Die Zukunft des Managements

Führung neu denken



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Ohne Führung funktionieren Gruppen und Organisationen nicht. Dieses Denken haben wir verinnerlicht. Deshalb fällt es uns schwer, Führung neu zu denken. Doch dies ist aufgrund der stets komplexeren Herausforderungen, vor denen die Unternehmen und ihre Mitarbeiter stehen, nötig, sagen Klaus Kissel und Josef Mikus.

Viele Start-up-Unternehmen sind stolz darauf, dass in ihnen ein Laissez-Faire-Führungsstil gelebt wird. Ihre Gründer und Inhaber verstehen sich nicht als Führungskräfte, sondern eher als Mentoren, die Projekte sponsern und ihren Mitstreitern mit Rat und Tat zur Seite stehen - ohne Kontrolle und Feedback. "Feedback gibt der Kunde, nicht die Führung", lautet ihr Credo. "Eine solche Organisationsform kann nicht von Erfolg gekrönt sein", denken viele erfahrene Manager beim ersten Hinschauen. Zu Unrecht - das beweisen der Erfolg und das rasche Wachstum zahlreicher Start-ups.

Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Organisationseinheit verlässlich in die richtige Richtung steuert.
Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Organisationseinheit verlässlich in die richtige Richtung steuert.
Foto: Michael Roth/Fotolia.com

Führung scheint in Unternehmen unabdingbar. Doch zugleich kostet schlechte Führung viel Geld, denn sie führt zu Friktionen und wirtschaftlichen Verlusten - insbesondere dann, wenn

  1. sich eine zu enge "Brille" mit einer großen Entscheidungsmacht paart und

  2. eine mangelnde Beachtung und Wertschätzung der Mitarbeiter zu einer Demotivation von ihnen führt.

Um gute Führungskräfte buhlt deshalb die Wirtschaft, und sie haben ihren Preis.

Unternehmensführer betonen immer wieder: "Unternehmen brauchen eine starke Führung." Zugleich hört man jedoch oft, dass der Streit um Macht zwischen den Platzhirschen auf der Führungsebene Organisationen lähmt. Deshalb stellt sich die Frage: Machen wir zu viel Kult um ein Führungsideal, das heute nicht mehr funktioniert? Denn unbeantwortet ist nach wie vor die Frage: Lassen sich komplexe Organisationen führen?

Lassen sich komplexe Organisationen führen?

In ihren Analysen zu komplexen Organisationsstrukturen zeigten die Systemforscher Frederik Vester und Dietrich Dörner, wie schwierig steuernde Eingriffe in vernetzten Systemen sind - unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Unternehmen, Kommunen oder Staaten handelt. Dörner ging das Thema experimentell an. Dabei wurde immer wieder evident,

  1. wie selten einzelne, allein auf sich gestellte Entscheider in komplexen Situationen gute Lösungen finden und

  2. wie schnell sie Systeme zum Scheitern führen.

Sichtet man jedoch die aktuelle Managementliteratur, wie zum Beispiel die Konzepte von Fredmund Malik, dann wird darin noch stark auf die "Führungskraft" gesetzt. Für Malik kulminiert das Thema im Begriff Management, und dieses ist, so sein Credo, wie jede andere Profession lernbar. Damit entmythologisiert Malik zwar Führung, legitimiert wird sie hierdurch aber nicht.

Breiter und differenzierter stellt sich die Frage nach Führung bei Oswald Neuberger. Doch auch er beantwortet die Frage nach der Legitimation von Führung nicht überzeugend - obwohl er die Problematik von Führung in komplexen Systemen bedenkt. Auch eine Alternative zum bisherigen Führungssystem findet man in seinem Standardwerk "Führen und Führen lassen" nicht.

Bei Organisationen, die einfache, monokausal funktionierende Systeme sind, ist es vorstellbar, dass eine Führungskraft, an die richtige Stelle gesetzt, die Organisation gut steuert. Und unbestreitbar lassen sich auch heute noch Betriebe so aufbauen, dass sie auf dem Prinzip pyramidaler Steuerung beruhen. Für eine standardisierte Massenproduktion hat sich ein solches System durchaus bewährt.

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