"Hier bin ich Kunde, hier darf ich’s sein." (Goethe, Faust 1)

06.11.2006

Hewlett Packard GmbH

Geschäftsführung

Herrn Stephan Wippermann

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71034 Böblingen

Chefredaktion

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München,06.11.2006

Sehr geehrter Herr Wippermann,

letztens sagte mir der Chef eines Systemhauses: "Die Hersteller wollen immer, dass wir ihr Partner sind. Ich möchte aber auch gerne einfach mal nur ihr Kunde sein." Eine interessante Bemerkung. Ich kann den Mann verstehen. Schließlich ist es eine nicht zu leugnende Tatsache, dass er bei seinem Hersteller Ware einkauft und dafür mit seinem guten Geld oder Namen bezahlt. Also ist er eindeutig ein Kunde. Ist es da nicht verständlich, dass er dementsprechend behandelt werden möchte (roter Teppich, Glückwunschkarte zum Geburtstag und ähnliche Nettigkeiten)? Der Mann möchte sich einfach mal bedienen lassen oder, um mit unserem Dichterfürsten Goethe (Faust 1) zu sprechen, mit einem wohligen Seufzer ausrufen: "Hier bin ich Kunde, hier darf ich’s sein."

Für mich ist der Satz dieses Systemhausgeschäftsführers vor allem eins: Ausdruck des Wunsches nach Einfachheit, nach Reduzierung von Komplexität. Eine Partnerbeziehung ist naturgemäß wesentlich komplexer als eine Lieferant-Kunde-Beziehung oder eine Dienstleister-Kunde-Beziehung. In einer Partnerbeziehung müssen die Partner auf die Wünsche und Bedürfnisse, auch die Animositäten und Allergien des anderen Rücksicht nehmen, sie müssen sie bei ihrer eigenen (Lebens-)Planung mit ins Kalkül ziehen. Jeder der beiden Partner hat seine eigenen Ziele, und diese müssen unter einen Hut gebracht werden, soll die Partnerschaft von Dauer sein. Das ist anstrengend. Eine Ehe zum Beispiel funktioniert so.

In einer Dienstleister-Kunde-Beziehung sind die Rollen dagegen viel klarer und einfacher. Es handelt sich um eine ganz profane Geschäftsbeziehung: Der eine erbringt eine Leistung, und der andere zahlt den vereinbarten Preis dafür. Fällt einer der beiden Faktoren weg, dann bedeutet dies auch das Ende der Beziehung. Ein Bordell zum Beispiel funktioniert so.

Zurück zu unserem Systemhausgeschäftsführer und seinem Wunsch, einfach mal nur Kunde zu sein. Man kann jetzt natürlich - auch unter psychoanalytischen Deutungsmustern - noch viel tiefer einsteigen und über die Frage nachdenken, ob die Beziehung zwischen dem Systemhaus und seinem Herstellerpartner nicht grundsätzlich gestört ist und solche Sachen. Denn offensichtlich fühlt er sich in dieser Beziehung benachteiligt. Von diesem Geschäftsführer erwartet man Sätze wie den Klassiker "Mein Hersteller versteht unter Partnerschaft, dass er der Partner ist und der andere schafft."

Es gibt aber noch eine andere Erklärung für den Seufzer unseres Systemhausgeschäftsführers: Der Mann braucht dringend Urlaub.

Trotzdem an Sie die Frage, sehr geehrter Herr Wippermann: Wenn einer Ihrer VertriebsPARTNER Ihnen gegenüber sagt, er möchte von Ihnen und Ihrer Organisation auch mal als Kunde behandelt werden, was antworten Sie ihm dann?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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