Linux-Distributor schmeißt sich an Microsoft heran und erkennt sogar dessen Linux-Patentansprüche an

14.06.2007
Der dritte Linux-Distributor geht ein Abkommen ein, das seine Anwender von Patentrechtsansprüchen des Redmonder Riesens ausschließt.

Dieser Vertrag dürfte einen Aufschrei der Empörung in weiten Teilen der Open-Source-Community zur Folge haben. Denn das, worin Linspire gegenüber Microsoft eingewilligt hat, geht noch über die Zugeständnisse hinaus, auf die sich Novell und Xandros eingelassen haben (hier Details zu den Microsoft-Verträgen mit Novell und Xandros): Erstens erkennt Linspire explizit Microsoft-Patentansprüche auf Codeteile seiner Linux-Distribution an. Zweitens werden in Linspire 5.0 verschiedene Microsoft-Techniken augenommen, die Lizenzverträge mit Microsoft erfordern und als Default-Einstellung den Anwendern vorgegeben werden.

Im Einzelnen sieht der Linspire-Microsoft-Vertrag vor: Linspire-Anwender stehen unter dem Schutz einer "Intellectual property Assurance", die sie von den seitens Microsoft unspezifiziert erhobenen Patentansprüchen gegen Linux und andere Open-Source-Produkte (mehr dazu hier) ausnimmt. In der gemeinsamen Presseerklärung der Vertragspartner heißt es sogar: "Die Linspire-Technologien, die sie verwenden, bergen Rechte relevanter Microsoft-Patente". Unausgesprochen ist, ob sich diese Formulierung auf Linspire-eigene Techniken bezieht oder auch auf Open-Source-Code, wie er in anderen Distributionen zu finden ist.

Ferner vereinbarten die Vertragspartner, ähnlich wie in den Fällen Novell und Xandros Open-Source-Übersetzer zwischen MS Office und OpenOffice entwickeln zu wollen. Linspire bekommt eine Lizenz für Microsofts RT Audio Codec, und die Linux-Distribution soll künftig die Audio- und Video-Codecs von Windows Media 10 unterstützen. Dies soll laut Presseerklärung der Interoperabilität von Linspires Instant-Messaging-Client "Pidgin" und den Microsoft- Tools "Office Communicator" und "Windows Live Messenger" dienen. Linspire erhält ferner eine Lizenz auf verschiedene Microsoft-Schriftfonts, darunter Arial, Georgia, Times New Roman und Verdana.

Es folgen zwei Punkte, die für Ärger sorgen werden: Linspire-Anwender werden die Rechte zur Nutzung der genannten Microsoft-Techniken für Instant-Messaging, Audio- und Video-Techniken sowie Schriftfonts nur verwenden dürfen, wenn sie jeweils separate Patentnutzungsabkommen mit Microsoft abschließen. Darüber hinaus wird Linspire in der Version 5.0 seiner Linux-Distribution die Microsoft-Technik "Live Search" aus "Windows Live" als Standardeinstellung (Default) für die Internet-Suchmaschine einrichten.

Ob, in welchen Richtungen und in welcher Höhe das Abkommen mit Geldflüssen verbunden ist, haben die Vertragspartner nicht mitgeteilt. Schon 2004 haben Linspire und Microsoft einen Friedensvertrag abgeschlossen, aufgrund dessen der Linux-Distributor gegen eine Zahlung von 20 Millionen Dollar seinen ursprünglichen Produkt- und Firmennamen "Lindows" aufgab. Gleichzeitig legte das spätestens seit diesem Moment in der Open-Source-Community verachtete Unternehmen verschiedene Patentstreitigkeiten mit Microsoft bei und erwarb von den Redmondern mehrere Rechte auf Windows Media Codecs. (ls)

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