"Wall Street Journal"

EU schiebt Kartellklage gegen Google an

Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Seit fünf Jahren ermittelt die EU-Kommission jetzt schon wegen möglicher Wettbewerbsverstöße gegen Google. Jetzt kommt neuer Schwung in die Sache.

Das "Wall Street Journal" berichtet unter Berufung auf Insider, die Brüsseler Wettbewerbshüter wollten "in den nächsten paar Wochen" gegen Google aktiv werden. Die schon jahrelange Ermittlung der Kommission war zwischendurch mehrfach ins Stocken geraten und hatte massive Lobbyarbeit von sowohl Google als auch dessen Gegnern induziert.

Die Kommission habe mehrere Unternehmen um Erlaubnis gebeten, ihre bislang vertraulichen Beschwerden gegen Google teilweise veröffentlichen zu dürfen. Unter anderem wurden Firmen aus den Bereich Shopping, lokale Suche und Reisen um entsprechende Einwilligungserklärungen gebeten, berichteten verschiedene Informanten des "WSJ".

Kartellrechtsexperten werten das als deutliche Anzeichen dafür, das eine formale Kartellklage in Arbeit sei. Diese wäre das größte Verfahren der EU seit dem vor einem Jahrzehnt begonnenen juristischen Feldzug gegen Microsoft, das bis zum Jahr 2012 insgesamt 1,7 Milliarden Euro an die Union zahlen musste.

Das "Journal" weist ausdrücklich daraufhin, dass es im Falle von Google auch jederzeit zu einem Vergleich kommen könnte, bei dem der kalifornische Internetriese so weitreichende Konzessionen machen könnte, dass die Sorgen der Kommission ausgeräumt wären, Google würde seine dominierende Marktpositionen auf dem Europäischen Markt missbrauchen.

Zu diesem Schluss war die Kommission in einer "vorläufigen Sicht" im März 2013 bereits in allen vier seinerzeit untersuchten Punkten gekommen. Google seinerseits hat alle diesbezüglichen Vorwürfe stets zurückgewiesen. Erst in der vergangenen Woche hatte Googles Generaljustiziar in Berlin eine "schmerzvoll lange Liste erfolgloser Google-Produkte" - darunter Google+ und Street View in Deutschland - als Beweis dafür angeführt, dass die Wettbewerbsgesetze doch wie gewünscht funktionierten.

Die neue EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat in der Vergangenheit schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass sie rechtliche Klarheit durch ordentliche Verfahren ausgedealten Vergleichen in jedem Fall vorzieht. Vestager plane "den Fall in relativ kurzer Zeit voranzutreiben", zitiert das "Wall Street Journal" eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle.

Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia hatte drei Mal vergeblich versucht, eine Einigung mit Google zu erreichen, zuletzt im vergangenen Jahr. Anders als Vestager sah der Portugiese in der sich schnell wandelnden Internet-Landschaft einen Vergleich als geeigneter an als einen potenziell langwierigen Prozess. Speziell über das dritte Scheitern hatten sich große Medienkonzern wie Axel Springer und auch der Eigentümer des "WSJ", die News Corp. von Rupert Murdoch, beschwert. Aus ihrer Sicht treibt Google seine Nutzer systematisch immer stets nur auf die eigenen Web-Properties.

Zuletzt habe es keine Gespräche zwischen Google und der Kommission mehr über einen Vergleich gegeben, schreibt das Blatt weiter. Sollte es zu einem Verfahren und einer Verurteilung kommen - die Kommission agiert in solchen Fällen als Strafverfolger, Richter und Jury in einem -, drohte Google im schlimmsten Fall eine Geldstrafe in Höhe von zehn Prozent seines Jahresumsatz. Der betrug zuletzt 66 Milliarden Dollar. Gegen eine Entscheidung könnte Google vor dem EU-Berufungsgericht in Luxemburg in die Berufung gehen. Die dortigen Richter haben in der Vergangenheit aber nur sehr selten eine Entscheidung aus der Kommission revidiert.

Zur Startseite