Wachsender Bedarf nach Beratungsleistungen

IT-Berater bleiben gefragt



Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Den IT-Beratungshäuser geht es gut, nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels. Gelingt es ihnen, auch die neuen Anforderungen der Kunden zu erfüllen, steht weiterem Wachstum nichts im Wege.
Foto: andrea michele piacquadio - shutterstock.com

Das IT-Beratungsgeschäft läuft der jüngsten Erhebung der Marktforscher von Lünendonk zufolge rund und wird auch auf absehbarer Zeit ordentliche Zuwachsraten liefern. Vor allem die großen IT-Consulting-Anbieter haben sich in eine komfortable Situation manövriert: der enorme Veränderungs- und Effizienzdruck in den Anwenderunternehmen sorgt für wachsenden Bedarf nach Beratungsleistungen, und das ihn einem Markt mit knappen Ressourcen.

"Es zeigt sich einiger Zeit eine große Kluft zwischen extern ausgeschriebenen Projekten und der Anzahl der verfügbaren Berater", beobachtet Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei Lünendonk. "In der Beratungsbranche hat sich folglich ein Projektstau aufgebaut. Insbesondere bei technologisch komplexen Aufgabenstellungen wie der Prozessautomatisierung sind gute Fachkräfte oft Mangelware."

Fachkräftemangel: Die Großen profitieren

Das ist nicht unbedingt die schlechteste Situation für die Beratungshäuser, weil die Knappheit gefragter Fachkräfte ihnen bei Spezialthemen stabile Preise und hohe Auslastungsquoten sichert. Gerade die großen Anbieter haben in den vergangenen Jahren an der Markenbildung gearbeitet und können nun im Kampf um talentierte Absolventen und erfahrene Experten punkten. Insbesondere im Vergleich zu den vielen deutschen "Hidden Champions", die in ihren Segmenten zwar Weltmarktführer, in der Heimat aber wenig bekannte Arbeitgeber sind, fällt es ihnen leichter Fachkräfte zu gewinnen, die sie wiederum den unbekannten, erfolgreichen Mittelständler für ihre internationalen Projekte bereit und in Rechnung stellen.

Doch jenseits dieser skizzierten Entwicklung gibt es einen weiteren Trend, der auch die kleinen und mittleren Häuser begünstigt, und der die deutsche IT-Beratung zum Exportgut macht. Viele der mittelständischen Anwenderunternehmen bleiben beim Sprung ins Ausland ihrem heimischen IT-Beratungs- und -Services-Provider treu. Erfahrungsgemäß fühlen sich mittelständische Anwenderunternehmen bei mittelständischen Beratungshäusern besser aufgehoben, weil sie dort in der Liste der Top-Kunden geführt werden und damit besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren.

Aufgrund dieser engen Bindung und guten Erfahrung beauftragen die Hidden Champion nicht selten ihren bewährten Partner damit, die Auslandsniederlassungen in allen IT-Belangen zu betreuen, die - da die Arbeitsabläufe oft eng mit der eingesetzten Applikation verknüpft sind - auch die Prozess- und Organisationsberatung umfasst. Auf diesem Wege haben schon einige deutsche mittelgroße Beratungshäuser es geschafft, sich ein Standbein im Ausland zu erarbeiten. Lünendonk-Berater Zillmann nennt die Beispiele Itelligence, Freudenberg IT-Services, All for One und msg systems.

Entscheidend für das Vertrauen der Anwender ist immer die Umsetzungskompetenz- und -qualität, Honorare und Branchen- und Fachkompetenzen. Anders als im Geschäft mit Betriebsdienstleistungen (wie etwa Outsourcing, Hosting und Managed Services), in dem viele Aufgaben mittlerweile standardisiert, automatisiert und damit austauschbar wurden, sind IT-Beratungsleistungen, insbesondere bei komplexen und neuen Technologiethemen, spezieller und damit weniger leicht zu ersetzen. Consultants werden Projekten, bei denen standardisierte Beratungsmethoden und -instrumenten nicht zum Ziel führen, aufgrund ihrer Erfahrung, ihres Fachwissens sowie Konzept- und Methoden-Know-hows beauftragt.

Kurz: der Kunde kauft Ressourcen, und er zahlt umso mehr, je wertvoller das Wissen ihm erscheint. "Die Projektanfragen steigen massiv an. Das gilt vor allem bei Projekten zur Steigerung der Prozesseffizienz und der Produktivität sowie bei der Implementierung neuer Technologien wie Big Data, Business Analytics oder mobile Anwendungen, die an der Schnittstelle zwischen Organisation und Prozesse konzipiert und umgesetzt werden", schildert Zillmann den aktuellen Bedarf. Hier ist das Wissen gefragt, wie sich die Abläufe in den jeweiligen Branchen gestalten lassen, angesichts neuer Compliance-Anforderungen, erweiterter technischen Möglichkeiten (etwa digitales Marketing, Industrie 4.0, Mobility, Big Data) und der wachsenden internationalen Ausrichtung.

Ein Blick auf die großen und für den Beratungsmarkt wichtigsten Branchen weist auf den enormen Veränderungsdruck hin, dem sich die Unternehmen stellen müssen.

Versicherungsbranche:

Mario Zillmann, Berater bei Lünendonk: „Die Anfragen nach Projekten zur Steigerung der Prozesseffizienz und der Produktivität steigen enorm an.“
Mario Zillmann, Berater bei Lünendonk: „Die Anfragen nach Projekten zur Steigerung der Prozesseffizienz und der Produktivität steigen enorm an.“
Foto: Lünendonk

"Im Versicherungssektor brummt derzeit die Nachfrage nach IT-Beratung. Es gibt bei vielen Versicherungsunternehmen kaum Projekte ohne Bezug zur IT", beschreibt Zillmann die Situation. Die Unternehmen sind es eigentlich gewohnt, sich mit regulatorischen Änderungen auseinander setzen zu müssen. Doch die aktuellen Anforderungen, hervorgerufen unter anderem durch den Start eines einheitlichen Zahlungsverkehrsraum (SEPA) zum 1. Februar 2014,der Reform des europäischen Versicherungsaufsichtsrechts (Solvency II) sowie einem Werte- und Verbrauchswandel bei der jungen Zielgruppe (Generation Y) stellen die Assekuranzen vor besondere Herausforderungen und ziehen enorme Beratungs- und Umsetzungsprojekte nach sich. Zudem stehen die Unternehmen auch unter strategischen Veränderungsdruck, Digitalisierung, Online-Services und wachsende Mobilität haben Einfluss auf das Geschäftsmodell.

Die Neuausrichtung hin zum Multichannel-Vertrieb sowie einer Reduzierung der Komplexität in den Prozessen wird die Branche noch eine Weile beschäftigen und den Beratern voraussichtlich volle Auftragsbücher bescheren. Zudem halten die Themen Business Intelligence, Business Analytics und Big Data Einzug in die Unternehmen. Sie bilden das Grundgerüst für ein ganzheitliches Risiko-Management und die Echtzeitanalyse von Kunden- und Risikodaten in den Versicherungsunternehmen.

Banken:

Jahr für Jahr beschäftigen sich die Banken mit der Umsetzung neuer regulatorischer Anforderungen in ihren IT-Systemen, doch in der jüngsten Vergangenheit haben Zahl und Umfang der Compliance-Projekte noch einmal kräftig zugelegt. Die SEPA-Umstellung und die Umsetzung von Basell II und Basel III haben diversen Umfragen zufolge die meisten Banken im Griff. Was vor allem die großen Kreditinstitute beschäftigt, ist die Trennung von Bankkerngeschäft und toxischen Anlagepapieren, wie es etwa derzeit die Landesbank Hessen-Thüringen mit den Risikopositionen der übernommenen West LB betreibt.

Zu den von dem Gesetzgeber initiierten IT-Vorhaben gesellen sich Projekte, mit denen sich die Finanzdienstleister auf die veränderten Marktentwicklungen einstellen. Mit der Digitalisierung des Bankgeschäfts im stationären und mobilen Internet müssen die Anbieter neue Services und Kundenansprachen umsetzen. Vor allem bei den Privatkundenbanken verlagern sich die Services von den Filialen ins Internet, so dass die Anbieter gefordert sind, schlüssige und ansprechende Multichannel-Dienste zu entwerfen und einzuführen. Wenn Kunden etwa in der Internet-Filiale vorstellig werden, um einen neuen Vertrag abzuschließen, muss die Bank zügig und zuverlässig reagieren können. "Dafür sind neue Konzepte, Prozesse und Vertriebswege erforderlich", beobachtet Zillmann. "Die Vorhaben haben immer zur Folge, dass auch die IT-Systeme und -Prozesse angepasst und umgestellt werden."

Der Trend zum Online-Vertrieb lässt in der Folge die Datenberge wachsen, die wiederum gespeichert, verarbeitet und analysiert werden wollen. Der Trend in der Banken-IT weist eindeutig auf Echtzeitanforderungen in der Risikobewertung und -analyse hin.

Automobilindustrie:

Auch die deutsche Schlüsselindustrie der Automobilhersteller und -zulieferer steht vor enormen digitalen Herausforderungen. Für jedermann sichtbar wird dies in den immer ausgeklügelteren Autokonfiguratoren, mobilen Apps und Online-Diensten der großen Hersteller. Zudem dringt die IT immer tiefer in das Auto selbst ein. Das vernetzte Auto (Connected Car) stellt sowohl neuen Anforderungen an die IT im Fahrzeug selbst, als auch an die zentralen Datenhaltungs- und -verarbeitungsysteme.

In den internen Prozessen stehen ebenso grundlegende Veränderungen an. Mit neuen OEM-Portalen und Kommunikations-Plattformen streben die Konzerne eine bessere Form der Collaboration mit ihren Zulieferern an. In ihren Forschung- und Entwicklungsabteilungen muss die interne IT sich der Innovationsgeschwindigkeit des Cloud-Computing stellen und zügig IT-Plattformen für den kurzfristigen und -zeitigen Computing-Bedarf bereitstellen.

Last, but not least passen die Konzernlenker die Unternehmensstrategie den gesättigten Kernmärkten an. Weil der Verkauf von Neufahrzeugen zunehmend schwer fällt, erweitern sie ihr Geschäftsmodell um Mobility- beziehungsweise Carsharing-Services. Beispiele sind "DriveNow" (BMW), "Car2Go" (Daimler) und "Quicar" (Volkswagen).

IT- und Management-Beratung verschmelzen

In vielen Segmenten sind es IT-Trends, die Neuerungen in den Unternehmen bewirken. Das Internet der Dinge, Industrie 4.0, Machine to Machine (M2M), 3D-Drucker, digitales Marketing, Mobility und die Auswertung großen Datenmenge etwa zur Risiko- und Kundenanalyse sind Themen, die in den kommenden Jahren die Abläufe, Organisationen und Geschäftsmodelle verändern werden. "Für diese Projekte sind Berater erforderlich, die sich sowohl fachlich, etwa in den Organisationsprozessen auskennen, als auch die IT-Vorhaben umsetzen können. Hier mangelt es vielerorts an einem Bindeglied in den Kundenunternehmen. Zur Zeit scheinen IT-Berater sowie Managementberater mit klarem Fokus auf Organisations- und Prozessberatung diese Lücke zu schließen", betont Zillmann. (mhr)

Marktentwicklung in der IT-Branche

Das IT-Beratungsgeschäft koppelt sich etwas von der allgemeinen Marktentwicklung in der IT-Branche ab. Während sich die gesamten deutschen IT-Industrie im vergangenen Jahren mit einem Wachstum von 2,1 Prozent bescheiden musste, legten der Umsatz mit IT-Consulting-Leistungen einmal mehr kräftig zu. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs das Geschäft in 2012 um elf Prozent auf 10,5 Milliarden Euro. Damit haben die Consultants ihre Zuwachsrate aus dem Jahr 2011 nur leicht verfehlt, als die Branche gegenüber Vorjahr um 12,8 Prozent zulegen konnte. Zwar rechnen die von Lünendonk befragten Anbieter nicht damit, dass sie dieses hohe Tempo auch im laufenden Jahr halten können, doch von einem erwarteten Umsatzwachstum von durchschnittlich 8,6 Prozent bis Jahresende können andere Industriezweige nur träumen.

Die Zahl der Mitarbeiter in den Beratungshäusern hat sich im vergangenen Jahr nahezu parallel zum Umsatzwachstum entwickelt, insgesamt haben die Anbieter ihre Belegschaft um 11,4 Prozent ausgebaut. Der Grund dafür ist einfach: Anders als im Markt mit Betriebsdienstleistungen gibt es im Beratungsgeschäft nur bedingt Möglichkeiten, die Services zu standardisieren und zu automatisieren. Weil höhere Tagessätze kaum durchzusetzen sind, ist Umsatzwachstum nur mit zusätzlichen Mitarbeitern möglich.

Dieser Mechanismus lässt sich nur umgehen, wenn arbeiten in Niedriglohnländer ausgelagert werden. Aufgrund ihrer weltweiten Präsenz gelingt das fast nur den großen IT-Serviceanbietern. Beratungshäuser wie Capgemini, Steria Mummert, Atos, Accenture und IBM unterhalten große Dependancen etwa in Indien, China und Osteuropa, wohin sie einen Teil der Leistungserbringung auslagern, die Kundeneinnahmen aber in ihren Landgesellschaften verbuchen. Das schlägt sich in der im Durchschnittsumsatz je Mitarbeiter nieder. Laut Lünendonk-Erhebung beläuft er sich in großen Häusern auf etwa 175.000 Euro je Mitarbeiter. Die mittelständischen IT-Dienstleister müssen sich mit knapp 150.000 Euro je Mitarbeiter begnügen. „Die internationalen Anbieter können mit ihren weltweit verteilten Ressourcen größere Projekte betreiben“, erläutert Zillmann die Hintergründe.

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