Geschickt verhandeln - nicht pokern

08.03.2006
Von Veronika Renkes

Die fetten Jahre sind vorbei

Zum Ausloten von Möglichkeiten zählt aber auch: "Sich nicht starsinnig nur auf die harten monatlichen Gehaltszahlungen zu fixieren", so Capgemini-Personalerin Buttkus. "Die Möglichkeiten sind weitaus besser, wenn sich die Bezahlung an die Erreichung konkreter Ziele knüpfen lässt - sowohl bei den variablen Gehaltsbestandteilen als auch bei einer langfristigen Gehaltsentwicklung." So zählen Weiterbildungsangebote an der firmeneigenen Universität, Unterstützung bei der Altersvorsorge, flexible Benefits sowie die Teilnahme am Firmenwagen-Programm zu den Zusatzleistungen des IT-Consulting-Unternehmens. "Die Gehälter" - so Buttkus - "haben sich seit den Zeiten des Internet-Booms wieder auf ein Normalmaß reduziert."

Weniger Festgehalt - mehr variable, frei verhandelbare Entlohnungselemente: diese Erfahrung hat auch Ronald Kahlert, Abteilungsleiter bei Cora-IT, gemacht. Während sein Verhandlungsspielraum beim Festgehalt relativ gering ist, kann er regelmäßig mit seinem Arbeitgeber über leistungsabhängige Gratifikationen, tätigkeitsabhängige Einsatzzulagen oder die Nutzung eines Firmenwagens verhandeln. Zudem hilft das Berliner Unternehmen bei der Wohnungssuche bis hin zur Bereitstellung von Wohnraum, bietet flexible Arbeitszeiten sowie Hausarbeitsplätze an.

Weniger das Festgehalt als Zusatzleistungen wie Fahrtkostenbeteiligung, Betriebspension sowie die beruflichen Entwicklungsoptionen sind für Dino Sangkavadana die Pluspunkte, die er an seinem Arbeitgeber, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, schätzt. "Vor allem die Jobrotation, bei der man den Fachbereich wechseln kann, und die vielen Weiterbildungsmöglichkeiten stellen für mich einen Mehrwert dar", zeigt sich der IT-Projektleiter zufrieden. Für den Personalexperten Eichinger ist das genau die richtige Einstellung: "Nur Mitarbeiter, die beim Verhandeln beweglich sind und der Realität ins Auge blicken, können das Bestmögliche für sich herausholen."

Die hohe Kunst des Verhandelns

Renate Sedlmayer, Mediatorin: 'Wie bei einem Marathonlauf sollte man die Verhandlungssituation schon vorher im Kopf durchspielen.'
Renate Sedlmayer, Mediatorin: 'Wie bei einem Marathonlauf sollte man die Verhandlungssituation schon vorher im Kopf durchspielen.'

Auch in Zeiten knapper Kassen kann man mit der richtigen Verhandlungsstrategie ein paar Extras herausholen, meint die als Mediatorin tätige Soziologin Renate Sedlmayer im Gespräch mit Veronika Renkes.

CW: Um geschickt verhandeln zu können, braucht man Verhandlungskompetenz. Doch was ist das genau?
SEDLMAYER: Verhandlungskompetenz ist auf einen Punkt gebracht, die Kunst, geschickt zu argumentieren und dadurch die Gegenseite von seinem Anliegen zu überzeugen.

CW: Man muss also nur gute Argumente haben?
SEDLMAYER: Das alleine reicht nicht aus. Es gehört auch Empathie dazu. Das heißt, dass man sich bemüht, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Man kann andere Menschen viel besser überzeugen, wenn man auch aus der Position der anderen Person heraus argumentieren kann.

CW: Das hört sich ganz nach strategischer Planung an?
SEDLMAYER: Ja, wie bei einem Marathonlauf sollte man die Verhandlungssituation schon vorher im Kopf durchspielen - also über die einzelnen Schritte genau nachdenken: Wie will ich verhandeln? Wie wird mein Verhandlungspartner möglicherweise reagieren? Welche Fragen könnten kommen, und wie will ich dazu Stellung nehmen?

CW: Wie sollte man sich vorbereiten?
SEDLMAYER: Auf jeden Fall sich vorher genau überlegen, was man unbedingt will, wo man Abstriche macht und welche Alternativen möglich wären. Das ist wichtig, damit man in der Verhandlungssituation klipp und klar die eigenen Vorstellungen formulieren kann. Wer sich hier nicht gut vorbereitet, verstrickt sich schnell in Wiedersprüche, erweckt einen konfusen Eindruck und manövriert sich damit in eine schlechtere Verhandlungsposition.

CW: Was ist in der Regel verhandelbar?
SEDLMAYER: Das ist der so genannte Mehrwert, der mit manchen Jobs verbunden ist. Ein wichtiger Maßstab für diesen Mehrwert sind Leistungen eines Unternehmens, die darauf abzielen, die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter zu verbessern. Dazu zählen zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Hilfe bei der Jobsuche für mitziehende Familienangehörige oder Freistellungen für Weiterbildungen. So kann es ein wesentliches Plus sein, wenn ein Familienvater einen IT-Heimarbeitsplatz erhält, von dem er zwei Tage in der Woche aus online arbeiten kann. Wichtig bei all diesen Regelungen ist, dass der Chef Vertrauen in das Engagement und die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Mitarbeiters hat. Dafür überzeugend zu werben ist Teil der eigenen Verhandlungskompetenz.

CW: Und wie verhält man sich, wenn der Chef signalisiert, dass es gar nichts zu verteilen gibt?
SEDLMAYER: Auch dann sollte man sich nicht gleich geschlagen geben oder gar mit der Kündigung drohen. Es gilt: Welche Forderungen man als Mitarbeiter stellt und wie sehr man auf deren Erfüllung pocht, sollte man von den eigenen Berufsperspektiven abhängig machen. Gibt es tatsächlich nichts zu verhandeln, kann man das Unternehmen als Sprungbrett für seine Karriere nutzen. Auch das ist dann eine Art Mehrwert. Und: Man sollte zumindest versuchen, sich im Rahmen von schriftlich fixierten Zielvereinbarungen Zusatzleistungen perspektivisch zu sichern.

CW: Was würden Sie andererseits den Unternehmen raten?
SEDLMAYER: Sie sollten viel flexibler agieren. Es ist nicht nötig, dass sie standardisierte Vergünstigungen einführen. vielmehr sollten sie mehr individuelle Regelungen über Zusatzvergütungen und Anreize aushandeln.

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