Novell veröffentlicht umstrittenen Vertrag mit Microsoft

29.05.2007
Die absehbare künftige Version der General Public License bedroht die Partnerschaft. Novell sieht sich vor Risiken.

Der Suse-Linux-Distributor Novell hat im Rahmen eines Berichts an die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC die drei Verträge publik gemacht, die das Unternehmen im November letzten Jahres mit Microsoft abgeschlossen hat. Der "10-K"-Report hatte sich aufgrund einer Novell-internen Untersuchung von Aktienoptionen verzögert. In einer Zusammenfassung stellt Novell fest, dass die anstehende dritte Version der verbreiteten GNU General Public License (GPLv3) die vereinbarte Kooperation mit Microsoft in Frage stellen könnte.

Die GPLv3 könnte Ron Hovsepian und Steve Ballmer einen Strich durch die Rechnung machen.
Die GPLv3 könnte Ron Hovsepian und Steve Ballmer einen Strich durch die Rechnung machen.
Foto: Microsoft

Der jüngste Entwurf zur künftigen GPLv3 macht Abkommen wie das zwischen Novell und Microsoft unmöglich (mehr dazu hier). Angesichts von Risiken für das Patentportfolio des Redmonder Unternehmens "könnte Microsoft den Vertrieb von Suse-Linux-Coupons einstellen", so Novell in der 10-K-Erläuterung der Geschäftsrisiken. "Wir könnten genötigt sein, unser Verhältnis zu Microsoft zu weniger günstigen Bedingungen als nach dem jetzigen Vertrag zu modifizieren, oder unsere Möglichkeit, GPLv3-Code in unsere Produkte zu implementieren, könnte eingeschränkt werden. Beides könnte unser Geschäft und unsere Umsätze beeinflussen." Im Konfliktfall seien Gegenmaßnahmen "nicht mit Sicherheit Erfolg versprechend"; die Auswirkungen könnten "materiell negativ" sein.

Dem SEC-Bericht angehängt sind drei Verträge mit Microsoft: je ein Abkommen über technische und geschäftliche Kooperation sowie das bisher von Spekulationen umhüllte 26-seitige "Patent Collaboration Agreement". Wie schon bekannt enthält es eine Befreiung von Suse-Linux-Anwendern und -Distributoren von hypothetischen Patentrechtsklagen Microsofts. Dieser Teilvertrag nimmt aber explizit Open-Source-Anwendungen wie "Wine", "Open-Xchange", "StarOffice" und "OpenOffice" aus. Ferner sind in allgemeiner Weise quelloffene Office- und Business-Applikationen, Mail-Server und Kommunikationsprogramme sowie Spiele von einem Freispruch ausgeschlossen.

Allerdings hält das Patentabkommen mit Microsoft in Absatz 3.4 fest: "Nichts in diesem Vertrag soll als ein Zugeständnis einer Seite verstanden werden, dass Patente der Gegenseite verletzt werden oder durchsetzbar seien." Novell hat immer Wert auf die Feststellung gelegt, gegenüber Microsoft nicht zugestanden zu haben, Open-Source-Produkte könnten Redmonder Patente verletzen (mehr dazu hier). Microsoft wiederum hat genau das seit Vertragsabschluss immer wieder behauptet, zuletzt erklärt, das sei in genau 235 Fällen so, ohne allerdings Details zu nennen.

Inzwischen sehen einige Rechtsspezialisten nicht Novell, sondern Microsoft in einer prekären juristischen Position: Microsoft habe selbst Tausende Coupons verteilt, die Anwendern kostenlosen Novell-Support für Suse Linux bescheren. Daher könne das Unternehmen nun nicht mehr klagen, meint Richard Fontana, Anwalt beim Software Freedom Law Center (SFLC). Wer ein Programmpaket unter die Leute bringe, könnte sich danach nicht beschweren, es verletze seine Patentrechte.

Andere Juristen gehen noch weiter, beispielsweise Eben Moglen, Vorsitzender des SFLC und bis vor seinem kürzlichen Rücktritt aus dem Vorstand der Free Software Foundation der einflussreichste Autor der künftigen GPL. Der Juraprofessor erinnert daran, dass die Einlösung der Coupons nicht zeitlich limitiert ist. Coupons könnten also auch noch eingereicht und damit gültig werden, wenn die GPLv3 schon in Kraft ist. Das brächte Microsoft in den Wirkungsbereich der GPLv3 und würde seine patentrechtlichen Ansprüche unmittelbar in Frage stellen. Aus diesem Grund fürchtet Novell ein Ende der Kooperation mit dem Redmonder Konzern; das Abkommen mit Microsoft hätte ein von den Kritikern unerwartet Ergebnis zur Folge. (ls)

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