"Musste die Reißleine ziehen"

03.09.2007
Seit rund drei Monaten lenkt Hans-Jürgen Bahde, Ex-Deutschland-Chef von Avaya-Tenovis, die Geschicke des Kölner IT-Dienstleisters Arxes. Nun muss er 170 Mitarbeiter entlassen. ChannelPartner-Redakteur Alexander Roth hat Bahde zu den Hintergründen befragt.

Herr Bahde, Sie haben Ende August angekündigt, 170 Ihrer 800 Mitarbeiter zu entlassen. Was hat Sie zu diesem Schritt veranlasst?

Hans-Jürgen Bahde: Der Auftrag unseres Großkunden BMW hat sich für uns als nicht mehr wirtschaftlich und defizitär dargestellt. Es waren zwar Verluste aus der anfänglichen Übergangphase einkalkuliert, als wir das Projekt vor einem Jahr vom vorigen Serviceprovider übernommen haben, doch das Ganze dauerte zu lange. Vor diesem Hintergrund habe ich als neuer CEO den Vertrag außerordentlich gekündigt. Da viele unserer Mitarbeiter sehr stark auftragsbezogen beschäftigt sind, sahen wir uns schweren Herzens gezwungen, entsprechende personelle Anpassungen vorzunehmen.

Welche Mitarbeiter sind betroffen?

Bahde: Diejenigen, die "on site", also vor Ort bei BMW, beschäftigt waren. 120 Personen hatten wir in den vergangenen Monaten eigens für dieses Projekt eingestellt. Dazu kommt das Personal, das direkt mit dem Auftrag zu tun hatte, etwa aus der Planung oder der Steuerung. Da wir einvernehmlich mit BMW einen laufenden Übergang mit einem neuen Serviceprovider anstreben, gehen wir davon aus, dass einige Mitarbeiter auch nahtlos von diesem übernommen werden können.

Was war denn schief gelaufen?

Bahde: Wenn man einen so großen Outsourcing-Deal vereinbart, der Desktop- und Infrastrukturleistungen umfasst, hat man zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht alle Detailinformationen über die Rahmenbedingungen im Blick - beispielsweise was die Mitwirkung des Auftraggebers betrifft. Uns lagen einfach nicht alle Informationen vor. BMW ist zudem ein sehr heterogener Konzern, und genau im größten Auftragsbereich war die Komplexität zu groß. Hier ist es uns auch nach monatelanger Diskussion nicht gelungen, BMW zu überzeugen, die Prozesse so umzustellen, wie es angedacht war und sinnvoll gewesen wäre. Da aber der Auftraggeber weder die vertraglichen Rahmenbedingungen noch die innerbetrieblichen Prozesse anpassen wollte beziehungsweise konnte, musste ich die Reißleine ziehen.

Um welchen Geschäftsbereich von BMW handelt es sich dabei?

Bahde: Dazu möchte ich keine Angaben machen.

Muss sich Arxes vorwerfen lassen, mit dem BMW-Auftrag die Fehler vergangener Jahre wiederholt zu haben, als man sich immer wieder von Großkunden abhängig machte? Auch wenn das Projekt noch unter Ihrem Vorgänger Udo Faulhaber eingeholt wurde - hätte man nicht gewarnt sein müssen?

Bahde: Es stimmt, Arxes wollte sich - auch schon vor meiner Zeit - wieder stärker auf den Mittelstand konzentrieren. Ich sehe hier jedoch keinen Konflikt: Die Neuausrichtung auf mittelständische Kunden besagt ja nicht, dass man nicht auch Großkunden bedienen kann. Meine Strategie lautet jedoch, den Mittelstand noch stärker und konsequenter anzugehen, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Könnten Sie das bitte etwas konkretisieren?

Bahde: Wir wollen nicht in den ganz großen Outsourcing-Projekten unterwegs sein, das ist nicht der primäre Fokus von Arxes. Unsere Kernkompetenz sehen wir in mittelständischen Firmen mit 50 bis 100 Mitarbeitern in der IT. Meine Aufgabe für die nächsten Monate sehe ich darin, das Portfolio und die Prozesse von Arxes noch konsequenter auf dieses Marktsegment auszurichten.

War die strategische Neuausrichtung der Grund, warum Sie der Arxes-Finanzinvestor Waterland an Bord holte?

Bahde: Nein, ich wurde nicht speziell für einen Strategiewechsel geholt. Halten wir es allgemein: Ich bin gekommen, um Arxes in eine erfolgreiche Zukunft zu führen...

...die Arxes auch benötigt: Ihr Unternehmen schreibt seit einigen Quartalen regelmäßig rote Zahlen. Darüber hinaus haben Sie vor einigen Wochen verkündet, dass Arxes entgegen der ursprünglichen Prognose auch in diesem Jahr Verluste einfahren wird.

Bahde: Wir wollen noch in diesem Jahr den Turnaround schaffen. Wie wir bereits angekündigt haben, lautet unser Ziel, bereits im kommenden Jahr ein positives Ebit im einstelligen Millionen-Euro-Bereich zu erzielen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Bahde: Ein Unternehmen wie Arxes, das über 20 Jahre organisch und anorganisch gewachsen ist, birgt eine Menge Optimierungspotenziale, die es zu identifizieren gilt. Ich bin jetzt seit drei Monaten an Bord. Ich habe in dieser Zeit in Absprache mit dem Aufsichtsrat und dem Investor ein Turnaround-Programm aufgestellt, das zum einen Kostensenkungen und zum anderen die Refokussierung auf den Mittelstand vorsieht.

"Dienstleister für den Mittelstand" hört sich zwar gut an, klingt aber doch sehr allgemein. Wie wollen Sie sich konkret gegenüber diesen speziellen Kunden positionieren?

Bahde: Unser Fokus liegt im Managed-Services-Bereich. Das allein reicht jedoch nicht mehr aus, um dauerhaft profitabel wachsen zu können. Es ist sehr wichtig, auch daran zu arbeiten, die IT-Betriebskosten des Kunden zu senken. Als erste Konsequenz sinkt zwar damit auch das bei uns eingehende Auftragsvolumen, aber dafür profitieren wir von zusätzlichen "Professional Services", die aus IT-Betriebsoptimierungsprojekten, Beratungen zur ITIL-Implementierung und Projektmanagement- methoden resultieren.

Wie funktioniert modernes Outsourcing à la Arxes?

Bahde: Wir richten auf den Arbeitsplätzen einen "Managed Desk" ein. Dieser beinhaltet sowohl den Client mit Netzwerkanbindung als auch die Sprachkomponente. Die Konvergenz, also das Zusammenwachsen von Sprache und Daten, wird von unseren Wettbewerbern noch nicht in der Konsequenz angeboten, wie die Marktanforderungen danach rufen. Meine Expertise aus dem VoIP-Umfeld (als ehemaliger Avaya-Tenovis-Geschäftsführer, Anm. d. Red.) hilft mir dabei, den Vorsprung von Arxes zu erarbeiten und zu halten.

Im Februar 2007 ging die alte Führungsriege um Udo Faulhaber und Jürgen Peter Arxes, weil sie sich offensichtlich mit dem Finanzinvestor Waterland nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen konnten. Wie groß ist Ihr Entscheidungsspielraum?

Bahde: Waterland und insbesondere der Aufsichtsrat haben mir die volle Rückendeckung und Freiheit für das Erstellen meines Turnaround-Programms gegeben.

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