Microsoft konkretisiert seine SOA-Strategie

30.11.2007
Mit der Initiative "Oslo" will Microsoft Unternehmen den Einstieg in eine Service-orientierte Architektur (SOA) erleichtern. Doch bis erste Produkte auf den Markt kommen dürfte noch mindestens ein Jahr vergehen.

Seit der ersten Ankündigung der Oslo-Roadmap am Firmenhauptsitz in Redmond läuft die Marketing-Maschine Microsofts auch in Sachen SOA auf Hochtouren. Mit einer internationalen Roadshow versucht die Windows-Company derzeit, ihre Konzepte zum Aufbau einer SOA bekannter zu machen. "Viele unserer Konkurrenten verkaufen SOA-Produkte", erklärte Gavin King, Senior Product Manager BizTalk Server auf einer Presseveranstaltung in München. Hinter SOA stecke indes kein Produkt sondern ein Architekturstil. Der wesentliche Nutzen einer SOA liege in der Agilität, die Unternehmen damit erreichen könnten, genauer gesagt in der Fähigkeit, Geschäftsprozesse rasch zu ändern. Im Gegensatz zu den großen Anbietern von Infrastruktursoftware verfolge Microsoft einen pragmatischen Ansatz, der den Aufbau einer SOA in vielen kleinen Schritten, vor allem aber mit einer deutlich niedrigeren Eintrittsschwelle ermögliche.

Microsofts SOA-Vision

Natürlich geht es auch in Microsofts "SOA-Vision" letztlich um Produkte, was schon am Aufgabenbereich Kings deutlich wird: Im Mittelpunkt steht die Integrations- und Ablaufplattform BizTalk Server, die der Softwarekonzern zum zentralen Hub einer Service-orientierten Architektur ausbauen will. Die Oslo zugrunde liegenden Konzepte sollen schrittweise in künftige Versionen der hauseigenen Produkte einfließen, darunter BizTalk Server 6, BizTalk Services 1, Visual Studio 10, das .NET Framework 4 sowie System Center 5. Im Wesentlichen dreht sich Oslo um drei Kernkomponenten: eine Art Meta-Modellierungssprache, die Business- und IT-Mitarbeiter gleichermaßen nutzen sollen, ein übergreifendes Repository und den sogenannten Internet Service Bus (ISB) in Form der BizTalk Services. Microsofts Ansatz sehe vor, die künftige Services-Plattform nicht nur im Unternehmen sondern auch darüber hinaus nutzbar zu machen, erläuterte King. Die BizTalk Services erweiterten Applikationen über die Firewall hinaus.

Internet Service Bus integriert Anwendungen

In seinen Funktionen sei der ISB vergleichbar mit denen eines Enterprise Service Bus (ESB) für unternehmensinterne Zwecke, wie ihn etliche Softwarehersteller als Teil eines SOA-Stacks anbieten. Er übernimmt beispielsweise Aufgaben wie Message Routing oder Datentransformation. Darüber hinaus soll er sich mit Hilfe von Internet-Protokollen über Plattform- und Unternehmensgrenzen hinweg und damit auch außerhalb der Firewall nutzen lassen. Das System verwendet eine Publish-and-Subscribe Engine als Mechanismus, um Services zur Verfügung zu stellen.

Laut King handelt es sich beim ISB nicht um ein Produkt im herkömmlichen Sinn. Vielmehr steckten von Microsoft gehostete Services dahinter, die Unternehmen ohne großen Installationsaufwand in Anspruch nehmen könnten. Der Manager nannte diese Variante "Integration via Services". Klassische ESB-Produkte seien in der Regel mit hohen Anschaffungs- und Einführungskosten verbunden. Mit den BizTalk-Services könnten Kunden solche Aufwändungen vermeiden. Als eine Art ESB Light ließen sich die BizTalk Services auch ohne den schwergewichtigen BizTalk-Server nutzen, eine Option, die vor allem für kleine und mittlere Unternehmen interessant sein könne.

Modellierung steht im Mittelpunkt

Ein wesentliches Ziel von Oslo ist es, zusammengesetzte Anwendungen (Composite Applications) möglichst einfach aus Softwareservices zu erstellen. Auch damit will Microsoft die Einstiegshürden für eine SOA senken. In diesem Kontext arbeitet der Hersteller an einer Meta-Modellierungssprache, die wesentlich einfacher zu nutzen sein soll als bisherige Systeme. Am Ende sehen die Strategen eine einheitliche Modellierungsumgebung für Business-Analysten, Architekten, Softwareentwickler und andere IT-Mitarbeiter. Über einen "Universal Editor" erhielten alle Beteiligten eine End-to-End-Sicht auf alle Modelle, die IT- und Geschäftsprozesse abbilden, lautet das Versprechen. Die Produktivität in der Serviceentwicklung lasse sich auf diese Weise um ein Vielfaches steigern. Microsoft spricht in diesem Zusammenhang auch von einer "höheren Abstraktionsebene".

In welcher Form diese Metaebene Eingang in künftige Produkte wie Visual Studio finden soll, ist offen. Dwight Davis vom Marktforschungs- und Beratungshaus Ovum vermutet, dass sich Microsoft dabei an der Services Modeling Language (SML) orientiert, die von zahlreichen IT-Herstellern unterstützt wird. Wie erfolgreich die Initiative der Windows-Company sein kann, muss sich erst noch erweisen. Eine universelle Sprache für die Modellierung von Prozessen und Anwendungen gehört zu den lang gehegten Träumen der IT-Anbieter, die bisher nicht in Erfüllung gegangen sind.

Repository für Metadaten

Eng mit der Modellierungsumgebung verbunden ist eine Art Meta-Repository für SOA-Artefakte. Auch hier hat Microsoft noch nicht entschieden, ob das System als Stand-alone-Produkt vermarktet oder in andere Produkte integriert wird. Wahrscheinlich ist, dass das Repository auf der hauseigenen Datenbank SQL Server aufsetzen wird. Auf Repository-Funktionen zurückgreifen sollen dabei sowohl der BizTalk-Server als auch die Entwicklungsumgebung Visual Studio und das System-Management-Produkt System Center.

Geteiltes Echo von Analysten

Bis die Oslo-Roadmap komplett umgesetzt ist, könnten zwei bis drei Jahre vergehen, erklärte Produkt-Manager King. Erste Testversionen sollen 2008 verfügbar sein. Entsprechend zurückhaltend fallen die Kommentare von Analysten aus. "Oslo ist Microsofts Versuch, in den Marktsegmenten für Service-orientierte Architekturen (SOA) und Geschäftsprozess-Management Boden gutzumachen", urteilt etwa Gartner in einer ersten Bewertung. Zudem bereite Oslo den Boden für weitere Fortschritte im Bereich Software-as-a-Service (SaaS). "Mit Oslo bietet sich für Microsoft die Gelegenheit, aus seiner SOA-Isolation herauszubrechen und in eine Vorreiterrolle überzuwechseln."

Dabei gehe die Initiative zum Teil weiter als derzeitige modellgetriebene Ansätze, beispielsweise hinsichtlich der geplanten Meta-Modellierungssprache. Allerdings sei Microsoft spät in den Markt für Composite Applications eingetreten: "Falls nicht in kurzer Zeit weitere Details (…) veröffentlicht werden, besteht die Gefahr, dass Oslo entweder als Nachahmerprodukt oder unrealistischer Plan eingeschätzt wird."

Auch Ovum-Experte Davis sieht in der Initiative einen Schritt in die richtige Richtung. Oslo helfe dabei, Microsofts Pläne für eine Service-Orientierung und eine Prozess- und Modell-basierende Entwicklung deutlicher zu machen. Bisher allerdings handele sich lediglich um eine "ambitionierte Roadmap".

Mehr zum Thema Service-orientierte Architekturen finden Sie im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE. (wh)

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