FOKUS: Finanzmarkt begrüßt Löschers Ernennung zum Siemens-CEO

21.05.2007
Von Alexander Becker

Von Alexander Becker

Dow Jones Newswires

MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Siemens AG steht vor einem Traditionsbruch: Mit Peter Löscher wurde erstmals in der 160-jährigen Unternehmensgeschichte ein externer Manager ohne Siemens-Erfahrung in die Konzernführung berufen. Analysten und Investoren bewerten die Ernennung des Pharmamanagers grundsätzlich positiv. Sie rücken vor allem den weiteren Konzernumbau bei Siemens in den Fokus.

Am Aktienmarkt wurde der nun zwölfte Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Technologiekonzerns mit Vorschusslorbeeren begrüßt. In einem gut behaupteten Marktumfeld legte die Siemens-Aktie offenbar auch beflügelt von positiven Analystenkommentaren am Vormittag rund 1% zu und gehörte zu den drei größten Gewinnern im DAX.

Mit 93,43 EUR notierte das Papier auf einem Niveau, das die Aktie seit über 6 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Bereits am Freitag hatte die Aktie angesichts der sich abzeichnenden Lösung der Führungsfrage mehr als 4% zugelegt.

Zahlreiche Analysten sehen für die Aktie nun weiteren Spielraum nach oben. So hoben die Experten der Citigroup angesichts der nun gelösten Führungsfrage ihr Kursziel auf 110 EUR von 95 EUR und bestätigten ihr Buy-Rating. Demnach sei die offene Führungsfrage schneller als erwartet gelöst worden.

Der 49-jährige Löscher verfügt über eine umfasssende internationale Arbeitserfahrung und übernimmt den Posten am 1. Juli vom derzeitigen Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfelds. Die Analysten von Societe General verweisen darauf, dass die Ernennung Löschers viel Unsicherheit von Siemens nehme. Der Markt könne sich nun wieder auf die verbesserte operative Entwicklung des Unternehmens sowie eine mögliche weitere Restrukturierung des Siemens-Portfolios konzentrieren.

Löscher sieht sich bei Siemens mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert. So hat Kleinfeld das neue Effizenzsteigerungsprogramm "Fit for 2010" aufgelegt und dabei die Margenzielbänder für neun von elf Siemens-Sparten angehoben. Zudem will das Unternehmen seine Rentabilität künftig auch auf Konzernebene an konkreten Zielvorgaben messen lassen. Hier setzt das Unternehmen auf die Kennziffern Return on Capital Employed (ROCE) und die Cash-Flow-Größe Cash Conversion Rate.

Neben diesen laut Analysten "ambitionierten" Zielen für das operative Geschäft muss Löscher Siemens vor allem auch durch den umfassenden Korruptionsskandal führen. Hier hatte Kleinfeld auf der Halbjahrespressekonferenz Ende April verkünden müssen, dass die möglichen dubiosen Zahlungen von Siemens-Mitarbeitern deutlich höher ausfallen könnten als bislang bekannt.

Derzeit hat das Unternehmen dubiose Zahlungen von Mitarbeitern der Com-Sparte über 420 Mio EUR identifiziert. Siemens hat inzwischen ihre internen Überprüfungen auf alle anderen Geschäftssparten ausgedehnt.

Kleinfeld hatte kurz vorher angekündigt, nicht für eine Verlängerung seines bis zum 30. September laufenden Vertrags zur Verfügung zu stehen. Als Grund nannte Kleinfeld vor allem die mangelnde Rückendeckung durch den Aufsichtsrat. Dieser hatte Kleinfeld die Vertragsverlängerung verweigert und dabei auf den Druck der wegen der mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen ermittelnden US-Behörden verwiesen.

Merck Finck (MeFiCo) begrüßten, dass Siemens einen neuen CEO außerhalb des Konzerns gefunden hat, weil dieser von den Korruptions- und Kartelluntersuchungen überhaupt nicht betroffen sein werde. Löscher habe Erfahrungen im Pharmabereich und werde Siemens Medical möglicherweise zum wichtigsten Bereich ausbauen. Der Manager leitete zuletzt das Global Human Health Geschäft der Merck & Co. Davor war der Manager unter anderem für die Höchst AG und die später fusionierte Aventis in verschiedenen Funktionen in Deutschland, den USA, Spanien, Großbritannien und Japan tätig.

Der Medizinbereich ist einer der drei Megatrends, die Kleinfeld für Siemens identifiziert hat und nach dem sich das Konzernportfolio ausrichten sollte. Siemens konzentriert sich derzeit auf die Wachstumsfelder Energy & Environmental Care, Automation & Control, Industrial & Public Infrastructure und Health Care.

Nach Einschätzung von Christoph Niesel, Fondsmanager bei Union Investment, hat Löscher den Vorteil, dabei frei agieren zu können. Zudem verfüge er über internationale Erfahrung und kennt die angelsächsische Investmentmentalität. "Aus Investorensicht wird interessant sein zu erfahren, für was Löscher eigentlich steht", so Niesel.

Entscheidend werde vor diesem Hintergrund vor allem sein, wie der Umbau des Siemens-Konzerns nun weiter geht, so Niesel mit dem Verweis darauf, dass Vorgänger Kleinfeld diesen unter anderem mit der Trennung der Automotivesparte VDO angeschoben hatte.

"Nun wird interessant sein, ob Löscher den von Kleinfeld eingeschlagenen Weg weiter führt". Wann es dafür erste Indikationen geben wird, bleibe erstmal abzuwarten. So sei es ein grundsätzliches Problem bei externen CEO-Besetzungen, dass dieser sich erstmal in das Unternehmen, die Machtstrukturen und Arbeitsabläufe einarbeiten muss.

Auch die Analysten von M.M. Warburg verweisen kritisch auf die bevorstehende Einarbeitungszeit. In einem vor der Ernennung Löschers am Sonntag veröffentlichten Einschätzung heißt es, dass es angesichts der Komplexität von Siemens für einen externen Manager relativ lange dauern dürfte sich einzuarbeiten.

Die Bestellung eines externen Managers ist ein Novum für Siemens. Es könnte somit schwieriger sein, von Management und Mitarbeitern akzeptiert zu werden, die Unternehmenskultur könnte leiden und das ohnehin nicht ungetrübte Verhältnis zwischen Management und Mitarbeitern zusätzlich belastet werden.

Die UBS hält die Benennung von Löscher zum neuen Siemens-CEO für eine sehr gute Wahl. Er habe alle Eigenschaften, die sie von einem Siemens-CEO erwarte. Zudem könne er schon zum 1. Juli starten. Seine Erfahrungen und Erfolge kompensierten, dass er kein ausgebildeter Ingenieur sei. Das commitment zum "Fit for 2010 Program" ist für die Analysten weiterhin gegeben, womöglich setze Löscher es sogar noch härter um als bisher gedacht.

Webseite: http://www.siemens.com

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