Broadliner und der Vertrieb von Geschäftsanwendungen

Distribution und Business-Software

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.

Welche Software für welchen Kunden?

Wolfgang Brehm, Direktor Mittelstand und Distribution bei Microsoft: "Die Windows-8.1-Business-Apps kommen."
Wolfgang Brehm, Direktor Mittelstand und Distribution bei Microsoft: "Die Windows-8.1-Business-Apps kommen."
Foto: Microsoft

"Für den Reseller wird es immer entscheidender, zum Berater des Kunden zu werden - sei es bei der Installation und Wartung der Software, beim richtigen und optimalen Lizenzmanagement oder bei der Entscheidung, ob überhaupt und, wenn ja, welche neue Software eingesetzt wird", sagt Ingram-Micro-Manager Schweck und bricht eine Lanze für den "Trusted Advisor", also für den Reseller der vierten Generation - nach VAR und Systemhaus beziehungsweise -integrator.

Für Stefan Bichler beginnt die Dienstleistung des Resellers bei der Datenmigration, geht über die Anpassung der Software an die Prozesse (oder umgekehrt) und endet bei den klassischen Aufgaben eines Unternehmensberaters. So spürt der Tech-Data-Manager aktuell eine verstärkte Nachfrage der Kunden nach ausgelagerten Lösungen. Als Outsourcer agieren dabei die Hersteller selbst oder eben die dazu befähigten Systemhäuser. Diese agieren dann als sogenannte " Managed-Service-Provider" und hosten die Business-Software des Kunden in eigenen Rechenzentren.

"Best of Need", statt "Best of Breed"

"Aber auch die Idee, viele Einzel- oder Insellösungen in eine zentrale Lösung zu überführen, ist schon sichtbar", meint Bichler und macht damit ein neues Betätigungsfeld für Fachhändler aus. Seiner Ansicht nach weicht der bisherige "Best of Breed"-Trend, also für jede Anforderung die vermeintlich leistungsfähigste Lösung, dem sogenannte "Best of Need". Darunter versteht der Softwareexperte eine Komplettlösung, die nicht alle Anforderungen perfekt abdeckt, aber ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist. Denn die IT-Budgets der Kunden sind begrenzt, was vielen Resellern in der Vergangenheit schmerzhaft bewusst wurde.

Alsos Softwarespezialist Mike Rakowski hat über den Rollout, die Wartung und das Lizenzmanagement hinaus noch eine zusätzliche Geschäftschance für Reseller entdeckt, nämlich die Finanzierung von Softwareprojekten. Selbstredend steht hier der Broadliner Gewehr bei Fuß - etwa mit einem Null-Prozent-Finanzierungs-Angebot auch bei Softwareverkäufen.

Zusatzgeschäft durch das Support-Ende für Windows XP

Was Cross-Selling angeht, plädiert Rakowski für den Verkauf von zur Software passender Hardware. Da könnte sich der Kunde beispielsweise nach der Installation von Windows 8.1 auf den Clients neue mobile Endgeräte (Tablets und Smarthphones) zusätzlich anschaffen. Angesichts der geringen Marktanteile von Windows in diesen Marktsegmenten dürfte sich dieses Anliegen aber als etwas schwierig erweisen. Mit neuen UCC-Systemen (Unified Communication und Collaboration) wiederum könnte es schon eher klappen, etwa wenn der Kunde merkt, dass seine Anwender mit den neuen mobilen Endgeräten von unterwegs aus produktiver arbeiten als mit den herkömmlichen Notebooks.

Die Idee, viele Einzel- oder Insellösungen in eine zentrale Lösung zu überführen, ist schon sichtbar.
Die Idee, viele Einzel- oder Insellösungen in eine zentrale Lösung zu überführen, ist schon sichtbar.
Foto: Anatoly Maslennikov - Fotolia.com

Laut Schwecke von Ingram Micro birgt vor allem die Windows-XP-Ablösung ein Riesenpotenzial für zusätzliche Verkäufe im Hardwaresektor: "Gerade jetzt, wo Microsoft die Support-Leistungen bei Windows XP beendet, hat der Reseller die Möglichkeit, Altsysteme abzulösen und auf die neuen Technologien zu setzen. Viele der aktuellen Business-Software-Versionen funktionieren unter Windows XP gar nicht mehr oder nur sehr fehlerhaft. Außerdem verlangen viele Softwareapplikationen eine optimale Netzwerkinfrastruktur, um alle Vorteile optimal ausspielen zu können. Hier ergibt sich noch sehr viel Potenzial für den Reseller", glaubt der Ingram-Micro-Mann.

Studie von insalcon

Die Zukunft der Software liegt ohnehin in der Cloud, da sind sich die drei Broadliner ausnahmsweise mal alle einig. Nur über den Zeitpunkt, wann die Software "komplett aus der Steckdose kommt", herrscht noch Ungewissheit. "Die Vertriebs- beziehungsweise Lizenzmodelle entwickeln sich immer weiter in Richtung Cloud", da ist sich Mike Rakowski von Also ganz sicher. Er nimmt aber an, dass es noch eine längere Zeit beide Softwarebezugskonzepte (on- und offline) geben wird. "Viele Unternehmer haben Bedenken, ihre Daten, also ihr Kapital, in die Cloud, in fremde Hände, zu geben. Andere Kunden wiederum wollen von der Wirtschaftlichkeit, der Flexibilität und den Kostenersparnissen der Cloud-Dienste profitieren."

Reine On-Premise-Lösungen wird es noch lange geben, glaubt auch Stefan Bichler von Tech Data. Seiner Erfahrung nach ist die Anpassung einer Software in der Cloud nur mit sehr hohem Aufwand oder vielleicht gar nicht möglich. SAPs Eingeständnis, die Entwicklungskapazitäten für die eigene mittelstandstaugliche ERP-Cloud-Sofware "Business by Design" zu drosseln, bestätigt Bichler in seiner Einschätzung. Außerdem sind CRM- und ERP-Daten vielen Kunden immer noch heilig, da sie oft das einzige Kapital dieser Unternehmen bilden - so etwas gibt keiner gerne aus der Hand.

Klassische Software und Apps

Für den Ingram-Micro-Manager Thorsten Schwecke wird die Bedeutung der Software beim Kunden hingegen abnehmen: "Viele Unternehmen sehen die Business-Software nicht mehr als Anlagevermögen, sondern lediglich als Mittel zum Zweck. Daher wollen sie nur so viele Lizenzen oder Produkte nutzen und anschaffen, wie sie aktuell brauchen. Daher gehen wir davon aus, dass es weiterhin zu Veränderungen in den unterschiedlichen Arten der Lizenzformen kommen wird. Die Zukunft wird jeglicher Art des zeitlichen Mietens, sei es aus der Cloud oder durch andere Formen, gehören." Man könnte dies auch als einen Reifeprozess für die Software betrachten. Sie ist endlich "erwachsen" geworden, und dieser "Rohstoff" könnte in Zukunft von den Kunden ähnlich einfach bezogen und abgerechnet werden wie Strom, Heizung und Wasser.

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