FOKUS: Hoher Dieselpreis fördert die Suche nach Alternativen

18.06.2008

Von Christoph Baeuchle

DOW JONES NEWSWIRES

STUTTGART (Dow Jones)--Bis vor Kurzem galt für Diesel-Fahrzeuge eine einfache Faustregel: Sie kosten mehr in der Anschaffung und bei der Steuer, dafür verbrauchen sie weniger, und der Kraftstoff ist günstiger. Dies machte den Selbstzünder auf Europas Straßen populär. Doch seitdem der Diesel-Preis im Mai auf das Niveau von Super-Kraftstoff gestiegen ist, steht dieses Prinzip in Frage.

Experten prognostizieren bereits einen deutlichen Rückgang bei den Neuzulassungen. Davon könnten alternative Antriebsarten profitieren. "Die Hersteller müssen nun zeigen, mit welchen Lösungen sie in die Zukunft gehen wollen", sagt Automobil-Analyst Christoph Stürmer von Global Insight.

In den vergangenen Jahren haben milliardenschwere technische Entwicklungen Fahrleistungen und Laufkultur beim Diesel derart verbessert, dass der Antrieb selbst in den obersten Fahrzeugklassen Einzug gehalten hat. Experten erwarten nun aber ein Ende des Diesel-Booms. "Der Trend zum Diesel ist bereits gebrochen", urteilt Analyst Stürmer. Bleibt es bei dem aktuellen Preisniveau, gerät der Diesel ins Hintertreffen, glaubt auch LBBW-Analyst Frank Biller: "Die Phantasie im Diesel ist ausgebremst."

Noch wiegeln die Hersteller ab, wenn sie darauf angesprochen werden. Einzig Opel räumt ein, im Mai bereits einen Nachfragrückgang gespürt zu haben. Auch die Zulassungsstatistik belegt, dass nach der Verschiebung des Preisgefüges bei den Kraftstoffen weniger Diesel-Fahrzeuge verkauft werden. Laut Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) sank ihr Anteil an den deutschen Neuzulassungen um knapp 3 Prozentpunkte auf 44,5%.

Es könnte noch schlimmer kommen: Der "Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe" (ZDK) ermittelte per Umfrage im Mai, dass sich zurzeit nur noch jeder Fünfte der rund 1.500 Befragten beim Autokauf für einen Diesel entscheiden würde - zwölf Monate zuvor war es noch beinahe jeder Dritte.

Aus Sicht des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen ist der Boom bei Diesel-Pkw endgültig vorbei. Bis 2015 werde der Diesel-Anteil an den Neuzulassungen in Deutschland auf 38%, bis 2020 gar auf 30% sinken, lautet seine Prognose.

Kurzfristig stärkt das Stottern des Selbstzünder-Absatzes dessen Konkurrenz. "Der Ottomotor könnte eine größere Bedeutung bekommen", glaubt M.M.Warburg-Analyst Marc-Rene Tonn. Vor allem macht der Dieselpreis aber die Frage nach den Alternativen zu herkömmlichen Antriebskonzepten für die Automobilkonzerne noch dringlicher.

Die Ansätze der deutschen Hersteller sind vielfältig: Sie arbeiten an der weiteren Effizienzverbesserung herkömmlicher Motoren ebenso wie an Hybrid-Varianten und an Elektrofahrzeugen. Mercedes-Benz etwa will 2010 eine Kleinserie der B-Klasse mit Brennstoffzelle produzieren.

Vergleichsweise schnellen Erfolg versprechen Maßnahmen, herkömmlichen Motoren bei gleichbleibender Leistung den Benzindurst zu zügeln. Beim so genannten Downsizing werden die Hubräume der Aggregate kleiner ausgelegt und dafür die Motoren aufgeladen. "Der Markt für Turboaufladung explodiert zur Zeit", sagte Continental-Vorstand Karl-Thomas Neumann jüngst auf einer Veranstaltung.

Deshalb will Hannoveraner Automobilzulieferer will noch in diesem Jahr mit der Produktion eines eigenen Turboladers beginnen. Auch Wettbewerber Bosch steigt in den Markt ein und startet gemeinsam mit Mahle ab 2011 die Serienproduktion. Bosch geht davon aus, dass bis 2015 insgesamt ein Jahresabsatz von 21 Mio Abgasturboladern weltweit möglich ist. Gegenwärtig werden nach Bosch-Angaben jährlich weltweit 16 Mio Turbolader nachgefragt.

An Bedeutung gewinnen zudem Konzepte für Teilhybride, bei denen die Motoren um eine Start-Stopp-Technik ergänzt werden. Bei BMW ist diese Technik Bestandteil des Programms "EfficientDynamics", mit dem der Münchener Konzern den Verbrauch seiner neuen Modelle um rund 15% senken will. Bis zum Jahresende will der Automobilhersteller rund 830.000 Fahrzeuge mit der Spritspar-Technologie ausstatten, davon 700.000 BMW und 130.000 Mini. Insgesamt will BMW im laufenden Jahr mehr als 1,54 Mio Automobile verkaufen.

Auch in Stuttgart spielt Sparsamkeit im Verbrauch eine immer größere Rolle. Bei der aktuellen Einführungskampagne zur B-Klasse stellt Mercedes-Benz Cars die Start-Stopp-Technologie in den Vordergrund. Daimlers Modell-Pipeline für verbrauchsgünstige Fahrzeuge sei prall gefüllt, urteilt Analyst Biller. Insgesamt 20 Fuel-Efficiency-Modelle wolle Mercedes-Benz bis Jahresende auf den Markt bringen, die bis zu 12% weniger Sprit brauchen als vergleichbare Vorgänger.

Japanische Hersteller setzen kaum auf die Teilhybridisierung, urteilt Branchenexperte Stürmer von Global Insight. Dafür sieht er Toyota, Honda & Co beim Vollhybrid, also Fahrzeugen mit einer Antriebskombination aus Verbrennungs- und Elektromotor, im Vorteil.

"Alle deutschen Hersteller sind Toyota beim Hybrid fünf Jahre hinterher", sagt auch Professor Dudenhöffer. Unter den deutschen Konzernen liege keiner vorne und keiner hinten - weil keiner ihn habe.

Anders als in Deutschland spielt der Vorsprung der Japaner für die deutschen Hersteller auf dem US-Markt eine entscheidende Rolle, gerade weil die Wirtschaftlichkeit des Diesel-Motors schwindet. Denn in den USA wollten die deutschen Hersteller ihre Selbstzünder als Alternative zu japanischen Hybrid-Fahrzeugen positionieren und bei der Gelegenheit ihren eher marginalen Marktanteil auf dem weltgrößten Automobilmarkt kräftig ausbauen.

Angeboten wird wegen der strengen US-Emissionsrichtlinien ein "sauberer" Diesel, bei dem die Abgase mit Hilfe von Harnstoff gesenkt werden. Bislang ist nur Daimler mit dem BlueTec-Diesel in den USA auf dem Markt. Als erster deutscher Hersteller hat Daimler für alle 50 US-Bundesstaaten eine Zulassung bekommen.

BMW und Volkswagen wollen noch im Jahresverlauf dieselgetriebene Fahrzeuge in ihr US-Programm aufnehmen. "Der Jetta kommt im Spätsommer als Clean-Diesel, der Touareg 2009", sagte ein VW-Sprecherin.

Bislang kommt die zu Jahresbeginn ausgerufene Diesel-Initiative der deutschen Hersteller für den US-Markt aber nicht in Schwung. Insgesamt geht der Anteil der Selbstzünder am US-Gesamtmarkt laut Polk Marketing Systems sogar zurück: Im Fahrzeugsegment der Light Vehicles, also bei Pkw, Geländewagen und Pick-ups, sank der Dieselanteil schon 2007 um 0,4 Prozentpunkte auf 3% und fiel im ersten Quartal sogar auf 2,4%.

Dagegen stieg der Hybridanteil im vergangenen Jahr um 0,7 Prozentpunkte auf 2,2% und erreichte in der Periode Januar bis März sogar 2,3%.

So sind auch Marktbeobachter skeptisch, was die Hoffnung der deutschen Hersteller angeht, den Diesel in den USA schnell populär zu machen. Das werde wahrscheinlich nicht gelingen, urteilt Gunnar Geadke, Consultant Strategic Planning bei Polk Marketing Systems.

Deutlicher wird Frank Schwope, der den Markt für die Nord/LB beobachtet: "Wenn der Dieselpreis weiter anzieht, droht die Diesel-Kampagne der deutschen Hersteller zum Rohrkrepierer zu werden." In den USA wird sich seiner Einschätzung nach der Hybrid durchsetzen.

Webseiten: http://www.daimler.com/ http://www.bmwgroup.com/ http://www.volkswagenag.com/ http://www.bosch.com/ http://www.continental.com/ -Von Christoph Baeuchle, Dow Jones Newswires; +49 (0)711 - 2287 412, christoph.baeuchle@dowjones.com DJG/cba/brb/rio/nas

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