Bord

14.12.2000
Wenn ein Disti sich aus seinem Endkundengeschäft zurückzieht, kann das nur auf Gegenliebe beim Händler stoßen. Darauf baut auch die auf Grafik-Produkte spezialisierte Karlsbader Disc Direct.

So richtig am Herzen lag das Endkundengeschäft dem Karlsbader Distributor Disc Direct angeblich nie: "Die Leute haben die Bedeutung dieses Bereiches bei uns regelmäßig zu hoch eingeschätzt. Wir waren preislich nie aggressiv genug, um hier große Umsätze zu machen", versichert gegenüber ComputerPartner Niko Henschen, Vorstand der Disc Direct AG. Wie hoch der Anteil des Mailorder-Geschäfts am Gesamtumsatz des auf grafische Peripherie und Software spezialisierten Distis gewesen ist, will der Frontmann aber trotzdem nicht verraten.

Eine Rolle spielt das nun sowieso nicht mehr, hat das Unternehmen diesen Bereich doch jetzt verkauft. Zugegriffen hat die Cancom IT-Systeme AG, ein Anbieter von Desktop-Publishing-Lösungen und Europas größter Apple-Partner. "Mit der Übernahme des Disc-Direct-Mailorder-Geschäfts haben wir ganz klar einen Mitbewerber weniger, der seine Kunden sehr gut betreut und die Ware nicht verramscht hat. Außerdem ergänzen die Nutzer - Grafiker, Agenturen, Verlage - unseren bereits vorhandenen Kundenstamm im professionellen Grafikbereich", erklärt Cancom-Marketing-Leiter Martin Mayr und führt weiter aus: "Wir werden diesen Kunden künftig ein breiteres Portfolio sowie lokalen Service über unsere bundesweiten Niederlassungen bieten."

Mailorder als Marketing-Werkzeug

Doch wieder zurück zu Disc Direct: "Unser Fokus lag von vorneherein auf der klassischen Distribution, das Endkundengeschäft ist historisch mitgewachsen. Wir haben generell ein starkes Endkunden-Marketing gemacht, auch, um damit die Nachfrage bei Händlern zu generieren", erzählt Henschen. Zudem sei die dort angebotene Produktpalette "etwas einäugig" gewesen, "denn wir haben nie komplette Rechner angeboten". Aber jetzt habe man doch klare Fronten schaffen wollen, "denn im Händlergeschäft sehen wir die Zukunft."

Der Vorstand ist auch bereit, dafür einen Beweis zu liefern: "Wir haben einen Händlerbund mit 60 Mitgliedern initiiert, die Professional-Publishing-Partner. Diese schalten beispielsweise gemeinsam Anzeigen in Fachzeitschriften wie der Macwelt, in der auf die einzelnen Unternehmen verwiesen wird." 100 bis 150 Händler zählt der Distributor zu seinem aktiven Kundenstamm, insgesamt sind etwa 3.500 Partner in der Kundendatei gelistet.

Nun wirkt der Name Disc Direct nach wie vor etwas verfänglich für einen Großhändler. Eine Änderung kommt für die Karlsbader jedoch nicht in Betracht: "Nein, da würden wir unsere Geschichte verleugnen, das wollen wir auf gar keinen Fall", meint Henschen energisch. Nur das Wörtchen Distribution füge man jetzt immer hinzu.

Hauseigene Storage-Lösungen

Apropos Historie: 1991 gründete Richard Lesser die Disc Direct GmbH, bei der zunächst Disketten im Vordergrund standen, heute gehören neben Speicher-Modulen und Festplatten auch Peripheriegeräte wie Digitalkameras und Scanner zum Portfolio. "Das Wachstum haben wir jährlich verdoppelt, die Floppys vor zwei Monaten aus dem Portfolio rausgeworfen - auch wenn nach wie vor eine Diskette im Logo wiederzufinden ist", erzählt Henschen.

Seit sechs Jahren gibt es auch eine Disc-Direct-Eigenmarke, und zwar Speicherlösungen unter dem Label "One Technologies". "Diese Produkte sehen wir ganz klar als Kernkompetenz, die wir künftig noch mehr in den Vordergrund stellen werden. Ein ganz großes Thema ist da beispielsweise Storage Area Networks", erläutert Henschen und führt weiter aus: "Prinzipiell verkaufen wir die Veredelung von Produkten, assemblieren zum Beispiel eine Firewire-Festplatte, sprich Gehäuse, Bridge und die entsprechende Software."

Das nächste anstehende Projekt ist ein neuer Online-Auftritt. Bislang sieht die Homepage des Distis nämlich eher dürftig aus. Ein Versäumnis, das nun auf Berufung des Service-Gedankens wett gemacht werden soll: "In drei bis vier Wochen geht ein Shop-System online, das auch an die Warenwirtschaft angebunden ist", will Henschen die gelungene Ankunft seines Unternehmens im E-Business-Zeitalter betonen. (via)

www.cancom.de

www.discdirect.com

DISC DIRECT AG

Facts & Figures

Disc Direct wurde 1991 als GmbH gegründet und im Juni dieses Jahres in eine AG umgewandelt. Das Portfolio des Karlsbader Distributors ist in vier Bereiche aufgeteilt: Grafische Peripherie-Produkte wie Digitale Kameras und Scanner machen 25 Prozent des Umsatzes aus, Gleiches gilt für Software, 20 Prozent haben Speichermodule inne und zu guter Letzt gibt es noch hauseigene Speicher-Lösungen unter dem Namen "One Technologies", die 30 Prozent des Umsatzes erwirtschaften. 100 Millionen Mark soll dieser übrigens in diesem Jahr betragen. Außerdem versichert Vorstand Niko Henschen: "Wir machen Gewinn, auch wenn da das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist." Kommendes Jahr soll der Umsatz um 50 Prozent wachsen, wozu auch die Niederlassungen in Skandinavien, England und Österreich beitragen sollen. Neben Henschen, der für Logistik und Einkauf verantwortlich ist, versammeln sich noch Andreas Neck (Finanzen) und Mads Stroyer (Vertrieb) auf der Vorstandsebene von Disc Direct. (via)

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