Prozessdigitalisierung

Erfolg im Mittelstand mit Industrie 4.0

05.06.2015
Von Bertram Geck

Herausforderungen in der Umsetzung

Aus dem VDE-Trendreport 2015 gehen als größte Barrieren im Hinblick auf die Ausbreitung von Industrie 4.0 in Deutschland folgende Faktoren hervor:

  • Fragen der IT-Sicherheit

  • Fehlende Normen und Standards

  • Hohe Investitionskosten und Komplexität

  • Migrationsprobleme von klassischer Industrie zu Industrie 4.0 sowie unzureichende branchenübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit

  • Fehlende Anwendungsfälle sowie Geschäftsmodelle

  • Nicht ausreichend leistungsfähige Informations- und Kommunikationsinfrastruktur

Diese Herausforderungen zu meistern und alle bestehenden Schwachstellen vollständig zu beheben ist sicherlich nicht einfach. Doch können netzwerkübergreifende Standards eine gute Grundlage dazu bieten, Vorgehensweisen zu standardisieren und den Verantwortlichen einen erprobten Handlungsleitfaden zu liefern.

Typische IT-Systeme in der heutigen Produktion sind beispielsweise das ERP für die Produktionsplanung, das PLM für die Produktverwaltung und das SPS für die Produktionssteuerung. Einige Funktionen dazu liegen ausgelagert in einem Manufacturing Execution System (MES). Eine auftragsorientierte und dezentral gesteuerte Produktion wird dies radikal verändern und einen anderen Funktionsumfang aufweisen.

Die zweite Veränderung ist vielleicht sogar noch bedeutender, denn sie betrifft den Umgang mit erfassten und berechneten Informationen. Wertschöpfungsketten über Firmengrenzen hinweg sind mit der Notwendigkeit eines schnellen und abgesicherten Austauschs großer Datenmengen verbunden.

Eine wichtige Voraussetzung für die Transformation ist hier beispielsweise, dass die Digitalisierung von Prozessen und Abläufen die Kenntnisse über diese zu digitalisierende Prozesse und Abläufe voraussetzt. Ein Enterprise-Architektur-Management bietet eine gute Übersicht und kann dabei exzellente Dienste leisten.

Lösung durch Modelle

Der Mittelstand steht bei der Digitalisierung diversen Herausforderungen gegenüber. Die Prozesse müssen aufgenommen und dokumentiert werden, damit sie digitalisiert werden können. Neue Geschäftsmodelle erfordern eine große Offenheit und Akzeptanz neuer Denkansätze und das Abweichen der bekannten Wege.

Industrie 4.0 Projekte sind in der Regel keine Projekte, die auf der grünen Wiese starten, sondern haben meist einen großen Anteil an Legacy-Systemen, die eingebunden werden müssen.

Gerade der Mittelstand leistet sich keine personell großzügig ausgestatteten Prozessorganisationen und ist auf Standardabläufe angewiesen. Somit wird er solche standardisierten und pragmatischen Ansätze bevorzugen.

Modelle können hierbei unterstützen, den anstehenden Paradigmenwechsel aktiv mitzugestalten. Die Herausforderung der Integration von Partnern und Lieferanten, sowie der Maschinen und Systeme kann erst mit Hilfe von Modellen systematisiert werden.

Drei große Bereiche werden über die Modelle abgedeckt und dokumentiert

  1. Prozesse, um die Abläufe zu kennen, die man einsetzen muss. Nicht nur innerhalb der eigenen Abteilung, sondern zwischen Maschinen, Mitarbeitern, Partnern, Tools und Kunden.

  2. Enterprise Architektur stellt die Zusammenhänge der Organisation, der Ziele, der Infrastruktur und der Prozesse dar.

  3. Daten sind die Grundlage für den unternehmerischen Erfolg, denn die Produktionsdaten werden zu Produktdaten und Produktlebenszyklusdaten. Sie steuern die Abläufe vor, während und nach der Fertigung. Sie müssen in Echtzeit aufgenommen und verarbeitet werden.

Der Mittelstand benötigt pragmatische Ansätze, die hohe Synergie bieten. Jürgen Leuschel empfiehlt den Dienstleistern daher sich auf die heterogene Toollandschaft der Unternehmen vorzubereiten und Fähigkeiten aufzubauen, um toolagnostisch beraten zu können. Dabei helfen Analyseplattformen, die unabhängig von der beim Unternehmen eingesetzten BPM- oder EA-Landschaft die Informationen einsammeln und auswerten können.

Standardisiertes Vorgehen zur Einführung von Industrie 4.0

Prinzipiell lässt sich ein typischer Umsetzungsansatz definieren, der sich schon in anderer Form seit Jahren bewährt hat, so Jürgen Leuschel von der MID GmbH.

Ein allgemeines Vorgehen beinhaltet folgende 2 Schritte:

1. Bestandsaufnahme

Zu Beginn erfolgt ein Assessment, um die Ausgangslage zu ermitteln. Relevante Ergebnisse in folgenden Bereichen sind benötigt:

  • Enterprise Architektur

  • Geschäftsprozesse und Workflows

  • Datenmanagement

2. Definition der einzelnen Abstraktionsebenen, die aufeinander aufbauen.

  • Festlegung der Strategie
    Die Strategie beschreibt die Vision, wie sich das Unternehmen für den Bereich Industrie 4.0 aufstellt. Wenn es um die Strategie für Industrie 4.0 geht, ist eine Frage, ob die Intelligenz im Endprodukt für den Kunden oder in der Fertigung liegt.

  • Definition der Ziele
    Bei den Zielen sucht man nach Potenzialen, die man umsetzen möchte. Beispiele dafür sind die Wartungskostenreduktion, Energiekostenreduktion oder Kundenzufriedenheit erhöhen.

  • Analyse des Geschäftsmodells
    Mit dem Ziel der Wartungskostenreduktion kann man nun einen Business Case rechnen. Dazu sind geeignete Annahmen zu treffen.

  • Maßnahmen
    Aus den Annahmen und Zielen kann man nun Maßnahmen ableiten. Diese Maßnahmen des Industrie 4.0 Programmes können nun gegen das Stärken-/Schwächenprofil aus dem Assessment abgeglichen werden. Diese Maßnahmen werden in Cluster aufgeteilt und nach Priorität ausgewählt.

Abstraktionsebenen zu Industrie 4.0-Planung
Abstraktionsebenen zu Industrie 4.0-Planung
Foto: gebeConsult GmbH

Erfolgsfaktoren

Für eine nachhaltige Umsetzung eines Industrie 4.0 Programms sind die folgenden Erfolgsfaktoren zu beachten:

  • Etablierung von Industrie 4.0 als Management-Aufgabe

  • Standardisiertes und prozessorientiertes Vorgehensmodell

  • Einheitliches Vorgehensmodell für eine kontinuierliche Verbesserung und zur Steigerung von Effizienz und Effektivität.

  • Ausprägung und Umsetzung der Architekturprinzipien.

  • Prozess- beziehungsweise Fachdomänen-Verantwortung an Stelle Applikations-Verantwortung.

  • Definition, Festlegung und fortlaufende überprüfung von Kosten- und Nutzenparametern durch KPIs.

  • Ersteinstieg in Teilbereichen bzw. Abteilungen auf Basis des geplanten Gesamtmodells.

Durch das Assessment hat das Unternehmen den Vorteil auf einen Prozessrahmen blicken zu können, anhand dessen schnelle Bewertungen und Umsetzungsempfehlungen erstellt werden können. Während bislang aus Erfahrungen und Bauchgefühlen entschieden wurde, kann nach der Prozess-, Daten und Architekturaufnahme das Bauchgefühl durch Zahlen begründet werden.

Fazit:

Der Mittelstand profitiert mehr als nur technologisch von der Industrie 4.0 Bewegung. Durch die Digitalisierung können auch in Produkten, Prozessen und Organisation erhebliche Effizienzsteigerungen vorgenommen werden.

Die erfolgreiche Umsetzung benötigt ein gutes Business-Process-Management (BPM), Enterprise-Architektur-Management (EAM) und Daten-Management, welches schlank und toolagnostisch sein sollte. (bw)

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