Arbeitsmarkt

IT-Beratungen buhlen um Bewerber

Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Zwar fordern große und kleine IT-Beratungen unterschiedliche Qualifikationen von ihren Mitarbeitern, doch ein späterer Wechsel ist durchaus möglich.

Auf den ersten Blick ähnelt eine SAP-Einführung in Dortmund der in Dubai, doch für einen IT-Berater unterscheiden sich beide Aufgaben deutlich. Während zwischen den fachlichen Anforderungen keine allzu großen Unterschiede bestehen, brauchen weltweit tätige IT-Berater zusätzlich gute Fremdsprachenkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenzen, um sich auf dem internationalen Parkett sicher zu bewegen. Auch vor Heimweh sollten sie gefeit sein.

Bewerber sollten sich genau überlegen, ob sie zu einem großen oder kleinen Beratungshaus wechseln."
Bewerber sollten sich genau überlegen, ob sie zu einem großen oder kleinen Beratungshaus wechseln."
Foto: WavebreakMediaMicro - Fotolia.com

Lernbereitschaft und Eigeninitiative sind gefragt

Katrin Erdogrul betreut die Personalarbeit von Innobis, einem auf SAP-Themen spezialisierten Beratungshaus in Norderstedt bei Hamburg. „Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie sich für ein breit gefächertes Themenspektrum interessieren und lernbereit sind. Mit seinen rund 100 Mitarbeitern konzentriert sich das 1990 gegründete Unternehmen auf die IT-Strategie- und Management-Beratung im Finanz- und Bankenumfeld. Erdogrul fasst das Anforderungsprofil so zusammen: „Eine Hands-on-Mentalität sowie Eigeninitiative sind uns sehr wichtig."

Zwar konzentriert sich das Beratungsgeschäft von Innobis auf Deutschland, doch die Kundenprojekte können überall in der Bundesrepublik zwischen Kiel und München stattfinden. Vier Tage unterwegs sein zählt zum Standard, während der Freitag ganz klassisch als Bürotag definiert wird, um sich mit den Kollegen auszutauschen.

Für den international tätigen IT-Dienstleister Atos arbeiten allein in Deutschland etwa 3000 IT-Consultants und rund 120 Management-Berater. Weltweit beschäftigt Atos etwa 76.300 Mitarbeiter in 52 Ländern und erwirtschaftete 2013 einen Jahresumsatz von 8,6 Milliarden Euro. „Wir erwarten von unseren Mitarbeiter räumliche und zeitliche Flexibilität, sagt Dagmar Bleilebens, Managing Partner von Atos Consulting. Die promovierte Physikerin ist für das Beratungsgeschäft in Deutschland verantwortlich. Da zu den Kunden globale Konzerne und Dax-Unternehmen zählen, sind internationale Projekte die Regel.

„Verhandlungssicheres Englisch sollten die Bewerber auf jeden Fall sprechen, eine zweite Fremdsprache wie Spanisch, Türkisch oder auch Hindi ist sinnvoll, ergänzt Bleilebens. Obwohl der Atos-Konzern französische Wurzeln hat, kommen IT-Berater auch ohne Französischkenntnisse aus, beteuert die Managerin; der Schriftwechsel innerhalb des Unternehmens wird in Englisch abgewickelt. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wer als Expatriate in Frankreich arbeiten möchte, für den empfiehlt sich – wie bei jedem längeren Arbeitsaufenthalt im Ausland – auch die Landessprache zu sprechen.

Dagmar Bleilebens, Managing Partner von Atos Consulting: "Wir erwarten räumliche und zeitliche Flexibilität."
Dagmar Bleilebens, Managing Partner von Atos Consulting: "Wir erwarten räumliche und zeitliche Flexibilität."
Foto: Atos Consulting

Bei den Karrierechancen stehen den Atos-Mitarbeitern laut Bleilebens viele Wege offen, etwa sich in die Feinheiten des Prozess-Managements zu vertiefen oder sich zum Big-Data-Spezialisten weiterzubilden sowie eine Fachkarriere oder Management-Laufbahn. „Über die Plattform `blueKiwi` möchten wir deutschland-, aber auch weltweit alle Kollegen zusammen bringen, um sich gegenseitig kennenzulernen, mehr über die Arbeit der Kollegen zu erfahren und vor allem Wissen und Projekterfahrungen auszutauschen, erläutert Bleilebens. Doch auch kleinere Consulting-Firmen bieten ihren Mitarbeitern verschiedene Karrierewege an. Katrin Erdogrul wirbt mit Flexibilität und Offenheit. „Unsere Berater müssen sich nicht von Anfang an auf ein bestimmtes berufliches Ziel festlegen. Kürzere Entscheidungswege, weniger Bürokratie sowie ein starker Zusammenhalt der Mitarbeiter untereinander zeichne Innobis aus, so die Personalerin. „Vieles lässt sich auf dem kleinen Dienstweg klären, so Erdogrul. Neue Mitarbeiter rekrutiert das Unternehmen hauptsächlich über Firmenkontaktmessen und Kooperationen mit Hochschulen in Norddeutschland.

Gemeinsam Feiern

Innobis legt Wert darauf, dass sich die IT-Berater untereinander kennen und auch wissen, in welchem Projekt die Kollegen gerade arbeiten. „In regelmäßig stattfindenden Sitzungen berichtet jeder von seinen aktuellen Aufgaben im Kundenprojekt. Auf diese Weise haben alle einen Überblick und können sich gegenseitig unterstützen, so die Personal-Managerin. Doch auch in kleineren IT-Beratungen gibt es heiße Projektphasen, in denen Überstunden anfallen. Diese können die Mitarbeiter später in Freizeit umzuwandeln, denn die 40-Stunden-Woche soll die Regel bleiben. Auch das Home-Office-Konzept nutzen die Mitarbeiter gerne.

Den Austausch und die Integration der Kollegen bei Innobis fördern auch gemeinsame Feiern. Mit finanziellen Anreizen wie vermögenswirksamen Leistungen, betrieblicher Altersvorsorge und einem Firmenwagen belohnt das Unternehmen seine Angestellten. „Wir möchten langfristig mit unseren IT-Beratern zusammenarbeiten und sie ans Unternehmen binden. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit beträgt neun Jahre, freut sich die Personalerin.

In einer großen IT-Beratung wie Atos sind verschiedene Karrierewege vorgegeben. „Wer vom Projektleiter bis zum Manager mit Personalverantwortung aufsteigen möchte, durchläuft verschiedene Qualifikationsstufen, sagt Bleilebens. „Fachkarrieren sind bei uns ebenfalls möglich, ergänzt die Managerin. Auch Bewerber mit einem Bachelor-Abschluss und ohne umfangreiche Praxiserfahrung können sich bei Atos bewerben. „Den Mitarbeitern stehen viele Weiterbildungen, etwa im Projekt-Management offen. Auch ein berufsbegleitender MBA ist möglich.

Ganz egal ob sich IT-Spezialisten für eine kleinere, spezialisierte oder große, internationale IT-Beratung entscheiden, Reisen zählt zum Jobprofil. Selbst wer sich zunächst keine globalen Projekte zutraut, kann später noch die Seiten wechseln. Überhaupt sitzen inzwischen viele ehemalige IT-Berater in den Unternehmen auf Kundenseite. Die Grenzen zwischen den einzelnen Sektoren sind also durchlässig, auch für berufserfahrene Berater, die erst spät das Fernweh packt.

Was erwarten Kunden von Beratern?

Was Kunden von Beratungshäusern erwarten, wie zufrieden sie mit den erbrachten Leistungen sind und wofür Firmen überhaupt Berater engagieren, wollte Cardea in einer Studie wissen. Das in Zürich ansässige Unternehmen unterstützt Firmen, passende Berater zu finden.

  • Gefragt, welche Beratungsunternehmen sich für funktionale Optimierungsaufgaben in Produktion, Logistik IT oder Supply Chain eignen, so trauen das 79 Prozent der befragten Unternehmen vor allem Spezialisten, den sogenannten Boutique-Anbietern zu. Allerdings nannten auch 67 Prozent Wirtschaftsprüfer als bevorzugte Auftragsnehmer. 42 Prozent beauftragen damit internationale, mittelgroße Beratungshäuser und nur 15 Prozent wenden sich an Strategieberater.

  • Große Transformationsprojekte wie Shared Services, ERP-Programme oder Outsourcing vertrauen die Befragten bevorzugt Wirtschaftsprüfern und Multispezialisten an (53 Prozent). 47 Prozent wenden sich mit diesen Fragen an eine Strategieberatung. Dagegen kommen internationale, mittelgroße Beratungshäuser (27 Prozent) und Boutique-Anbieter (12 Prozent) für solche Projekte wesentlich seltener zum Zug.

  • Ganz deutlich zeigen sich die Präferenzen, wenn es um Innovationsprojekte geht. Hier vertrauen 68 Prozent den Strategieberatern und immerhin noch 48 Prozent den Spezialanbietern. Lediglich ein Drittel wendet sich an internationale, mittelgroße Beratungshäuser und mit 15 Prozent abgeschlagen landen die Wirtschaftsprüfer und Multispezialisten auf dem letzten Platz.

  • An den Boutique-Anbietern schätzen Kunden vor allem deren Spezialisierung (90 Prozent), sowie Umsetzungsstärke (71 Prozent) und den flexiblen Einsatz (68 Prozent).

  • Nach den Erwartungen an die Beratungsunternehmen befragt, gab die überwältigende Mehrheit von 90 Prozent an, dass sie sich ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis wünschen. Viele Kunden halten die Beratungsleistungen für zu teuer. 70 Prozent fordern eine höhere Seniorität der Berater und 60 Prozent flexiblere Formen der Zusammenarbeit.

IT-Beratung ist eine riesige Spielwiese

Auf dem umkämpften IT-Beratungsmarkt kommen immer neue Akteure hinzu. Welche Trends sich abzeichnen, weiß Eva Manger-Wiemann von Cardea aus Zürich.

Eva Manger-Wiemann, Cardea: "Auftraggeber schauen viel genauer, wofür sie ihr Geld ausgeben."
Eva Manger-Wiemann, Cardea: "Auftraggeber schauen viel genauer, wofür sie ihr Geld ausgeben."
Foto: atos consulting

CW: Cardea befragte Kunden nach ihrer Zufriedenheit mit Beratungsunternehmen. Vielen sind die Berater zu teuer und zu unflexibel. Das Argument ist nicht neu. Welche echten Überraschungen liefert die Studie für Berater?


WIEMANN: Mit Strategieberatung lässt sich nicht mehr so viel verdienen und viele Beratungshäuser müssen sich neu positionieren. Auch wenn die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften stärker in den IT-Markt drängen und Know-how zukaufen, überzeugt das alleine nicht die Kunden.

CW: Sind die Kunden anspruchsvoller geworden?

WIEMANN: Auf jeden Fall. Viele Kunden verhandeln auf Augenhöhe mit den Beratern, sie verfügen über viel Expertise im eigenen Haus und beschäftigen selbst ehemalige Berater, die sich bestens auskennen. Auftraggeber schauen viel genauer, wofür sie Geld ausgeben und fordern Leistungsnachweise, die belegen, dass Beratungshäuser ähnliche Projekte erfolgreich abgeschlossen haben. Auch die Seniorität der Berater spielt eine Rolle.

CW: Gehen den IT-Beratungen die Kunden und Projekte aus?

WIEMANN: Es besteht nach wie vor ein großer Bedarf an IT-Beratung. Ganz egal, ob es um die Digitalisierung von Geschäftsprozessen oder Schnittstellen im Unternehmen geht, IT ist eine riesige Spielwiese. Wenn sich IT-Berater richtig positionieren und Lösungen anbieten können, bleibt es ein großer, lukrativer Markt.

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