Dokulife-Chef-Consultant Oliver Jendro

"Händler schrecken vor dem Beratungsaufwand zurück"

Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.
Als Berater arbeitet Oliver Jendro direkt an der Kundenfront. Im Interview schildert er seine Erfahrungen beim Einsatz von DMS-Lösungen im Mittelstand.
Oliver Jendro ist Senior Consultant beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Dokulife.
Oliver Jendro ist Senior Consultant beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Dokulife.
Foto: Dokulife

DMS-Lösungen sind im oberen Mittelstand und bei Großunternehmen eine Selbstverständlichkeit. Wie sieht die Situation bei kleineren Unternehmen und im SoHo-Umfeld aus?

Oliver Jendro: DMS ist noch keine Selbstverständlichkeit, sollte aber theoretisch für jeden Betrieb, der Dokumente archivieren muss, eine Notwendigkeit sein. Schließlich sind die Vorteile des digitalen Dokumentenarchivs gegenüber dem reinen papierbasierten Dokumentenarchiv nachvollziehbar, besonders wer heute schnell und effizient mit Informationen arbeiten muss.

In der Praxis sieht das allerdings ein wenig anders aus: Im kleinen Mittelstand mit 11 bis 50 Mitarbeitern scheint DMS noch nicht so verbreitet zu sein. In der Printerumfrage von Dokulife in Zusammenarbeit mit Brother wurden IT-Verantwortliche solcher Unternehmen befragt. Zwar setzten immerhin 40Proznet bereits ein DMS ein, knapp 41 Prozent der Befragten gaben aber an, dass sie kein DMS benötigen. Das ist doch ein recht hoher Wert - soviel zum Thema papierloses Büro. Bei Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern ist ein DMS noch seltener anzutreffen. Hier geben 62% Prozent der IT-Verantwortlichen an, dass sie kein DMS brauchen - nur 19 Prozent setzen bereits eins ein. Bei allen Unternehmen stellt sich auch immer die Frage, was eigentlich mit geschäfts- und steuerrechtlich relevanten digitalen Dokumenten geschieht - wird das alles ausgedruckt und aufbewahrt?

Wer entscheidet denn in diesen Unternehmen über den Einsatz von DMS-Lösungen?

Jendro: Bei kleineren Unternehmen trifft in der Regel der Geschäftsführer die Entscheidung, dass ein DMS eingesetzt werden muss. DMS greift ja tief in die Geschäftsabläufe der Unternehmen ein und ist bei Weitem keine reine IT-Angelegenheit. Dokumente, die digital archiviert werden, verändern den Ablauf der meisten geschäftlich relevanten Dokumentenprozesse. Zudem sind zahlreiche rechtliche Aspekte zu beachten, gerade im Steuerrecht. Bei größeren Unternehmen wird letztendlich eine Fachabteilung darüber entscheiden, wann ein DMS für das Unternehmen Sinn ergibt - und welches es sein soll.

Auf welche Schwierigkeiten trifft man als Berater in diesen Firmen?

Jendro: Gerade bei Kleinunternehmen herrscht immer noch der Grundsatz, das DMS nur etwas für größere Unternehmen sei, beziehungsweise DMS einfache Arbeitsschritte unnötig komplex macht. Damit haben sie nicht immer unrecht. Eine gut geführte Papierablage funktioniert für gewisse Anforderungen durchaus. Denn DMS ist keine Sache, die man wie ein Stück Hardware einfach ins Büro rollen kann und es funktioniert beim einschalten.

Aber es gibt immer wieder Unternehmen, die jahrelang ineffizient Papierdokumente verwalten. Dort müssen Mitarbeiter das erst einmal akzeptieren und erkennen. Man trifft immer wieder auf Abteilungen, die nach dem "das haben wir jahrelang so gemacht, das werden wir nicht ändern"-Prinzip arbeiten. Manchmal gilt es auch einfach aufzuzeigen, dass ein DMS dem Unternehmen insgesamt die Arbeit erleichtert, auch wenn Einzelne sich umstellen müssen, oder gar Aufgabenbereiche verlieren.

Werden DMS-Lösungen eigenständig oder als Teil der gesamten Dokumenteninfrastruktur inklusive Output gesehen?

Jendro: DMS-Lösungen sind meiner Erfahrung eigentlich bis dato eigenständige Projekte. Bei größeren Unternehmen gibt es dafür meist eigene Projektteams, denen ist es herzlich egal, ob und wie ein digitales Dokument irgendwann mal auf Papier muss.

Aber auch beim Mittelstand wird der Drucker eben getrennt von der DMS-Lösung betrachtet. Dies hängt auch damit zusammen, dass man Jahrzehnte schlichtweg von Output-Anbietern keine passende DMS kaufen konnte - und umgekehrt. Löbliche Ausnahmen sind einige Systemhäuser, die sich schon früh um umfassende Dokumentenlösungen gekümmert haben. Für den Großteil der Output-Anbieter war aber DMS bis vor wenigen Jahren noch Neuland - oder ist es bis heute. Erst in den letzten Jahren, seitdem einige Hardware-Hersteller DMS fest in ihrem Portfolio verankert haben, kann man zunehmend auch DMS, Input und Output aus einer Hand kaufen. Schlimm ist hingegen, wie teilweise DMS von Output-Anbieter verkauft wird - in einem Klickpreis als "Obendrauf"-Ware integriert.

Wer wird dann auf Dauer den Markt bedienen, Anbieter eigener DMS-Lösungen oder die großen Hardware-Anbieter, die die Lösungen zusammen mit Multifunktionsgeräten und Scannern verkaufen?

Jendro: Das lässt sich schwer abschätzen meiner Meinung nach: Der Markt der DMS-Anbieter ist völlig anders strukturiert als der Markt der Output-Anbieter. DMS-Hersteller sind häufig national erfolgreich und häufig eher mittelständische Software-Anbieter. Bei Hardware-Anbietern handelt es sich um Vertriebsgesellschaften, die eben Geräte aus Übersee verkaufen müssen und von dort auch gesteuert werden. Die Vertriebsgesellschaft eines Hardware-Herstellern so umzuprogrammieren, dass diese in Zukunft erfolgreich Software verkauft, ist keine einfache Aufgabe - für Anbieter mit indirektem Vertriebsmodell ist das noch schwieriger. Daher haben DMS-Anbieter als Spezialisten sicherlich langfristig Vorteile, zumal DMS-Projekte auch gerne mal für den Kunden ab einer gewissen Projektgröße maßgeschneidert werden. Aber natürlich können internationale Unternehmen sich auf Wunsch Marktanteile schlichtweg kaufen. In dem Sie interessante DMS-Anbieter aufkaufen - oder schlichtweg es über den niedrigen Preis regeln.

Wo liegen derzeit die Defizite des Handels beim Vertrieb von DMS-Lösungen?

Jendro: DMS ist einfach und komplex zugleich. Das Prinzip der Software ist einfach, der Teufel steckt im Detail. Ich kann mir vorstellen, dass viele Händler zu Recht vor dem Beratungsaufwand zurückschrecken, den DMS aufgrund der Detailkomplexität bietet. Auch ist für viele klassischen Kistenschieber der Verkauf von Software-Lizenzen an Unternehmen eine ganz neue Erfahrung.

Wenn es also Defizite gibt, dann sicherlich, dass vielen klassischen Bürotechnikhändlern noch nicht klar ist, wie man mit einem vertretbaren Aufwand damit Geld verdienen kann. Das Gleiche gilt auch für den klassischen Hardware-Vertrieb der Hersteller. Dass man aber mit DMS ordentlich Geld verdienen kann, beweisen ja die DMS-Hersteller durchaus. Alleine, wenn man die zahlreichen großflächigen Stände von DMS-Anbieter auf der CeBIT sieht; diese sind in der Regel größer, als die der Druckgeräte-Hersteller.

Wie wird sich Ihrer Ansicht nach der Markt mittelfristig entwickeln?

Jendro: Für den Gesamtmarkt kann ich das, als jemand, der sich vorrangig um den Output-Markt kümmert, kaum einschätzen. Wir beobachten aber, das Output sich immer mehr zum Dokumenten-Lösungsgeschäft wandelt - und da gilt natürlich DMS und sogar ECM zum festen Bestandteil. DMS wird irgendwann eine Standardanwendung wie Textverarbeitung oder E-Mail, so meine persönliche Einschätzung.

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