Man sieht sich mindestens zweimal...

15.01.2007
Von Herbert Lefering
In der heutigen Folge unserer Serie "Geschichten aus dem Channel" erzählt Herbert Lefering von einem arroganten Manager und einem freudigen Wiedersehen.

Als Vertriebsleiter von Tobit war ich persönlich auch für die Akquise und Betreuung der Distributoren zuständig. Zur Zeit dieser Geschichte hatten wir mit Computer 2000 in München (jetzt Tech Data) und Compu-Shack (integriert in Ingram Micro) bereits Verträge. Auf unserer Liste ganz weit oben stand Distributor Frank & Walter (F&W) in Braunschweig, den wir unbedingt akquirieren wollten.

Nach einigen Mühen hatte ich dann einen Termin beim "Produkt Manager Netzwerke" bekommen. Gut vorbereitet, wurde die Reise nach Braunschweig dann aber ein Reinfall. Der "Typ" (ein echt arroganter Sack) wollte uns nur eine Seite in seinem Katalog verkaufen - ohne richtiges Interesse am Absatz unserer Produkte. Und das zu einem horrenden Preis. Ganz ausführlich erzählte er uns stolz, wie er immer die Hersteller gegeneinander ausspielen würde (zum Beispiel im USV-Bereich Effekta und Online-USV). Dann eben nicht, sagte ich mir und legte das Thema ad acta.

Das Lockmittel wirkt

Fast exakt drei Monate später kontaktierte mich der EDV-Leiter von Frank & Walter zwecks einer Teststellung unserer Softwarelösung FaxWare. Bislang hatte man eine eigens gestrickte Lösung eingesetzt. Aber das Volumen bei F&W war derart rasant gestiegen, dass man nun pro Nacht (Spätversand ab 18 Uhr abends) zirka 12.000 bis 15.000 Faxe absetzen wollte.

Spezielle Vorgabe: Jedes Fax war individualisiert und trug zum Beispiel die Kundennummer des einzelnen Kunden. Somit musste jedes einzelne Telefax vor dem Faxversand in das Faxformat konvertiert werden. Für sämtliche unserer Wettbewerber unmöglich, für FaxWare kein Problem, die Teststellung lief problemlos.

Dann folgte die Anfrage des EDV-Leiters nach dem Preis für unsere Faxlösung mit insgesamt 250 Leitungen, über die man gleichzeitig die Faxe verschicken wollte. Kurz und gut: Wir haben die Faxlösung als kostenlose Leihstellung zur Verfügung gestellt - unter einer wirklich wichtigen Bedingung: Die Kopfzeile der Telefaxe durfte nicht modifiziert werden. Der EDV-Leiter war glücklich: Technisch hatte er die Problematik mit Bravour gemeistert und budgettechnisch nichts ausgegeben.

Es kam, was kommen sollte: Die vielen Händler reagierten auf die Telefaxe und erkundigten sich bei ihren Ansprechpartnern im Vertrieb nach der neuen Faxlösung (das Logo FaxWare war immer schön rechts oben auf jedem Fax zu sehen). Die Anfragen häuften sich, und nur zwei Wochen später hatte ich einen Anruf vom Gesamtvertriebsleiter von F&W zwecks Vereinbarung über einen Distributionsvertrag.

Bei dem Besuch war dann auch mein lieber arroganter Ansprechpartner vom ersten Meeting anwesend. Ich habe zunächst das erste Meeting kurz Revue passieren lassen und das Desinteresse von Tobit an einem Distributionsvertrag mit F&W unter diesen Bedingungen dargestellt. Allerdings "konnten" die F&W-Verantwortlichen hier von der Geschäftsmaxime nicht abweichen.

Der Machtkampf eskaliert

Mein Angebot, einen Subdistributionsvertrag abzuschließen und ab einem entsprechenden Umsatzvolumen über einen Direktvertrag zu verhandeln, wurde abgelehnt. Stattdessen wurde seitens des Vertriebsleiters angedroht, dafür Sorge zu trage, dass FaxWare ersetzt werden würde, was auch den Beifall von "Mr. Arroganz" fand. Weniger enttäuscht als beim ersten Trip, aber deutlich gespannter ob der künftigen Ereignisse, fuhr ich wieder nach Hause.

Der nun entstehende Machtkampf zwischen dem Vertriebsleiter ("Die FaxWare fliegt raus!") und dem EDV-Leiter ("Die FaxWare bleibt!") eskalierte innerhalb kürzester Zeit bis in die Geschäftsleitung. Dort traf man sehr schnell die Entscheidung, dass FaxWare bleibt und die Vertriebsleitung schnellstens dafür Sorge zu tragen habe, die Tobit-Vorgaben zu erfüllen, damit man die Tobit-Produkte schnellstens direkt beziehen könnte.

Ende gut - alles gut

Letztendlich hat Frank & Walter nie einen Direktvertrag mit Tobit bekommen, was aus verschiedenen Gründen sehr gut war, wie sich aber erst nachher rausstellen sollte. Wäre "Mr. Arroganz" nicht gewesen, wäre sicherlich alles anders, aber nicht besser gekommen. Man muss auch mal Glück haben dürfen.

Kennen Sie auch solche Anekdoten aus der Branche? Schreiben Sie sie auf und schicken Sie sie uns zu. Wir honorieren jede Veröffentlichung mit 100 Euro. Auf Wunsch auch anonym.

Kontakt: redaktion@channelpartner.de

Zur Startseite