FOKUS: Börsianer erwarten ruhiges IPO-Geschäft im 2. Halbjahr

30.06.2008
Von Rüdiger Schoß DOW JONES NEWSWIRES

Von Rüdiger Schoß DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--Mit GK Software und SMA Solar sind nach den monatelangen Marktturbulenzen in den vergangenen Tagen wieder zwei Börsengänge in Frankfurt geglückt. Auch für das IPO der Deutschen Bahn im Herbst sind die Weichen gestellt. Börsianer blicken dennoch mit Skepsis auf die weitere Entwicklung des IPO-Marktes. Wenige Wochen vor der Sommerpause haben Beobachter das erste Börsenhalbjahr bereits abgeschrieben.

Für die Banker steht fest: Die Finanzmarktkrise wird das IPO-Geschäft auch im zweiten Halbjahr belasten. 2008 wird in Sachen Börsengänge nicht mit 2007 vergleichbar. Schätzungen zur Zahl variieren von Haus zu Haus, doch mehr als ein Dutzend Neuerscheinungen auf dem Parkett erwartet niemand. Unter Berücksichtigung der schon bekannten Vorhaben rechnet die WestLB für das zweite Halbjahr noch mit etwa zwölf Börsengängen.

In ähnlicher Größenordnung denkt Jörg Schröder, der bei HSBC Trinkaus für den Bereich Equity Capital Markets (ECM) verantwortlich ist: "Für das Gesamtjahr erwarte ich bis zu 10 IPOs im regulierten Markt". Vorsichtiger ist Ute Gerbaulet, die den Bereich ECM der Commerzbank leitet. Sie schätzt die Zahl auf "5 bis 7, maximal 10".

Entsprechend gering wird auch das gesamte Emissionsvolumen für 2008 ausfallen. Zwar steht im Spätherbst noch der Börsengang der Deutschen Bahn an, dem Experten ein Volumen von bis zu 6 Mrd EUR zutrauen, wenn der Konzern nicht sogar noch das Kapital erhöht. Doch selbst mit diesem Großvorhaben, dem größten seit dem Börsengang der Deutschen Post im Jahr 2000 mit 5,8 Mrd EUR, bliebe die Emissionsbilanz wohl unter jenen 7,8 Mrd EUR aus dem Jahr 2007. Im Rekordjahr 2000 waren gar Aktien neuer Unternehmen in einem Gesamtvolumen von 26,56 Mrd EUR platziert worden.

Abgesehen von der Bahn werden lediglich vergleichweise kleine Börsengänge erwartet: "Nach der Sommerpause könnten wir auch weitere Werte aus dem Solarbereich sehen, wie Schott Solar oder Solarwatt. Daneben halten wir einige weitere Neuemissionen aus dem Bereich TMT, wie von Devil (IT-Distribution), Navigon (Navigation) oder Springer SBM (Medien) für möglich", heißt es bei der WestLB.

Experten raten börseninteressierten Unternehmen in der aktuellen Marktsituation auch zur Zurückhaltung. IPO-Berater Axel Haubrok etwa empfiehlt Unternehmen, die anders als die Solarbranche keine Sonderkonjunktur haben, lieber mit der Handelsaufnahme abzuwarten: "Die Werte anderer Branchen dürften auf Desinteresse treffen."

Ähnlich urteilt die WestLB: Börsengänge aus der Immobilien- und Finanzbranche, die von den Folgen der Kreditkrise oder Inflationsängsten stark betroffen sind, hält die Landesbank 2008 für "kaum mehr möglich." Dass außer der Bahn noch ein Großkonzern die Notierung sucht, sei nur zu erwarten, falls sich die Stimmung nach der Sommerpause "nachhaltig aufhelle".

Die als Börsenaspiranten bekannten Namen wie Talanx, HSH Nordbank, Kion, Manroland oder Deutscher Annington sieht ein Insider aus dem Emissionsgeschäft für 2008 aber nicht am Parkett: "Es wird keiner kommen, weil sich die Bewertungsniveaus stark abgeschwächt haben. Da stellt sich die Frage, ob ein Börsengang attraktiv ist", sagte der IPO-Experte Dow Jones Newswires.

Für Christof Schramm, der für die Agentur Pleon die Finanzkommunikation zahlreicher Unternehmen betreut, steht fest, dass sich für eine Trendwende am IPO-Markt die Grundeinstellung der Investoren ändern muss. "Man bekommt keinen Termin, sich überhaupt vorzustellen. Da müssen erst einmal Türen aufgehen und die Investoren Willens sein, wieder zu investieren."

Rechtsanwalt Peter Nägele von der auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei Mayer Brown kennt eine ganze Reihe von Gründen, die Anleger vor Neuemissionen zurückschrecken lassen. "Die Kurse sind aus Sicht der Investoren zu volatil und es ist unklar, ob in Folge von Subprime-Krise, Rezessions- und Inflationsfurcht oder EZB-Zinsentscheidungen der DAX nicht noch weiter zurückgehen und das Umfeld weiter eintrüben wird", sagt Nägele. Seit Jahresbeginn hat der deutsche Standardindex rund 20% an Wert verloren.

"Die einzig wirkliche Voraussetzung für eine Erholung ist eine halbwegs stabile Börse über mindestens zwei Monate", glaubt Falko Bozicevic, der Chefredakteur des Magazins Going Public. "Sonst geht es weiter wie im ersten Halbjahr."

Die IPO-Bilanz der ersten sechs Monate ist ernüchternd: Mit zusammen 372 Mio EUR Emissionvolumen sind GK Software AG und SMA Solar Technology AG die bislang einzigen Börsenneulinge im Prime Standard. Im Entry Standard kam Ropal Europe AG auf 6 Mio EUR. Nach der Statistik der Deutschen Börse betrug spielten im ersten Halbjahr vergangenen Jahres 19 Börsengänge im Prime Standard noch rund 3,38 Mrd EUR ein.

Der deutsche IPO-Markt sieht damit nicht schlechter aus als Europa insgesamt. Nach der jüngsten Erhebung des Marktanalyse-Instituts DealLogic sank das Emissionsvolumen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika im ersten Halbjahr auf 15,5 Mrd von 60,6 Mrd USD. Geschönt wird die magere ECM-Gesamtbilanz etwas durch den hohen Kapitalbedarf von Banken wie Royal Bank of Scotland und UBS oder anderer Konzerne wie Imperial Tobacco: Insgesamt ging das ECM-Volumen im ersten Halbjahr nur auf 140,8 Mrd von 181,8 Mrd EUR zurück.

"Kapitalerhöhungen sind momentan einfacher als Börsengänge zu platzieren, weil die Unternehmen eine erfolgreiche Bilanzgeschichte vorweisen können", urteilt Commerzbank-Managerin Gerbaulet.

Jörg Schröder von HSBC Trinkaus warnt deshalb davor, die jüngsten Börsengänge überzubewerten: "GK Software musste die Spanne deutlich senken und das IPO verschieben, bevor das Debut geglückt ist."

-Von Rüdiger Schoß, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 117, ruediger.schoss@dowjones.com DJG/rso/kgb/rio

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