Kommentar zur Zukunft des B2B E-Commerce

E-Commerce für B2B hat bald ausgedient - oder?

Volker Boelsch blickt auf über 25 Jahre Erfahrung in Unternehmenssoftwareprojekten zurück - in den Neunzigern für Oracle, später für Compuware und die Freiburger OXID eSales AG. Der Autor betreibt seit einigen Jahren eine Content- und SEO-Agentur. Als zentrale Themen haben sich dabei die Finanz- und Anlagenwelt herausgebildet, neben Online-Business und persönlicher Weiterentwicklung. Sein Herz schlägt aber immer noch für den Vertrieb, wie er auch in seiner jüngsten Veröffentlichung "Das Driver-Prinzip" betont.

Wie E-Commerce zuerst die Verbraucherwelt, dann auch B2B erobert hat, ist allerorts zu lesen - auch aus meiner Feder hier bei den IDG-Experten. Wir wagen heute einen Blick auf das, was noch kommen wird.

Sicher gibt es noch den einen oder anderen, für den B2B im E-Commerce bedeutet, Produktpreise in netto anzugeben. Für die anderen allerdings heißt 'B2B', dass den Online-Kunden ein gehöriger Mehrwert angeboten wird:

  • Im B2B bestellt nicht ein Mensch für sich, sondern viele Menschen für ein Unternehmen. Diese Menschen haben unterschiedliche Berechtigungen. So zum Beispiel bei der Höhe der Bestellbudgets. Und für Überschreitung dieser muss es einen Genehmigungsworkflow geben.

  • Für umfangreiche Bestellungen muss ein Bestellformat in Listenform vorliegen, sei es als Online-Liste, in die der Kunde Bestellnummer und Menge einträgt, oder sei es als Upload einer eigenen Tabelle direkt in den Warenkorb.

  • B2B-Kunden haben ihre eigenen Rabatte, Zahlungsziele, Kreditrahmen bis hin zu vollständig individuellen Preislisten.

  • Regelmäßig wird erwartet, daß man auf der Bestelloberfläche eines Anbieters auch auf die Kataloge anderer Anbieter zugreifen kann ("Punch-Out").

  • Unternehmen setzen beim Einkauf eigene Bestellsysteme ein, die über eine Schnittstelle an den Online-Shop des Anbieters angebunden sind. Einkauf geschieht hier durch Maschine-Maschine-Kommunikation.

Nicht der Einkäufer ordert im Onlineshop, sondern das IT-System des Einkäufers verhandelt die Konditionen und kauft ein - oder auch nicht. Ist das die Zukunft?
Nicht der Einkäufer ordert im Onlineshop, sondern das IT-System des Einkäufers verhandelt die Konditionen und kauft ein - oder auch nicht. Ist das die Zukunft?
Foto: aodaodaodaod - shutterstock.com

Die Liste ließe sich fortsetzen, jedoch geht es gerade gar nicht um den Umfang der Möglichkeiten im B2B-E-Commerce, sondern um die Tendenz, die dabei ins Auge sticht: die immer mehr fortschreitende Automatisierung des Beschaffungswesens.

Die Automatisierung wird etablierter Standard.

Die globale Vernetzung wird der Automatisierung einen weiteren Schub geben. Indem immer häufiger immer mehr Maschinen miteinander kommunizieren, werden die Prozesse bis ins Übermenschliche beschleunigt.

Die Bestellkanäle werden nicht mehr vorgegeben, sondern von Maschinen in Echtzeit anhand komplexer Algorithmen ausgewählt. Preise und Konditionen werden von Rechnern ausgehandelt und der Bedarf des Handels und der Industrie werden ohne Zutun des Menschen gedeckt, und dies in einer Genauigkeit und Geschwindigkeit, die kein Mensch aufbringen könnte. Die dabei zugrundeliegenden Algorithmen werden durch die Maschinen ständig weiter verbessert und verfeinert.

Die intelligenten Systeme, die an diesem automatisierten Handel beteiligt sind, werden durch die engmaschige Kommunikation miteinander lernen und wachsen. Wir werden dadurch der Singularität in einem Tempo näherkommen, das vorher undenkbar war. Und so wird die erste künstliche Denkmaschine, die zur Selbsterkenntnis gelangt, nicht von Industrie oder Militär geschaffen, nicht in Labors und Fakultäten entstehen, sondern eine unausweichliche Konsequenz moderner Handelsplätze sein.

Das mag sich nun lesen wie ein Stück aus einem Science-Fiction-Film. Aber keine Bange: dies liegt alles noch in der Zukunft. Und die heutigen Winner im E-Commerce werden sich rechtzeitig auf die richtige Seite zu schlagen wissen - und benennen sich um in Cyberdyne Systems.

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