Rechtsanwalt Sebastian Deubelli zum Abmahnwesen

"Kleine und neue Webshops sind häufig in Gefahr"

16.03.2016
Von Christian Töpfer

Beendigungen, Kosten, Empfehlungen

Sind die meisten Abmahnungen aus rechtlicher Sicht überhaupt berechtigt?
Deubelli: Die meisten Abmahnungen, die ich bisher gesehen habe, sind zumindest rechtlich vertretbar. Was aber berechtigt oder nicht berechtigt ist, hängt stets von der Auffassung der Gerichte ab, da es meistens keine starren Vorschriften zur Bemessung gibt. Die Gerichte entscheiden im Einzelfall und im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit weitgehend frei. Deshalb kann die Frage nach dem exakten Umfang der Berechtigung einer Abmahnung häufig erst nach dem beschwerlichen Weg einer gerichtlichen Auseinandersetzung beantwortet werden.
Abmahnungen, denen das Wort "rechtswidrig" quasi über die Stirn geschrieben steht, sind in der Praxis sehr selten geworden. Denn nach der letzten Änderung des § 97a im Urheberrecht müsste in solchen Fällen der Abmahnende die Anwaltskosten des Abgemahnten selber tragen.

Sebastian Deubelli, auf Medien- und Urheberrecht spezialisierter Rechtsanwalt in Landshut (www.deubelli.com): "Eine Abmahnung sollte man keinesfalls ignorieren. Als erstes sollte sich mit dem gerügten Verstoß auseinandersetzen und prüfen, ob dieser tatsächlich begangen wurde."
Sebastian Deubelli, auf Medien- und Urheberrecht spezialisierter Rechtsanwalt in Landshut (www.deubelli.com): "Eine Abmahnung sollte man keinesfalls ignorieren. Als erstes sollte sich mit dem gerügten Verstoß auseinandersetzen und prüfen, ob dieser tatsächlich begangen wurde."
Foto: Alexey Testov

Wie enden die meisten Streitfälle?
Deubelli: Mit einer vergleichsweisen Einigung. Allerdings ist hier zwischen den geltend gemachten Ansprüchen zu unterscheiden. Der durchgesetzte Unterlassungsanspruch ist in der Regel voll zu erfüllen, da hier wenig Spielraum besteht und die Rechtsprechung in den meisten Rechtsgebieten sehr einheitlich ist. Anders ist dies bei den Schadensersatzansprüchen, sodass hier naturgemäß mehr verhandelt werden kann und wird. Das Standardszenario der Rechtsverteidigung gegen eine Abmahnung ist daher die Abgabe einer Unterlassungserklärung und die Verhandlung der daneben geltend gemachten finanziellen Forderung. Meist erkennt man recht schnell, ob eine außergerichtliche Einigung möglich ist oder ob die Positionen zu weit auseinander liegen und daher eine gerichtliche Auseinandersetzung notwendig wird.

Mit welchen Kosten müssen Firmen/Personen rechnen, die zu Recht abgemahnt wurden?
Deubelli: Das hängt stark vom Gegenstand der Abmahnung ab. Wie betreuen viele urheberrechtliche Fälle in unserer Kanzlei. Hier kommen im Falle einer Abmahnung aufgrund unberechtigter Verwendung eines einzelnen Bildes schnell mal 1.000 Euro Schadensersatz und rund 500 Euro Anwaltsgebühren zusammen. Es gibt aber auch wesentlich exponiertere Fälle. Der Spitzenreiter in unserer Kanzlei war mal eine Abmahnung mit knapp 25.000 Euro Schadensersatz.

Was soll man am besten tun, wenn man einen Online-Shop betreibt und eine Abmahnung erhält?
Deubelli: Zunächst ist es wichtig, dass die erhaltenen Abmahnungen nicht in den Papierkorb geworfen und ignoriert werden. Man sollte sich mit dem gerügten Verstoß auseinandersetzen und prüfen, ob dieser tatsächlich begangen wurde. Dann sollte man insbesondere dem Unterlassungsanspruch und besonders den gesetzten Fristen seine volle Aufmerksamkeit schenken.

Muss man immer einen Anwalt zu Rate ziehen?
Deubelli: Ob man sich für die Verteidigung einen Anwalt nehmen sollte, muss jeder für sich beantworten. Es gibt durchaus viele Vorlagen für Unterlassungserklärungen im Netz – aber teilweise mit nicht gesicherter Herkunft und von schwankender Qualität. Auch das Verhandeln eines Vergleichs ist kein Hexenwerk. Ich habe Abgemahnte kennengelernt, die sich recht gut ohne Anwalt mit der Sache befassen und zu helfen wissen.
Allerdings ist damit eben auch das Befassen angesprochen. Wer weder Lust noch Zeit hat, sich mit den Ansprüchen auseinanderzusetzen, die im Raum stehen, sollte sich wirklich überlegen, ob er sich einen Gefallen damit tut, wenn er sich – gegebenenfalls halbherzig – selbst der Sache annimmt.

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