Michael Dressen, Tech Data

"Jeder verkauft an jeden"

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.

IoT, Security, Cloud und Big Data im Fokus

Werden Sie auch neue Hersteller in Ihr Portfolio aufnehmen?

Dressen: Ja, ganz sicher. Außerdem werden wir unseren Händlern viele neue Services anbieten.

Welche?

Dressen: Wir haben ein paar Ideen, über die ich jetzt noch nicht sprechen möchte.

Wie gestaltet sich die Akzeptanz der Tech Data Cloud in Deutschland?

Dressen: Deutsche Fachhändler sind nach wie vor sehr Cloud-resistent. Viele von ihnen denken da eher an ihre Rente, sie haben ja ihre Unternehmen vor 30 bis 40 Jahren gegründet und wollen nicht unbedingt jetzt noch neue Geschäftsfelder erschließen. Oft fehlen junge innovative Nachfolger, insbesondere bei den kleineren Systemhäusern.

Und wie wollen Sie dagegen vorgehen?

Dressen: Indem wir in die neuen Bereiche Cloud, IoT, Analytics und Security investieren, aber auch im klassischen IT-Business neue Business-Modelle nach vorne bringen - Stichwort: Managed Print Services. Bisher konnten die meisten unserer Fachhändler damit nichts anfangen, aber mit dem Einsatz von "Machine Learning"-Ansätzen und Künstlicher Intelligenz können fast alle Reseller Managed Print Services verkaufen (ChannelPartner berichtete darüber). So können wir auch neue, bisher bei uns nicht gelistete Fachhändler dafür begeistern.

Und wie finden Sie diese neuen Reseller?

Dressen: Dafür müssen wir für sie attraktive Bundles schnüren. Denn nur das ist unsere Zukunft. Viele reden zwar darüber, aber es fehlt noch an Ideen, wie man diese Themen den Kunden näherbringen könnte. Auch da haben wir schon ein paar gute Ansätze, die wir in den nächsten Monaten weiter entwickeln wollen. Dann kommen wir mit einem Angebot, dem Reseller nicht widerstehen können.

Über welchen Zeitraum reden wir hier?

Dressen: In fünf Jahren werden alle Automobilhersteller, die keine Elektrofahrzeuge anbieten, vom Markt verschwunden sein, genauso wird es allen IT-Anbietern ergehen, die jetzt in die neuen Marktsegmente nicht investieren. Trotzdem, auch in fünf Jahren werden 90 Prozent unseres Geschäftes damit zusammenhängen, was wir heute schon verkaufen.

Das heißt konkret, dass man jetzt in diese neuen Marktsegmente investieren und gute neue Ideen entwickeln muss, um dann, wenn diese neuen Bereiche signifikant an Bedeutung gewinnen, daran partizipieren zu können. Mit der Akquisition von Avnet haben den ersten Schritt dafür getan, um auf diese Entwicklung vorbereitet zu sein.

Und was haben Sie in die vier neuen Geschäftsfelder investiert?

Dressen: Wir haben in Deutschland ein Security-Team aufgebaut. Mit der Avnet-Übernahme bekamen wir ein Analytics-Team und einiges an IoT-Know-how hinzu. Das wollen wir nun ausbauen, sodass wir in einigen Monaten mit konkreten Maßnahmen starten werden.

Ginge denn das nicht schneller?

Dressen: Momentan sind wir noch damit beschäftigt, Avnet in Tech Data zu integrieren. Es gibt zum Beispiel zwei völlig verschiedene IT-Systeme, die wir nun zusammenführen müssen. Wir haben Standort übergreifende Business Units - da müssen sich die Mitarbeiter noch kennenlernen, das alles dauert eben ein wenig.

Und deswegen werden Sie auch 2017 keinen Tech Data-Kongress abhalten?

Dressen: Genau, aus verständlichen Gründen - die Avnet-Integration geht vor. Zu neuen Themen wie Managed Print Services führen wir in Deutschland Roadshows durch. Dieses eine Event, das alle interessiert, gibt es heute gar nicht mehr (auch die CeBIT ändert gerade ihr Konzept grundlegend, Anm. d. Red.) Es viel intelligenter, einzelne kleinere Informationsveranstaltungen zu bestimmten Themen durchzuführen - etwa eine Roadshow an drei bis fünf Standorten. Da ist der Aufwand viel geringer, und das Ganze als solches viel zielgerichteter.

Ob wir 2018 wieder einen Kongress durchführen, hängt vom intelligenten Konzept ab.

Vor paar Jahren war die Aufregung noch groß, als es hieß, viele Reseller bestellen Hardware für ihre Kunden bei Amazon ….

Dressen: Ja, ich habe kürzlich einige dieser Reseller darauf angesprochen. Sie meinten, damit füllen sie ihre Lufthansa-Miles-&-More-Konten auf. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn der Hardware-Vertrieb nicht mehr strategisch ist.

Und wie reagieren Sie auf diesen Trend?

Dressen: Mit neuen Ideen und Services, um diese Amazon-Kunden für uns zurückzugewinnen, und auch um neue Reseller für uns zu akquirieren.

Apropos Amazon und AWS. Welche Rolle wird denn die Distribution künftig im Cloud-Geschäft noch spielen?

Dressen: Bei den Cloud-Marktplätzen stehen wir nicht nur mit den originären Cloud-Anbietern selbst und anderen Distributoren im Wettbewerb, sondern auch mit unseren Kunden, den Resellern. Die herkömmliche Supply-Chain: Hersteller-Distributor-Reseller-Kunde löst sich hier auf, jeder verkauft an jeden.

Dieser Trend wird sich verstärken und die Grenzen zwischen Hersteller, Distributor und Reseller in den nächsten zehn Jahren verschwinden. Kunden kaufen auf Marktplätzen ein - unabhängig davon, wer sie betreibt. Da hat Amazon mittlerweile ein sehr starkes Branding.

Wie können Systemhäuser dann überhaupt überleben?

Dressen: Die Konsolidierung findet im gesamten IT-Mark statt: bei den Herstellern, Distributoren und Händler. Wir haben eine Handvoll großer Systemhäuer in Deutschland, die kaufen die interessanten kleinen und mittleren Fachhändler auf.

Zwar werden immer wieder auch neue innovative Systemintegratoren gegründet, die Gesamtzahl der Reseller in Deutschland wird aber abnehmen - ein Anzeichen für die zunehmende Reife der IT-Branche. Die Anforderungen an die verbleibenden Reseller werden weiter zunehmen.

Als etwa Adobe vor ein paar Jahren vom klassischen Lizenz-Business auf das Abo-Modell umstieg, da haben auch einige "klassische" Reseller aufgegeben. Wer sich diesem Wandel nicht stellt, wird vom Markt verdrängt. Dieser große Umschwung findet in der IT-Branche gerade jetzt statt - ähnlich radikal wie in der Automobilbranche, wo im Zuge der Elektromobilität komplette Wertschöpfungsprozesse wegfallen.

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