Rein Software basiert

Netzwerk-Architektur für Service Provider

15.08.2014
Von Gerhard Abeska
Die bisher bei Service Providern eingesetzte Netzwerk-Architektur kommt in die Jahre - was sich ändern muss.

Die Networking-Strukturen der großen, etablierten Player der Telekommunikation kommen aus der Mainframe-Welt. Es dominieren proprietäre Systeme und ein fast schon archaisches Architektur-Modell. Hier müssen für jede der Funktionen, auf denen ihre Services beruhen - zum Beispiel DMS, Session Border Controller, Firewall oder CDN - , riesige Schränke voll mit proprietärer Infrastruktur implementiert werden. Alles erfordert komplizierte Installationen, langwierige Integrationsprozesse und eine aufwendige Administration.

Service Provider benötigen neue Netzwerk-Architektur.
Service Provider benötigen neue Netzwerk-Architektur.
Foto: Ronald Wiltscheck

Die bisher bei Service Providern eingesetzte Netzwerksysteme sind sehr teuer, und da stellt sich früher oder später immer die Frage, ob sich solche Kosten nicht vermeiden lassen. Zum andern bedeuten proprietäre Systeme immer lange Produkt­zyklen und geringen Innovationsdruck. Neue Produkte und Services lassen sich damit nur langsam umsetzen.Im heutigen Telekom-Markt kann man so aber nicht mehr arbeiten. Hier sind in den letzten Jahren neue Player aufgetreten: Internet-Ser­vice-Provider, die nicht mehr vom klassischen Modell der Telekom-Service-Provider ausgehen. Unternehmen wie Skype oder 1&1 sind nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil sie ohne proprietäre Altlasten flexibel und schnell operieren können. Sie können beispielsweise neue Services in wenigen Tagen aufsetzen. Herkömmliche Anbieter müssen sich daran orientieren und ihrerseits flexible Infrastrukturen implementieren.

Den Schlüssel zur Modernisierung der Netzwerke bildet die Virtualisierung. Dieses im Server-Bereich so erfolgreiche Konzept ist auch auf Netzwerke übertragbar. So genannte "Network Functions Virtualization" (NFV) trennt einzelne Netzwerkfunktionen von der Hardware-Basis und realisiert sie Software basiert als Services. Diese lassen sich auf einer Standard-Hardware-Plattform betreiben. Zum Beispiel werden Load Balancer oder Firewall nicht mehr als besondere Hardware bereitgestellt, sondern per Software als virtuelle Netzwerkfunktionen (VNF) auf ganz normalen Servern.

Mit dieser Architektur erhalten Service Provider eine flexiblere Netzwerk-Infrastruktur. Neue Services lassen sich mit VNF einfach durch die Implementierung einer entsprechenden Software kurzfristig aufsetzen. Sie können damit dynamisch neue Mehrwertdienste bereitstellen und schnell auf neue Anforderungen reagieren. Vor allem aber können sich die Anwender aus dem bestehenden Hardware-Lock-in befreien und die proprietären Bestandteile ihrer Hardware durch standardisierte Server- und Netzwerk-Komponenten ersetzen. Damit sind Investitionen und Betriebskosten deutlich geringer, denn Standard-Komponenten sind von Haus aus preiswerter, und das Management virtueller Systeme kann automatisiert und damit vereinfacht werden.

Doch neue Technologie setzt sich bei Service Providern nur langsam durch und ist mit umfangreichen Testläufen verbunden. Bei NFV haben wir es ja immerhin mit der Neuausrichtung der gesamten Architektur und Netzwerk-Philosophie zu tun. Das ist natürlich ein anspruchsvolles Vorhaben. Eine der wesentlichen Herausforderungen der nächsten zwei Jahre wird daher darin bestehen, NFV über die Phase des Proof of Concept zu heben und es in der Praxis zu etablieren. Dabei kommt der Arbeit von Standardisierungs-Organisationen wie dem ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikationsstandards) oder der Open Networking Foundation (ONF) eine wichtige Rolle zu. Ziel aller Beteiligten ist die Entwicklung einer kommerziell einsetzbaren, Cloud-basierten NFV-Plattform für Service-Provider. (rw)

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