Kleines Problem mit großer Wirkung

06.11.2006
Von Herbert Lefering
In der heutigen Folge unserer Serie "Geschichten aus dem Channel" erzählt Herbert Lefering von einem sehr leidensfähigen Kunden.

Als Vertriebsleiter von Tobit habe ich mich eigentlich sehr gerne um "Trouble-Management" gekümmert, sprich die Bearbeitung von Beschwerden unzufrie-dener Kunden oder Partner. Im Jahre 1998 erreichte mich das sechsseitige Beschwerdefax eines Kunden.

Seine Geschichte: Er war sehr lange im Maschinenbau tätig gewesen und hatte sich vor etwa zwölf Jahren selbstständig gemacht. Witzigerweise war sein Büro nicht einmal 20 Kilometer von unserem Firmengebäude entfernt. Dieser Kunde war eine "One Man Show", der Gebrauchtmaschinen in aller Welt einkaufte, diese zu einer Maschinenfabrik im Schwarzwald verfrachtete und von dort wieder in alle Welt verkaufte. Selten bekam er eine Maschine persönlich zu Gesicht. Die Maschinen bot er per Faxmailing an die Firmen aus seiner immer größer werdenden Adressdatenbank an.

Als ihm das dauernde Einlegen des immer gleichen Faxes in seinem traditionellen Faxgerät zu bunt wurde, wandte er sich an einen Computerhändler. Dieser hatte auch unsere Software "Faxware" im Portfolio und verkaufte dem Endkunden kurzerhand einen vollständig neuen Faxserver (benötigt wurden dazu ein neuer Rechner mit Monitor, eine Netware-Lösung von Novell, das Programm Faxware und ein Modem plus Einrichtung).

Aber die Rundsendungen brachen nach etwa zwei bis vier Faxen immer mit einem Server-Absturz ab. Der Händler wurde mehrere Male kontaktiert, ohne Erfolg für den Kunden - der Händler ließ sich dabei jede Stunde sehr wohl bezahlen. Die Unzufriedenheit beim Kunden wuchs.

Letztendlich wurde der Händler gewechselt, der gleich das Übel erkannte: Das geht nur mit ISDN. Folglich wurden dem Kunden ein Update von Netware, eine neue Telefonanlage und eine ISDN-Karte plus Einrichtung verkauft. Zwei Sachen blieben standhaft: die Faxware und der ständige Server-Absturz. Auch dieser Händler bekam mehrere Gelegenheiten zur "Nachbesserung", die allesamt in Rechnung gestellt wurden. Dann war für den Endkunden alles klar: Die Faxware musste der wunde Punkt sein.

Rechnungen in Höhe von 16.000 Mark

Daraus entstand dann das sechsseitige Telefax, in dem alle Kosten sauber aufgeführt waren. Insgesamt hatte der Endkunde weit über 16.000 DM von den beiden Händlern in Rechnung gestellt bekommen und fragte jetzt bei Tobit nach, in welcher Höhe sich Tobit an dem entstandenen Schaden beteiligen würde.

Per Fax habe ich den Kunden kurz darauf hingewiesen, dass unser Produkt an dem ganzen Kostenblock nur 290 DM Endkundenwert hätte und wir davon netto 145 DM von unseren Vertriebspartnern bekommen würden (Distributionsabgabepreis). Hier sei ich als Vertreter von Tobit grundsätzlich gesprächsbereit, die Software zurückzunehmen und den Betrag von 145 DM direkt zu erstatten.

Ich ließ dem Kunden dann ein wenig Zeit, das Fax zu studieren und rief ihn an. Er war perplex ob meiner Antwort. Ich sagte ihm, dass ich zu 99 Prozent von einer Fehlerquelle ausgehen würde, die nicht Tobit-Faxware heißt. Meinen Vorschlag, einen Techniker von uns vorbeizuschicken, hat er eher skeptisch aufgenommen, stimmte dann aber doch zu.

Noch am gleichen Tag fuhr einer der Tobit-Supporter auf dem Nachhauseweg beim Kunden vorbei. Nach zirka 20 Minuten und den Abschiedsworten "Jetzt läuft’s" war der Kunde wieder allein und rief mich gänzlich verunsichert an. Ich habe ihm dann empfohlen, das nächste Mailing einfach mal wieder mit Faxware auszupro- bieren.

Zwei Tage später war es so weit. Er nutzte das zeitversetzte Senden ab 18 Uhr, was seinerzeit noch deutlich günstiger war. Um 18.17 Uhr rief er mich vollkommen glücklich an, es seien schon über zehn Telefaxe verschickt worden, und der Server arbeitete weiter und weiter...

Am nächsten Tag habe ich mich dann mit unserem Techniker unterhalten und kurz nachgefragt, wo der Fehler lag. Der erklärte mir dann, dass der Netware-Server nicht ganz 100-prozentig sauber installiert worden war und dieser Fehler nie behoben wurde. Für ihn war das "alltäglich Brot", das er das ziemlich schnell finden und beheben konnte.

Vom Kunden selbst habe ich dann eine Woche später eine Flasche Cognac geschickt bekommen. Er war überglücklich, dass er jetzt Hunderte von Telefaxe in einer Nacht mit einem einzigen Auftrag (und ohne Sorgen) verschicken konnte. Die beiden betroffenen Computerhändler gibt es übrigens schon lange nicht mehr, was auch nicht weiter verwunderlich erscheint.

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