EU-Abgeordnete: Schneider-Urteil muss Konsequenzen haben

12.07.2007
BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Entscheidung eines Gemeinschaftsgerichts erstmals einem Unternehmen Schadenersatz aufgrund einer fehlerhaften wettbewerbsrechtlichen Entscheidung der EU-Kommission zuzugestehen, wirft nach Auffassung von Europaabgeordneten rechts- und haushaltspolitische Fragen auf.

BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Entscheidung eines Gemeinschaftsgerichts erstmals einem Unternehmen Schadenersatz aufgrund einer fehlerhaften wettbewerbsrechtlichen Entscheidung der EU-Kommission zuzugestehen, wirft nach Auffassung von Europaabgeordneten rechts- und haushaltspolitische Fragen auf.

Der rechtspolitische Sprecher der christdemokratischen Fraktion (EVP-ED), Klaus-Heiner Lehne und seine Parteikollegin Ingeborg Gräßle, wollen in einer schriftlichen Anfrage an die Kommission auch wissen, ob sie die 2002 absehbare Schadenersatzzahlung von bis zu 400 Mio EUR bei ihrer Haushaltsplanung berücksichtigt hat. In ihrem Jahresbericht 2006 habe sie jedenfalls nicht auf das Risiko hingewiesen und sei damit möglicherweise ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament nicht nachgekommen.

Die beiden CDU-Abgeordneten wollen zudem wissen, wer für die Rechtsfehler bei der Beurteilung des Zusammenschlusses der beiden französischen Elektrokonzerne Schneider und Legrand "einschließlich einer persönlichen Haftung" zur Verantwortung gezogen werden soll. Auch soll die Kommission erklären, wie sie derartige Fehler in Zukunft ausschließen will. Das Urteil habe "gravierende" Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der europäischen Fusionskontrolle, stellen Lehne und Gräßle fest.

Das Europäische Gericht hat am 11. Juli in erster Instanz entschieden, dass Schneider der erlittene Schaden aus dem Zusammenschlussverbot mit Legrand teilweise zu erstatten ist. Ein Gutachter soll den Betrag ermitteln. Schneider hat 1,6 Mrd EUR verlangt. In der Kommission wird letztendlich mit einer Zahlung von bis zu 400 Mio EUR gerechnet.

Bei Gericht ist eine weitere Klage auf Schadenersatz des Reiseunternehmens My Travel anhängig, dem die Kommission den Zusammenschluss mit dem Konkurrenten First Choice untersagt hatte. Die von My Travel im Juni 2003 eingeklagte Summe wird vertraulich behandelt und ist in veröffentlichten Dokumenten nicht erwähnt. In dem Fall hat es bislang nicht einmal eine mündliche Verhandlung gegeben.

Grundsätzlich ist eine Schadenersatzklage gegen Entscheidungen der EU-Kommission - und das bezieht sich nicht nur auf Fusionsverbote - bis zu fünf Jahre nach einem schädigenden Ereignis möglich. 2002 und 2003 wurden keine Zusammenschlüsse von Unternehmen untersagt. Seit dem Amtsantritt von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes im Herbst 2004, wurde zwei geplanten Zusammenschlüssen eine Absage erteilt: zwei portugiesischen Energieunternehmen sowie erst vor kurzem der Übernahme von Air Lingus durch Ryanair. In letzterem Fall sei die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Schadenersatzklage sehr hoch, heißt es in der Kommission. -Von Angelika Steinfort, Dow Jones Newswires; 32 2 7411490,

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DJG/ang/kth

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