Klartext reden

21.06.2007
Von Jäger 
Ungenaue Vorgaben führen auf Dauer zu Mittelmäßigkeit und Unzufriedenheit in der Firma. Unternehmensberater Roland Jäger rät deshalb Führungskräften, ihren Mitarbeitern klipp und klar zu sagen, wenn sie Erwartungen nicht erfüllen.

Was tun, wenn ein Mitarbeiter seine Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt? Oder nicht wie gewünscht? Das fragen sich viele Führungskräfte. In vielen Unternehmen ist es verpönt, Mitarbeiter zu tadeln und zu kritisieren. Die Folge: Die Arbeitnehmer erhalten über eine unbefriedigende Leistung oft keine klare Rückmeldung.

"Klartext reden" passt in den Augen vieler Mitarbeiter (und Führungskräfte) nicht zum partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil, den heute die meisten Unternehmen propagieren. Die Folge: Berechtigte Kritik wird vielfach nicht artikuliert. Oder sie wird so lange weichgespült, bis nur noch Anregungen und Hinweise übrig bleiben. Beschönigend wird dies vielfach "konstruktives Feedback" genannt. Die Folge von so viel Weichspüler: Die eigentliche Botschaft "Sie erbringen die geforderte Leistung nicht" kommt beim Mitarbeiter oft nicht an. Also hegt er die Illusion "Im Großen und Ganzen ist mein Chef mit mir zufrieden". Folglich ändert er sein Verhalten nicht.

Ist in einem Unternehmen ein solcher Kommunikationsstil gängige Praxis, dann erwächst hieraus auf Dauer eine Kultur der Mittelmäßigkeit und Inkonsequenz. Denn die Erfahrung in diesem Unternehmen zeigt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Folglich sind Nachlässigkeiten erlaubt, entsprechende Verhaltensmuster werden zur Gewohnheit. Deshalb gilt es, solchen Entwicklungen rechtzeitig entgegenzuwirken beziehungsweise diese, wenn sie auftreten, umgehend zu korrigieren.

Erwartungen deutlich machen

Dies setzt voraus, dass die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern Klartext reden und von ihnen die nötige Verbindlichkeit einfordern. Sie müssen ihnen verdeutlichen:

1. Was von ihnen erwartet wird - aufgrund ihrer Funktion und Position, aber auch ihrer Fähigkeiten und ihres Einkommens - und

2. welche Konsequenzen es hat, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden - für die Organisation wie auch für den Mitarbeiter. Viele Führungskräfte müssen das erst neu lernen.

Damit die Mitarbeiter die gewünschte Leistung erbringen können, müssen sie zunächst wissen, welche Anforderungen an sie gestellt werden. Hier beginnt vielfach das Dilemma. Viele Führungskräfte delegieren zwar Aufgaben an ihre Mitarbeiter. Sie vereinbaren mit ihnen aber nicht, wie diese zu erfüllen sind und welchen Ansprüchen die Lösung genügen muss - dies ist aber zumindest bei anspruchvollen Aufgaben, die keine Routineaufgaben sind, unabdingbar. Des Weiteren klären sie mit ihnen nicht, welche Konsequenzen es hat, wenn die Aufgabe nicht adäquat wahrgenommen wird - für die Organisation und für den Mitarbeiter selbst.

Die Folge: Verhängt eine Führungskraft Sanktionen, weil ein Mitarbeiter die geforderte Leistung nicht erbracht hat, dann empfindet dieser das oft als Willkür. Ihm war weder klar, was von ihm erwartet wird, noch war er sich der Konsequenzen für den Fall bewusst, dass er die Erwartungen nicht erfüllt.

Kritik an Situation anpassen

Beim Kritisieren von Mitarbeitern gilt es zwei Situationen zu unterscheiden.

1. Ein Mitarbeiter bringt einmalig die geforderte Leistung nicht.

2. Ein Mitarbeiter bringt regelmäßig die geforderte Leistung nicht.

Bringt ein ansonsten guter Mitarbeiter einmal die geforderte Leistung nicht, schauen viele Führungskräfte darüber hinweg, weil sie den Mitarbeiter nicht vor den Kopf stoßen möchten. Das ist falsch. Auch dann sollten Sie als Führungskraft das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen - allein schon, um ihm zu signalisieren: "Ich habe es registriert". Damit vermeiden Sie, dass sich Gewohnheiten einschleichen. Teilen Sie als Führungskraft Ihrem Mitarbeiter jedoch zunächst stets nochmals mit, dass Sie ansonsten mit seiner Leistung zufrieden sind. Vermitteln Sie ihm also, dass Sie ihn aufgrund der guten Erfahrungen in der Vergangenheit mit "Vertrauen" führen - sozusagen an der langen Leine - und dass Sie dies auch künftig gerne tun möchten.

Klären Sie dann mit dem Mitarbeiter, warum er im konkreten Einzelfall nicht die übliche Leistung erbracht hat. Schließlich kann das unterschiedliche Ursachen haben: Sie haben womöglich Ihre Erwartungen nicht ausreichend deutlich gemacht. Oder es gab ein Missverständnis in der wechselseitigen Kommunikation. Oder der Mitarbeiter hat private Probleme, oder er war mit dieser speziellen Aufgabe überfordert.

Auch Folgendes sollten Sie im Gespräch deutlich machen: Der Mitarbeiter hat die Pflicht, an seine Führungskraft ein Signal zu senden, wenn er spürt: "Ich schaffe es nicht" - ganz gleich aus welchen Gründen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für das Führen mit Vertrauen. Denn gibt der Mitarbeiter das Signal rechtzeitig, ist noch ein Gegensteuern möglich. Anders ist die Ausgangslage, wenn ein Mitarbeiter seine Aufgaben regelmäßig nicht adäquat erfüllt - obwohl er die Anforderungen kannte.

Dann sollten Sie sich als Führungskraft zunächst kritisch fragen: Wie bin ich bisher mit solchen Situationen umgegangen? Habe ich stillschweigend darüber hinweggesehen oder den Mitarbeiter schon mehrfach auf seine Versäumnisse hingewiesen und ihm die möglichen Konsequenzen aufgezeigt?

Haben Sie in der Vergangenheit darüber hinweggesehen, dann sollten Sie auf keinen Fall sofort den "Dampfhammer" auspacken. Der Grund: Ein solches Verhalten empfindet der Mitarbeiter - und zumeist auch seine Kollegen - als ungerecht und willkürlich, da der Vorgesetzte in der Vergangenheit ein entsprechendes Verhalten toleriert hat. Also sollten Sie als Führungskraft im Gespräch zunächst aufzeigen, warum Sie mit seiner Leistung unzufrieden sind, und ihm darlegen, welche Erwartungen Sie künftig an ihn haben. Anschließend sollten Sie ihn fragen, ob er sich zutraut, diese Erwartungen zu erfüllen, und welche Unterstützung er benötigt. Kurz: Sie müssen die Zusammenarbeit auf eine neue Basis stellen, indem Sie Ihre künftigen Erwartungen klar artikulieren.

Konsequenzen nicht nur androhen

Ein anderes Führungsverhalten ist nötig, wenn ein Mitarbeiter regelmäßig Erwartungen nicht erfüllt, obwohl er diese und die möglichen Folgen eines Fehlverhaltens kennt. Dann gilt es im Gespräch zunächst zu konstatieren: Die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Anschließend sollten Sie die Ursache ermitteln: War der Mitarbeiter überfordert, oder hat die Zielabweichung eher Gründe, die im Bereich Arbeitseinstellung und -motivation liegen?

Ist der Mitarbeiter überfordert, sind zwei Konsequenzen möglich: Entweder der Mitarbeiter erhält künftig andere Aufgaben, oder er wird beim Wahrnehmen seiner Aufgaben stärker kontrolliert. Das heißt, Sie gehen als Führungskraft häufiger auf ihn zu und fragen ihn zum Beispiel: "Was haben Sie bisher getan?" oder "Was sind Ihre nächsten Schritte?"

Sie führen den Mitarbeiter also straffer - was sich letztlich auch in der Bezahlung widerspiegeln muss. Denn es macht einen qua- litativen Unterschied, ob ein Mitarbeiter gewisse Aufgaben eigeninitiativ und eigenverantwortlich erledigt oder nur mit Anleitung erfüllt.

Wieder anders ist die Ausgangslage, wenn ein Mitarbeiter nicht bereit ist, die gewünschte Leistung zu erbringen. Dann gilt es ihm zu vermitteln, dass er nicht besser dasteht als die Kollegen, denen die erforderliche Kompetenz hierzu fehlt. Im Gegenteil: Ein Mitarbeiter, der eine Leistung nicht erbringt, obwohl er dies könnte, beeinflusst das Verhalten seiner Kollegen - und zwar negativ. Folglich kann ein Unternehmen eine solche Arbeitshaltung nicht tolerieren. Das heißt, der Mitarbeiter muss die angekündigten Konsequenzen tragen.

Diese Konsequenzen können, abhängig von der Situation, sehr unterschiedlich sein. Erfüllt der Mitarbeiter seine Aufgaben nicht rechtzeitig, kann die Konsequenz lauten: "Dann müssen Sie eben - wie vereinbart - unbezahlte Überstunden machen." Oder wenn die Qualität der Leistung zu wünschen übrig lässt: "Dann kann ich Ihnen künftig nur noch Routineaufgaben übertragen, weshalb die gewünschte Gehaltserhöhung nicht möglich ist."

Kurz und gut, der Mitarbeiter muss spüren, dass den Ankündigungen auch Taten folgen. Er muss zudem begreifen: Sanktionen fallen nicht vom Himmel, sie sind eine logische Folge meines Verhaltens.

Mitarbeiter würdigen Klarheit und Konsequenz

Mitarbeitern, die regelmäßig Ihre Erwartungen nicht erfüllen, sollten Sie auch klar vermitteln, dass die Beziehung Führungskraft-Mitarbeiter stets von einem Geben und Nehmen geprägt ist.

Hierfür ein Beispiel: Ein Mitarbeiter liefert vereinbarte Aufgaben regelmäßig verspätet oder unvollständig ab. Dann ist im Gespräch auch mal die Frage erlaubt: "Wie würden Sie reagieren, wenn Sie Ihr Gehalt stets mit zehn Tagen Verspätung überwiesen bekämen oder wenn Ihnen am Monatsende nur 50 Prozent Ihres Gehalts überwiesen würden? Ach, Sie wären sauer und würden sich denken: Das ist kein zuverlässiger Arbeitgeber. Dann können Sie sich vermutlich vorstellen, was ich denke, wenn ...". Werden Mitarbeiter mit solchen Vergleichen konfrontiert, hat dies oft eine starke erzieherische Wirkung.

Folgendes sollten Sie beim Formulieren von Kritik aber stets beachten: Kritisieren Sie Mitarbeiter nie vor Kollegen, sondern stets hinter verschlossenen Türen. Und kritisieren Sie stets das Verhalten und nie die Person. Signalisieren Sie Ihren Mitarbeitern ferner: "Es liegt an Ihnen, wie sich unsere Beziehung mittel- und langfristig gestaltet, denn ich reagiere nur auf Ihr Verhalten." Mit einer Ausnahme: Sie betrachten den Mitarbeiter als unverbesserlich. Dann sollten Sie die nötigen Konsequenzen ziehen und sich von ihm trennen. MF

Zur Startseite