Kundenservice mit Chatbot und Messenger

Mehr Kaufabschlüsse mit Conversational Commerce

Nach dem Abschluss seines  Masters in der Betriebswirtschaft war Julien Hervouet als Produktmanager bei Zlio tätig. 2010,  gründet er im Alter von 28 Jahren, gemeinsam mit Jonathan Gueron, iAdvize.
Online-Händler versuchen in der Regel mehr Kaufabschlüsse zu erzeugen, indem sie die Besucherfrequenz in ihrem Shop steigern. Wesentlich effektiver ist es jedoch, die Konversionsrate zu erhöhen, statt nur zusätzliche Klicks zu erzeugen.

E-Commerce-Anbieter berechnen den Erfolg ihres Online-Shops meist folgendermaßen: Anzahl der Besucher x Konversionsrate x durchschnittlicher Warenkorb. Leider liegt die Konversionsrate im E-Commerce heute jedoch nur bei zirka 3 Prozent – im stationären Handel sind es dagegen rund 40 Prozent! Online-Händler nehmen das als gegeben hin und drehen deshalb nur an der Traffic-Stellschraube. Das Marketing bekommt das Ziel gesetzt, den Traffic zu verdoppeln, um so diesen Stellhebel zu beeinflussen. Das ist die einfachste Aktion, die "nur" das entsprechende Budget und Ressourcen benötigt.

Der Einkauf im stationären Handel bietet eine Kundenerfahrung, die sich online nur schwer nachbilden lässt.
Der Einkauf im stationären Handel bietet eine Kundenerfahrung, die sich online nur schwer nachbilden lässt.
Foto: dotshock - shutterstock.com

Warum aber ist die Konversationsrate im stationären Handel so viel höher? Nun - die Customer Experience in einem Geschäft sieht anders aus als beim Online-Kauf, sie ist visuell und haptisch. Der Kunde kann sich jederzeit an einen Verkäufer wenden oder mit einem anderen Kunden austauschen. Der Austausch ist persönlich und der Verkäufer hat mehr Chancen, den potenziellen Kunden "zu überzeugen". Im E-Commerce muss der Vertrieb andere Wege gehen. Ziel ist es auch hier, die Customer Experience online persönlicher zu gestalten.

Wenn Sie Ihren Chef zum Essen einladen, achten Sie auf den Wein, den Sie ihm servieren. Um, den Richtigen auszuwählen werden Sie ihrem Weinhändler vertrauen. Diese Expertise und das Vertrauen, dass sie in diese Person haben sollte sich auch beim Online-Shopping wiederfinden lassen.

Unmöglich? Nein, denn eine radikale Veränderung des Nutzerverhaltens hat bereits begonnen: Diese nennt sich Messaging. 40 Prozent der Bevölkerung weltweit haben eine Internetverbindung. Dies entspricht 3,2 Milliarden Menschen. Unter ihnen nutzen bereits 2,5 Milliarden eine Messenger-App. Diese Anzahl zeigt vor allem zwei Dinge: Auch beim Online-Shopping suchen die Kunden nach einer "Conversational Experience" (einer Customer Experience im direkten Austausch mit der Marke). Messenger-Apps und andere Technologien machen dies heute schon für 2,5 Milliarden Menschen möglich.

Die komplexen und eingeschränkten Nutzeroberflächen in klassischen Apps werden Stück für Stück verschwinden, um den Platz der intuitiven Conversational Experience zu überlassen. Nach Angaben des Mobile App Reports von comScore laden 65,5 Prozent der amerikanischen Smartphone-Nutzer keine Apps mehr herunter. Immer größer werdende Messaging-Apps werden somit zu Plattformen umgestaltet.

Messaging-Apps als Interaktionsplattformen und Browser

Die digitalen Anknüpfungspunkte werden immer vielfältiger: Websites und mobile Seiten, native Apps, soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook, Instagram oder Pinterest und Messaging-Plattformen wie WhatsApp, Messenger, WeChat, oder Kik teilen sich die Aufmerksamkeit des Anwenders. Die Nutzerzahlen steigen exponentiell. Die Marken stehen also vor der großen Herausforderung der allgegenwärtigen Kommunikation. Ihre Kunden möchten überall und in Echtzeit mit ihnen sprechen. Unternehmen müssen ihnen an allen Touchpoints schnell auf ihre Fragen antworten.

Zur Bearbeitung der Kundennachrichten werden immer mehr Service-Bots eingesetzt. Diese "Roboter" werden heutzutage noch von Menschen trainiert. Der Bot "M" von Facebook benötigt beispielsweise 2.000 Berater, die diese Maschine immer weiter trainieren und managen. Heute werden noch rund 50 Prozent der Anfragen von Menschen bearbeitet. Messaging-Experten behaupten allerdings, dass 30 Prozent der Unterhaltungen auch von Bots geführt werden könnten.

Roboter werden Menschen aber nicht ersetzen können, denn gerade jetzt gewinnt der Dialog immer mehr an Relevanz. Diese Erfahrung hat auch Microsoft mit seinem missglückten Chatbot "Tay.ai" machen müssen.

Customer Experience ist das A und O im heutigen Marketing

Die Unternehmen, die sich auf diese Herausforderungen einlassen, werden ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus sein. Die auf dem Markt bestehenden Angebote werden einheitlicher. Der Wettbewerb hat den Preis nach unten gedrückt, doch gleichzeitig müssen die Unternehmen ihren Kunden das Gefühl geben, umsorgt zu sein und die richtige Wahl getroffen zu haben. Sind sie dann zufrieden, empfehlen sie das Unternehmen weiter. Und genau hier wird der Unterschied liegen, warum sich ein Kunde beim nächsten Kauf wieder für das Unternehmen entscheidet.

Es gibt bereits Beispiele, die dies bestätigen: Der Online-Schuhladen Zappos hat seine gesamte Strategie auf die Customer Experience konzentriert. Bevor das Unternehmen für eine Milliarde Dollar an Amazon verkauft wurde, gab es kein Marketing-Budget. Der einzige Stellhebel war die Weiterempfehlung und der Kundenservice. Die Preise sind nicht günstiger, aber die Kunden kaufen dennoch dort. Warum? Weil die Kunden von Zappos ihrem Bekanntenkreis empfehlen, ebenfalls auf Zappos zu kaufen.

Unternehmen sollten sich dies zu Herzen nehmen und ansprechende Konditionen für die Weiterempfehlung bieten. Heute ist die Unterhaltung ein neues Kapital. Die überdimensionierten Budgets für Traffic-Akquisition sollten also besser in die Customer Experience investiert werden. (haf)

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