FOKUS: ThyssenKrupp zieht im zivilen Schiffbau die Notbremse

14.09.2009
DÜSSELDORF (Dow Jones)--Der ThyssenKrupp-Konzern scheint sich der Belastung durch die krisengeschüttelte zivile Schiffbausparte entledigen zu wollen. Nach der bereits angekündigten Abgabe der Emdener Nordseewerke und Verkaufsspekulationen über Blohm + Voss wird jetzt über eine Veräußerung von Teilen der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) verhandelt. Analysten betrachten diese Art der Problemlösung als Notbremse und glauben nicht, dass dabei viel Geld in die Kassen fließt.

DÜSSELDORF (Dow Jones)--Der ThyssenKrupp-Konzern scheint sich der Belastung durch die krisengeschüttelte zivile Schiffbausparte entledigen zu wollen. Nach der bereits angekündigten Abgabe der Emdener Nordseewerke und Verkaufsspekulationen über Blohm + Voss wird jetzt über eine Veräußerung von Teilen der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) verhandelt. Analysten betrachten diese Art der Problemlösung als Notbremse und glauben nicht, dass dabei viel Geld in die Kassen fließt.

Die "Financial Times Deutschland" hatte in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, dass der in Duisburg und Essen ansässige Konzern mit der mittelständischen Heinrich-Rönner-Gruppe über den Verkauf der Kieler Containerschiffsparte HDW-Gaarden über eine Kooperation verhandelt. Die Gespräche stünden kurz vor dem Abschluss, bestätigte eine Sprecherin von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) auf Anfrage von Dow Jones Newswires.

Die Zusammenarbeit soll demnach dem in der Vorwoche für die Nordseewerke Emden bekannt gegebenen Modell ähneln. Dort übernimmt die SIAG Schaaf Industrie AG, ein Komponentenhersteller für Windkraftanlagen, den Standort und den Großteil der Beschäftigten für die eigene Produktion. Laut SIAG soll die Transaktion noch in diesem Monat über die Bühne gehen.

Vor gut einem Monat war zudem der Betriebsrat der Werft Blohm + Voss mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gegangen, wonach TKMS über den Verkauf aller drei Hamburger Teilbetriebe verhandele. In verschiedenen Medien war von einem Scheich aus Abu Dhabi die Rede, der Interesse an dem Standort habe.

Die Probleme des Geschäftsbereichs liegen auf der Hand. Im Zuge der Wirtschaftskrise ist das weltweite Handelsvolumen stark zurückgegangen, was auch den Bedarf nach neuen Schiffen reduziert hat. Deren Zahl war in den Jahren bis zum Einbruch stark gestiegen, die zuletzt erteilten Aufträge wurden dann teils mitten im Bau noch storniert, um keine Investitionswracks zu schaffen.

Analyst Christian Obst weist auf die schwache Marktlage hin, wenn er versucht, das Vorgehen der ThyssenKrupp AG zu erklären. "Im zivilen Schiffbau steht noch ein längerer Downturn bevor, ob das Unternehmen da dabei sein will, ist fraglich", schätzt der Analyst der UniCredit.

Auch Dirk Nettling von der Commerzbank betont den Einbruch der Nachfrage in dem Bereich. Er wertet die Vorgänge als Ausstieg aus dem zivilen Schiffbau in Reaktion auf die Verlustträchtigkeit des Geschäfts, die Unsicherheit über den Zeitpunkt der Erholung und die asiatische Konkurrenz. "Insofern ist dieser Schritt nachvollziehbar, logisch und sinnvoll", urteilt Nettling.

Auch für Obst kommt die jüngste Entwicklung nicht überraschend: "Die Abgabe des zivilen Schiffbaus ist Teil der Strategie, die ThyssenKrupp in letzter Zeit verfolgt", sagt er und sieht als Treiber des Geschehens den seit April amtierenden Finanzvorstand Alan Hippe. Dieser habe als Devise ausgegeben, die Barmittel auf einem bestimmten Niveau zu halten. "ThyssenKrupp braucht die Gelder für die anstehenden Investitionstätigkeiten, da werden Verlustbringer und nicht zum Kerngeschäft gehörende Bereiche abgestoßen", erklärt der Analyst.

Der DAX-Konzern ist hart von der Wirtschaftskrise getroffen. Bis auf die Aufzugsparte schreiben alle Bereiche Verluste. Die "FTD" bezifferte den Fehlbetrag des noch bis Ende dieses Monats laufenden Geschäftsjahres 2008/09 allein beim Schiffbau auf 500 Mio EUR. Insgesamt steuert der Konzern wohl auf ein Minus von fast 2 Mrd EUR zu.

Obst sieht die bereits erfolgte oder noch bevorstehende Trennung von den Werften dann auch weniger als Maßnahme, die Kassen zu füllen, sondern eher als Weg, die Löcher zu stopfen. "Die Abgabe der Werften wird nicht für einen großen Barmittelzufluss sorgen, da geht es wohl eher um die Begrenzung von weiteren Abflüssen", schätzt er. Ähnlich äußert sich Nettling zu den mutmaßlichen Erlösen: "Ich gehe nicht davon aus, dass dabei in großem Stil Geld fließt", sagt er.

Möglicherweise wäre zu einem früheren Zeitpunkt mehr für ThyssenKrupp herauszuholen gewesen, meint Obst und verweist auf die Situation, in der sich der Konzern als Verkäufer nun befindet: "Jetzt ist der Verkauf Teil eines Notfahrplans und damit weniger lukrativ", sagt der Analyst.

Im Geschäft mit militärischen Schiffen scheint ThyssenKrupp zunächst weiter mitmischen zu wollen. "Das Geschäft läuft gut und ist profitabel", so Nettling. Langfristig müsse sich ThyssenKrupp aber auch hier die Frage stellen, ob diese Einheit zum Kerngeschäft gehöre.

Webseite: www.thyssenkrupp-marinesystems.de -Von Martin Rapp, Dow Jones Newswires; +49 (0) 211 13 87 214; martin.rapp@dowjones.com DJG/mmr/brb Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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