Microsoft schiebt Apertum auf das Abstellgleis der Software-Geschichte

25.09.2003
Die Odyssee der einst von SCI entwickelten ERP-Suite "Apertum" hat ein Ende: Microsoft entwickelt die Unternehmenssoftware nicht mehr weiter. Partnern und Kunden versprechen die Redmonder Alternativen.

Für Apertum ist die Tür bei Microsoft zu. Das kurz nach der Cebit 2003 mit einem Kaiserschnitt auf die Welt gebrachte Release 4.0 der ERP-Suite wird auch das letzte sein: Der Geschäftsbereich Business Solutions von Microsoft (MBS) stellt die Weiterentwicklung der einst von der SCI GmbH (siehe Kasten) entwickelten Anwendungssoftware ein. Bis 31.12.2004 können Apertum-Partner die Version 4.0 noch weiterverkaufen.

Navision-Light soll unteren Mittelstand adressieren

Die Redmonder setzen aber künftig nur noch auf die von der ehemaligen Navision eingebrachten ERP-Suites "Axapta" und "Navision" (ehemals "Attain", "Financials"). "Deren technologische Weiterentwicklung garantieren wir bis 2012", betont Jürgen Baier, Leiter der Geschäftseinheit Microsoft Business Solutions.

Apertum-Kunden bietet dieGates-Company zwei Möglichkeiten: Sie können ihre Apertum-Version weiter einsetzen und erhalten bis 2010 Maintenance, oder sie können über Migrations-Tools auf Navision beziehungsweise Axapta umsteigen. Bei Verfügbarkeit einer Dotnet-Lösung soll es Kunden möglich sein, ohne zusätzliche Lizenzkosten und bei bestehendem Wartungsvertrag zu wechseln.

Von den 1.000 Apertum-Installationen sind 700 mit einem solchen ausgestattet. Die restlichen 300 Kunden müssten also noch einen Wartungsvertrag abschließen, wenn sie Service-Packs und notwendige gesetzliche Änderungen für die Software beziehen möchten. Bei zwölf Prozent des Lizenzpreises würden so noch ein paar Euro in die Microsoft-Kassen fließen: "Wir wollen gegenüber unseren Partnern und Kunden berechenbar sein", betont Wolfgang Ebermann, Leiter Small & Mid Market Solutions and Partners (SMS&P).

Der Microsoft-Manager hatte gehofft, das MBS-Portfolio so positionieren zu können, dass beide Channels nicht im Wettbewerb stehen. Jetzt muss Ebermann die starke Wettbewerbssituation im MBS-Channel eingestehen: "Apertum- und Navision-Partner begegnen sich sehr häufig beim selben Kunden."

Doch das dürfte nicht der alleinige Grund für die Entscheidung sein. Laut internen Quellen hat Apertum im abgelaufenen Geschäftsjahr nur fünf Prozent zum Gesamtergebnis von MBS in Deutschland beigetragen.

Microsoft erteilt Partner-Buy-out eine Absage

Bei Apertum-Partnern und -Kunden dürfte die Hiobsbotschaft trotzdem auf wenig Gegenliebe stoßen. Das weiß auch Ebermann. Der Microsoft-Manager will deshalb bis Ende des Jahres die ERP-Suite "Navision Standard" zusammen mit "MS-CRM" auf den Markt bringen. Für bestehende Apertum-Partner soll die Zertifizierung, Kosten zirka 20.000 Euro, für dieses Anwendungspaket kostenlos sein. Mit der Light-Version von Navision möchte die Gates-Company den unteren Mittelstandsmarkt adressieren. Zu Preisen und Lizenz-modell wollte Ebermann keine Angaben machen. Baier verriet zumindest die avisierte Zielgruppe: "Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit zehn Anwendern." Damit tritt Microsoft in klare Konkurrenz zu SAP mit "Business One", das auf den SQL-Server der Redmonder aufsetzt, aber auch zu den Lösungen seiner Independent Software Vendors wie Sage KHK.

Wie viele der Apertum-Händler in das Zweite-Klasse-Abteil des Navision-Zuges aufspringen, bleibt abzuwarten. Viele Channel-Partner sind enttäuscht von der Entscheidung Microsofts. Auch Olaf Börner, Geschäftsführer des gleichnamigen EDV-Service, der mit dem Entwicklungsteam von Microsoft die letzte Apertum-Version mit viel Herzblut auf dem Markt gebracht hat: "Das Team hat alles für die Software gegeben." Microsoft hätte seinen Partnern noch ein Jahr Zeit lassen sollen, weil die Version 4.0 gerade ins Rollen komme: "Dann hätten wir beweisen können, dass Apertum am Markt voll wettbewerbsfähig ist", betont Börner. Einem Buy-out des Produkts durch seine Partner erteilte Microsoft-Manger Eber-mann aber eine klare Absage.

Gerhard Kratzer, Geschäftsführer bei Kratzer Systemhaus, bleibt dennoch gelassen - vorausgesetzt, die Gates-Company hält ihr Maintenance-Versprechen. "Wenn die Dotnet-Lösung in absehbarer Zeit kommt, ist es vorstellbar, mit Apertum bis dahin zu leben."

Konkurrenz offeriert Migrationsangebote

Die Dotnet-Lösung soll laut Microsoft in drei bis vier Jahren verfügbar sein. Das zu glauben dürfte nicht allen Betroffenen leicht fallen: Jürgen Baier teilte im MBS-Kundenmagazin zu dem von ihm verantworteten Softwareportfolio mit: "... Unternehmen wollen eine professionelle Software von einem zuverlässigen Anbieter, der konsequent in die Weiterentwicklung seiner Technologien investiert ..."

Das plötzliche Aus für Apertum erschüttert das Vertrauen der Partner und Kunden umso mehr. Da-raus wollen auch die Wettbewerber Kapital schlagen: "Wir offerieren ein Cross-Upgrade", erklärt beispielsweise Godelef Kühl, Geschäftsführer beim Softwarehersteller Godesys. Für sein ERP-Paket "SO" verlangt Kühl von Apertum-Anwendern 30 Prozent des Standardlizenz-Preises - allerdings nur bis Ende 2003.

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar auf Seite 8. (hei)

www.navision.de; www.apertum.de

Die Apertum-Odyssee

März 1998: Apertum-Entwickler SCI aus Gilching bringt das ERP-Paket in die Fusion mit BTK ein.

Januar 2000: Great Plains übernimmt die aus dem Zusammenschluss entstandene BTK Software & Consulting AG.

Dezember 2000: Microsoft kauft Great Plains auf.

September 2003: Microsoft beschließt, die Entwicklung von Apertum einzustellen.

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