"Hilfe, mein Chef ist unfähig"

18.06.2007
Von Michael Schweizer
Vorgesetzter sein ist schwer. Kein Wunder, dass es nicht alle können.

Andreas Adler (Name geändert) arbeitet als IT-Projektleiter bei einem großen Finanzdienstleister. Auf ein Projekt waren seine Mitarbeiter und er in letzter Zeit besonders stolz: Binnen drei Monaten hatten sie ein Call-Center eingerichtet, für dessen Aufbau man auch zwei bis drei Jahre hätte veranschlagen können. "Wenn man so erfolgreich ist, kriegt man schnell den Maulkorb verpasst", erinnert sich Adler er durfte die Arbeit des Teams nicht extern präsentieren, da die IT nicht außer Haus auftreten solle. Nicht wenig erstaunt war er daher, als er in einer Fachzeitschrift auf einen lancierten Artikel über das neue Call-Center stieß. Er und seine Mitarbeiter kamen darin nicht vor. Als Ideengeber und Antreiber nannte der Finanzdienstleister vielmehr hierarchisch höhergestellte "Personen, die ich noch nie gesehen habe".

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Worüber Mitarbeiter klagen

Auch wenn ihm gerade nicht die Arbeit gestohlen wird, vermisst Adler unter denen, nach deren Entscheidungen er sich richten muss, adäquate Ansprechpartner: Die oberen IT-Ränge seien "technisch völlig draußen" und verständen das "Prozessdenken" nicht. "Der Oberkostensparer hat keinen PC, soll aber die Kosten in der IT senken"- in der Folge könne zum Beispiel, weil alte Betriebssysteme nicht ausgetauscht werden dürften, nicht mit XML gearbeitet werden. Dass ein Vorgesetzter auf den Arbeitsfeldern seiner Spezialisten allenfalls Generalist sein kann, spricht zwar nicht gegen ihn. Es schadet aber allen, wenn das überlegene Wissen ungenutzt bleibt.

Illoyalität, Inkompetenz und qualitätszerstörendes Sparen sind gängige Vorwürfe von Mitarbeitern, wenn sie von ihren Vorgesetzten erzählen. Ein weiterer Klassiker: Der Chef informiert nicht. Berthold Bär (Name geändert), der sich wie Adler an der Umfrage "Schwierigkeiten mit dem Chef?" in zwei Computerwoche-Newslettern beteiligt hat, ist kein gelernter Informatiker, sondern fing in einem mittelständischen Verlag als Hersteller an. Als das Unternehmen begann, seine kleine, aber einträgliche und geschützte Nische auch mit Online-Publikationen zu besetzen, brachte sich Bär im Alleingang HTML, Java und XML bei und avancierte zum Key User, der die Jungen anlernt und den Alten durchhilft. Die Mitarbeiter erfuhren keine Geschäftszahlen, aber Stimmung und Gehälter waren gut. Seit einiger Zeit kursieren nun Gerüchte, das Unternehmen habe so große Probleme, dass es kurz vor dem Verkauf stehe. Die Atmosphäre ist gereizt, die Geschäftsführung beschränkt sich auf kryptische Andeutungen. Bärs direkter Vorgesetzter bittet ihn, sich nicht anderswo zu bewerben. Die Produktqualität sinkt jedoch, weil Mitarbeiter während der Arbeitszeit ausführlich im Internet nach Stellen suchen. Bär kommentiert: "Egal, wie schlecht die Lage ist, die Führungskräfte machen sie durch ihr Mauern noch schlechter."

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