Kunden als Investoren

30.11.2006
Auf der Suche nach Kapital sollte man nicht nur die Hausbank ins Auge fassen: Auch Geschäftspartner, Bekannte und die eigenen Kunden könnten als Investoren interessant sein.

Von Marzena Fiok

Auf der Suche nach Investitionskapital muss der Blick des Unternehmers nicht nur auf seine Hausbank gerichtet sein. Warum nicht auf diejenigen zurückgreifen, die ohnehin im geschäftlichen Kontakt mit dem Unternehmen stehen - Geschäftspartner, Kunden und Bekannte - und unter denen sich nicht wenige finden könnten, die eine lukrative Geldanlage suchen?

Möglichkeiten einer solchen kapitalmäßigen Beteiligung gibt es zu Genüge: Genussrechte, stille Beteiligungen, Kommanditbeteiligungen, Genussscheine oder Inhaberschuldverschreibungen (Anleihen). Näheres findet sich unter www.eigenkapitalbeschaffung.de. Gegen eine zeitlich befristete oder dauerhafte Hingabe von Kapital nimmt der Geschäftspartner oder Kunde an dem unternehmerischen Erfolg teil, der unter anderem mit eben diesem Kapital erwirtschaftet wird. Handelt es sich um ein kleines oder mittelständisches Unternehmen, dann weiß zumindest der Stammkunde, was dort geboten wird und welche Personen dahinter stehen. Hat er als Kunde Vertrauen gefasst und erlebt tagtäglich, wie "sein Geschäft" floriert, dann wird er vielleicht Interesse daran haben, sich finanziell an "seinem Unternehmen" und dessen Erfolg zu beteiligen, der zu seinem eigenen wird.

"Auf diese Weise rückt der Kunde vom Ende der Umsatzkette als Endverbraucher an deren Anfang", meint Wirtschaftsanwalt Dr. Horst S. Werner von der Göttinger Kanzlei Dr. Werner, Dr. Gündel & Collegen. Erleben sich die Kunden sonst als diejenigen im Wirtschaftskreislauf, die Geld in einem fremden Geschäft ausgeben, an denen also ein Dritter verdient, so sind sie es nunmehr, aus deren Kapital ein Mehrwert geschaffen wird, der über den Absatzmarkt realisiert wird und an dem sie über die Gewinnbeteiligung partizipieren.

"Doch nicht allein der Kunde wechselt die Perspektive", führt Dr. Werner aus. "Für den Unternehmer kommt zu den Produkten seines Hauses ein weiteres Produkt auf der Passivseite der Bilanz, ein Kapitalanlageprodukt, hinzu. Neben den punktuellen und temporären Kontakten auf der Absatzseite kommt eine mittelfristige kapitalmäßige Verbindung auf der Finanzierungsseite zustande." Im Rahmen einer solchen strategischen Partnerschaft erhielt beispielsweise ein norddeutsches Musikinstrumenten-Handelsunternehmen von einem Hersteller 800.000 Euro zur Ausweitung des Versandhandels.

Vom Kunden zum Firmeninhaber

Die Verdoppelung und Verstärkung der Bindung und die Erweiterung des Produktsortiments eröffnen für den Unternehmer die Möglichkeit des doppelten Marketings oder "Cross-Sellings". So hat die Göttinger Contigo fair-trade-shops GmbH in ihren Geschäften, die in ihrem Kerngeschäft Kaffee und Produkte aus der Dritten Welt verkaufen, Unterlagen ausgelegt, die über die angebotene Beteiligung informieren. Das Interesse bei den Kunden war geweckt, und diese konnten ein umfassendes Unternehmensexposé der Contigo GmbH erhalten und bei Interesse die von Contigo begebenen Genussrechte zeichnen.

Auch der Stadtbäcker Böhn aus Cuxhaven mit seinen 16 Filialen und 85 Mitarbeitern hat seinen Kunden ein Beteiligungsangebot zwecks weiterer Investitionsfinanzierungen unterbreitet. So erfährt der Kunde auch räumlich, wohin sein Geld fließt, anstatt dass er es einem vielleicht namhaften, aber gesichtslosen Anbieter zur Verfügung stellt.

Der Vertrag über die Beteiligung kommt direkt zwischen dem Kunden als Anleger und dem Unternehmen zustande. Auf diesem Weg hat Contigo seine deutschlandweite Expansion finanziert, was die Hausbank auf Kreditbasis vor dem Hintergrund von Basel II abgelehnt hatte: Die Kunden legten über 900.000 Euro ein.

"Liegt der Kapitalbedarf des Unternehmens unter 300.000 Euro, ist die Kapitalbeschaffung unkompliziert auch ohne gesetzlich vor- geschriebenen Verkaufsprospekt möglich", ergänzt der Wirtschafts- und Steueranwalt Dr. Werner. Der Anleger erhält die wichtigsten Informationen und Unterlagen ausgehändigt, schließt den Vertrag mit dem Unternehmer ab und überweist die Beteiligungssumme. Unternehmen können ihr Angebot für ihre Beteiligungen einfach in ihre Kundenzeitungen, Newsletter oder Internetauftritte integrieren und die Kunden so über einen vertrauten Kanal ansprechen.

Das Beteiligungsangebot kann auch exklusiv an ausgewählte Kunden und Geschäftspartner gerichtet werden. Dies nennt man eine "Family-and-Friends-Platzierung" wie sie in Nordamerika seit Jahrzehnten üblich ist und die Eigenkapitalquote der Unternehmen wesentlich verbessert. Geht es um eine größere Beteiligungssumme, ist die Erstellung eines solchen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigten Verkaufsprospekts nötig.

Investiert wird auch in das Vertrauen

Für Unternehmer wie Kunden, Geschäftspartner und Anleger heißt es, Synergien zu nutzen. Kunden und Geschäftspartner, die dem Unternehmen finanziell langfristig verbunden sind und eine Vertrauensinvestition vornehmen, wird der Unternehmer besonders schätzen. Dieser Weg sichert die Zukunft des Unternehmens und die Arbeitsplätze. Und Unternehmen, in die der Anleger langfristig Geld investiert hat, wird er der beste Kunde sein. Beide Parteien erzielen anderweitig kaum erreichbare Erfolge: Der Unternehmer kann sein benötigtes Investitionskapital erlangen; der Kunde oder Geschäftspartner als Anleger erzielt eine sonst kaum erreichbare Rendite, die marktüblich zwischen sieben und zehn Prozent liegt.

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